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Entscheidung des BAG zur Verzinsung von Nachzahlungen bei rechtsfehlerhafter Eingruppierung – Voraussetzungen für den Nachweis fehlenden Verschuldens

Erneut hat das Bundesarbeitsgericht zu den Anforderungen zum Nachweis fehlenden Verschuldens gem. § 286 Abs. 4 BGB bei rechtsfehlerhafter Eingruppierung eines Beschäftigten Stellung genommen. Annette Salomon-Hengst, Referatsleiterin für Tarifrecht des Landes Brandenburg, erklärt den Sachverhalt, bewertet die Entscheidung und weist auf die Auswirkungen in der Praxis hin.

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BAG vom 29.1.2025 – 4 AZR 69/24 – juris

Die wichtigsten Orientierungssätze:

Zahlt die Arbeitgeberin aufgrund einer rechtsfehlerhaften Bewertung der auszuübenden Tätigkeit Vergütung nach einer zu niedrigen Entgeltgruppe, gerät sie hinsichtlich der Entgeltdifferenz regelmäßig nach § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB in Verzug und ist zur Zinszahlung verpflichtet.

Für einen etwaigen verschuldensausschließenden Rechtsirrtum ist die Arbeitgeberin nach § 286

Abs. 4 BGB darlegungs- und beweisbelastet. Allein die Tatsache, dass zu den fraglichen Tätigkeitsmerkmalen bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, ist hierfür nicht ausreichend.

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Sachverhalt:

Streitig war die Eingruppierung eines Beschäftigten, der von 1990 bis 2022 bei einer bayerischen Kommune als Fahrer eines Lkw mit integriertem Ladekran (Gesamtgewicht 18 t) bei der Grünflächenpflege anfallendes Material, insbesondere Äste und Blätter, transportierte und ein Entgelt aus der Entgeltgruppe (EntgGr.) 5 Stufe 6 des TVöD/VKA erhielt. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Eingruppierung nach EntgGr. 6 FGr 4 Anlage 1 a zum 13. LBzTV für möglich gehalten, konnte den Streit jedoch in Ermangelung ausreichender Tatsachenfeststellungen durch die Vorinstanz nicht abschließend entscheiden. Für den Fall des Bestehens eines Vergütungsanspruchs nach EntgGr. 6 hat das Bundesarbeitsgericht zur Verzinsung der Entgeltdifferenz und zum Nachweis fehlenden Verschuldens Stellung genommen.

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Die Entscheidung:

Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur Verzinsung und zu den Voraussetzungen zum Nachweis fehlenden Verschuldens sind von allgemeiner Bedeutung; die bereits 2011 vollzogene Rechtsprechungsänderung wird bestätigt und fortgeführt.

Entgeltnachzahlungen sind nach § 286 § Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, einer Mahnung bedarf es nicht. Hat der Beschäftigte innerhalb der Ausschlussfrist den Vergütungsanspruch geltend gemacht, umfasst dies auch die Zinsen als Verzugsschaden.

Für einen etwaigen verschuldensausschließenden Rechtsirrtum nach § 286 Abs. 4 BGB, der die Verpflichtung zur Zinszahlung entfallen ließe, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.

Dafür sind seit der Rechtsprechungsänderung (BAG vom 26.1.2011 – 4 AZR 167/09) hohe Hürden zu überwinden. Eingruppierungsfehler sind nicht mehr per se wegen der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtsmaterie entschuldbar – so die damalige Sicht des BAG. An die Annahme eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind nunmehr strenge Anforderungen zu stellen, die regelmäßig die Einholung von Rechtsrat und die sorgfältige Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfordern. Dabei kann es ausreichen, sich auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu berufen, wenn ihr ein zumindest ähnlicher Sachverhalt zugrunde liegt. Allein der Verweis auf fehlende Rechtsprechung ist jedoch nicht ausreichend zum Nachweis fehlenden Verschuldens. Verbleibende rechtliche Unwägbarkeiten gehen zulasten des Arbeitgebers; die daraus resultierenden Risiken werden sich also nicht vollständig ausschließen lassen.

Annette Salomon-Hengst

Die Verfasserin ist Referatsleiterin für Tarifrecht des Landes Brandenburg. Der Beitrag gibt ausschließlich ihre persönliche Ansicht wieder.

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