Die Entscheidung des BAG schafft Orientierung zur Regelung in § 15 Abs. 3 TzBfG, überlässt es jedoch dem Gesetzgeber eine pauschale Grenze für die Befristungsdauer festzulegen.
BAG, Urteil vom 5. Dezember 2024 – 2 AZR 275/23
Orientierungssätze
- (amtl.)
Die Vereinbarung einer Probezeit, die der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, ist in der Regel unverhältnismäßig
- (red.)
Ist neben oder in einer Vereinbarung über die Probezeit eine Abrede über die Beendigung des befristeten Arbeitsvertrags durch eine ordentliche Kündigung getroffen, bleibt deren Wirksamkeit von der Unwirksamkeit einer unverhältnismäßig langen Probezeit unberührt
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Der Fall
Der Kläger wurde von der Beklagten am 1.9.2022 als Serviceberater/KFZ-Meister eingestellt. Es galt kein Tarifvertrag. Die Parteien vereinbarten ein auf sechs Monate befristetes Probezeit-Arbeitsverhältnis, das nach Ablauf dieser Zeit unbefristet fortbestehen sollte. Während der Probezeit sollte das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen beendet werden können. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 28.10. zum 11.11.2022. Der Kläger hielt diese Kündigung wegen des Fehlens einer Kündigungsmöglichkeit für unwirksam. Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Arbeitsverhältnis bis zum 30.11.2022 fortbestand.

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Die Entscheidung
Die Vereinbarung einer mit der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses deckungsgleichen Probezeit ist in der Regel mit § 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung ist zum 1.8.2022 zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (EU) 2019/1152 in das TzBfG eingefügt worden. Danach muss die für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbarte Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Weder die Richtlinie noch der deutsche Gesetzgeber haben nähere Vorgaben zu dem angemessenen Verhältnis von Befristung und Dauer der Probezeit gemacht. Auch das BAG hat keine generelle Regelung vom Verhältnis von Dauer der Befristung und Probezeit entwickelt. Es hat lediglich dem von ihm zu entscheidenden Extremfall – Identität von Probezeit und Befristung – eine Absage erteilt. Diese Auslegung des § 15 Abs. 3 TzBfG ist zwingend: Wenn die Bestimmung ein „Verhältnis“ von Probezeit und Befristung verlangt, dann muss die Probezeit hinter der Dauer der Befristung zurückbleiben. Dies gilt auch dann, wenn sich an die Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anschließen soll. Ob den Anforderungen des § 15 Abs. 3 TzBfG genügt ist, bestimmt sich allein nach der Befristungsdauer sowie der Art der Tätigkeit. Das Abstellen auf weitere Kriterien und damit auch auf die in Aussicht stehende Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses schließt das Gesetz aus.
Die Vereinbarung einer zu langen und damit unverhältnismäßigen Probezeit lässt die Probezeitvereinbarung insgesamt entfallen. Darum kann nicht auf § 622 Abs. 3 BGB, wonach während der längstens sechsmonatigen Probezeit das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann, zurückgegriffen werden. Allerdings bleibt die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich, wenn neben der Probezeitvereinbarung oder damit verknüpft eine von der Probezeitvereinbarung als solcher unabhängige Abrede über die Kündbarkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses getroffen ist. Das war vorliegend mit der Vereinbarung „Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden“ geschehen. Dann ist das Arbeitsverhältnis mit der Kündigungsfrist ordentlich kündbar, die sich gesetzlich oder tariflich nach der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses ergibt. Insoweit ist die Kündigung umzudeuten.

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Einordnung der Entscheidung
Die Besprechungsentscheidung ist die erste des BAG zur Neuregelung des § 15 Abs. 3 TzBfG. Das BAG bezweifelt, ob die Gerichte für Arbeitssachen berechtigt sind, feste Bezugsgrößen festzulegen, welche Probezeiten für welche Befristungszeiten nach § 15 Abs. 3 TzBfG abstrakt und generell verhältnismäßig sind. Angesichts der bewussten Weigerung sowohl des Unionsgesetzgebers (keine Berücksichtigung des Vorschlags des Europäischen Parlaments, festzulegen, dass die Probezeit höchstens 25% der erwarteten Vertragsdauer betragen dürfe, EP-Bericht A8-0355/2018 Änderungsantrag Nr. 91) als auch des deutschen Gesetzgebers (keine Berücksichtigung des Appells des Bundesrats, konkrete Vorgaben festzulegen, BR-Drs 154/1/22, S. 4) erscheinen diese Zweifel mehr als berechtigt. Gerichte sind keine Ersatzgesetzgeber. Darum hat sich das BAG darauf beschränkt, den Fall festzulegen, in dem § 15 Abs. 3 TzBfG in aller Regel der Vereinbarung einer Probezeit entgegensteht. Das ist der Fall der Identität von Probezeit und Befristungsdauer.
Karin Spelge
Vorsitzende Richterin am BAG
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