Betriebsrente – versicherungsmathematische Abschläge – Benachteiligung wegen der Behinderung
Sachverhalt
Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bezieht seit der Vollendung seines 60. Lebensjahres eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte und eine Betriebsrente. In der Vergangenheit war bei der Beklagten der ungekürzte Bezug der Betriebsrente möglich, wenn der Arbeitnehmer eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Auch nach einer Änderung der Versorgungsordnung besteht ein Anspruch auf Betriebsrente, wenn eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird. Jedoch wurde als feste Altersgrenze einheitlich die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt und gleichzeitig bestimmt, dass für eine vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,4 % pro Monat vorzunehmen ist, soweit die Anwartschaft auf Beschäftigungszeiten nach dem 1. Januar 1996 beruht. Dementsprechend kürzte die Beklagte die Betriebsrente.
Der Kläger wendet sich gegen die Wirksamkeit des Abschlags. Nach seiner Auffassung liegt darin eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Ihm werde als schwerbehinderten Menschen kein angemessenes Wahlrecht mehr zwischen einer abschlagsfreien Inanspruchnahme der Betriebsrente und einem Weiterarbeiten bis zur festen Altersgrenze eingeräumt. Zudem sei die Ablösung nicht von dem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Prüfungsschema gedeckt. Insbesondere habe die Beklagte nicht dargelegt, durch die Einführung der Abschläge Mehrbelastungen ausgeglichen zu haben, die durch die Vereinheitlichung der Altersgrenze entstanden seien.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Prozessergebnis
Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Begründung
Sieht eine Versorgungsordnung bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen, „festen Altersgrenze“ Abschläge vor, liegt darin keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende unerlaubte Benachteiligung wegen einer Behinderung. Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG scheidet aus, weil die Abschläge nicht an die Behinderteneigenschaft anknüpfen. Auch andere Arbeitnehmer können früher in Rente gehen. Ebenso scheidet eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG aus. Liegen die Voraussetzungen eines frühen Renteneintritts auch bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern vor, müssen diese ebenfalls Abschläge hinnehmen. Soweit allein schwerbehinderte Menschen die gesetzliche und damit die Betriebsrente früher beanspruchen können, werden sie nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. Denn es kann keine anderen Arbeitnehmer geben, die zum selben Zeitpunkt eine Betriebsrente beziehen.
Das klageabweisende Urteil der Vorinstanz war dennoch aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu prüfen haben, ob für die Änderung der Versorgungsordnung sachlich-proportionale Gründe vorlagen und damit die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.
BAG vom 13.10.2016 – 3 AZR 439/15 –
Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 54/16 vom 13.10.2016 und Terminvorschau
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

