Auch interne Bewerber müssen bei einem Vorstellungsgespräch grundsätzlich auf ihre Schwerbehinderung hinweisen.
BAG vom 25.4.2024 – 8 AZR 143/23
Kernaussage:
Einladung zu Vorstellungsgesprächen: Auch interne Bewerber müssen grundsätzlich auf ihre Schwerbehinderung hinweisen.

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Prof. Dr. Boris Hoffmann und Dr. Erik Schmid
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Leitsatz
Werden Bewerbungsverfahren dezentral durchgeführt, müssen interne Bewerber auch dann in den Bewerbungsunterlagen auf eine vorhandene Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung hinweisen, wenn das Vorliegen der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung in der zentralen Personalverwaltung bekannt ist.

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Der Fall:
Eine schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmerin war befristet an der medizinischen Fakultät einer Universität als Sekretärin beschäftigt. Als an zwei anderen Fakultäten derselben Universität Sekretariatsstellen intern ausgeschrieben wurden, bewarb sich die Arbeitnehmerin auf diese Stellen. In der Personalakte der Arbeitnehmerin war die Gleichstellung vermerkt - in den Bewerbungsunterlagen hingegen fand sich kein Hinweis auf die vorhandene Gleichstellung. Ausweislich der Ausschreibungen sollten die Bewerbungen an die jeweiligen Institute gerichtet werden, wobei als Ansprechpartner die jeweiligen Professoren angegeben waren. Nachdem die Institute nicht auf die Bewerbungen reagiert und die Arbeitnehmerin nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen hatten, klagte die Arbeitnehmerin auf eine Entschädigung nach dem AGG. Da die personalführende Stelle von der Gleichstellung Kenntnis hatte, sei dieses Wissen allen Institutionen des Arbeitgebers zuzurechnen. Da jedoch trotz unterstellter Kenntnis von der Gleichstellung keine Einladung nach § 165 SGB IX erfolgt sei, sei von einer Benachteiligung wegen Behinderung auszugehen.

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Die Entscheidung des Gerichts:
Das BAG sah dies anders und entschied zugunsten des Arbeitgebers. Zwar könne die Verletzung einer Einladungspflicht nach § 165 SGB IX grundsätzlich auch ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung darstellen. Dies setze jedoch zwingend voraus, dass dem Arbeitgeber das Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung bekannt sei. Daher müsse ein Bewerber in der Regel den Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über die Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung informieren. Anderenfalls fehle es an der Ursächlichkeit der Behinderung für die benachteiligende Maßnahme. Dies können nur dann unterbleiben, wenn der Arbeitgeber ausnahmsweise bereits über diese Information verfüge. Dies können bei einer internen Bewerbung grundsätzlich der Fall sein. Im Fall einer Vielzahl beschäftigter Arbeitnehmer und einer dezentralen Durchführung der Bewerbungsverfahren könne jedoch nicht unterstellt werden, dass dem Arbeitgeber eine bestehende Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung bekannt sei. Da vorliegend die Auswahl der Bewerber direkt in den Instituten der verschiedenen Fakultäten durchgeführt wurde und die dezentrale Durchführung für die Arbeitnehmerin (aufgrund der in den Stellenausschreibungen geforderten Adressierung an die Institute) auch erkennbar war, hätte die Arbeitnehmerin auf ihre Gleichstellung hinweisen müssen.
Dr. Till Sachadae, stellvertretender Geschäftsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)
Wie sich diese Entscheidung in der Praxis darstellt, können Sie im Breier/Dassau TVöD Kommentar bei § 2 TVöD Erl. 1.3.3.1 sowie im Breier/Dassau TV-L Kommentar bei § 2 TV-L Erl. 1.3.3.1 nachlesen.