Die stürmische Sabine und der Weg zur Arbeit
Liebe Leserin, lieber Leser,
die stürmische Sabine hat auch dafür gesorgt, dass Arbeitnehmer nicht oder nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz erschienen sind. Die Gründe sind beispielsweise Einschränkungen im Öffentlichen Nah- und Fernverkehr, umgestürzte Bäume oder die Angst, von herumfliegenden Gegenständen erschlagen zu werden. Stürmisch möchte ich die Gerüchte und Halbwahrheiten, wie „Höhere Gewalt“ oder „Anspruch auf Home Office“ oder „Risiko trägt der Arbeitgeber“ aufräumen:
Das Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer
Arbeitnehmer tragen das sog. „Wegerisiko“. Arbeitnehmer haben dafür zu sorgen, dass sie rechtzeitig zu Arbeitsbeginn am Arbeitsort eintreffen und zur Arbeitsleistung zur Verfügung stehen. Der Arbeitgeber ist nicht verantwortlich für das Wetter, Staus oder Einschränkungen im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Arbeitnehmer müssen mögliche und zumutbare Vorkehrungen treffen, um eine Verspätung am Arbeitsplatz zu vermeiden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es absehbar ist, dass es zu Behinderungen und/oder Verzögerungen auf dem Arbeitsweg kommen kann. Bei einem plötzlich auftretenden Stau wegen eines Unfalls oder bei einem unerwarteten Schaden am Zug kann keine oder kaum Vorsorge des einzelnen Arbeitnehmers getroffen werden. Streiks bei Bus und Bahn sowie den Arbeitsweg beeinträchtigendes Wetter, wie Schneefälle, Eisglätte oder der Orkan Sabine ist oft mehrere Tage, jedenfalls am Vortag bekannt. Auch im Fall „Sabine“ wurde Tage vorher von erheblichen Einschränkungen im Zug- und Flugverkehr berichtet. Arbeitnehmern ist in diesem Zusammenhang zuzumuten – und dazu sind sie auch rechtlich verpflichtet – morgens früher loszufahren, um die wahrscheinlichen Behinderungen im Straßenverkehr zeitlich auszugleichen. Zumutbar ist sicher auch der Umstieg von den öffentlichen Verkehrsmitteln auf das Auto und umgekehrt.
Lohnausfall oder Nacharbeit
Sind Arbeitnehmer aufgrund des Orkans Sabine nicht oder nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz erschienen, darf der Arbeitgeber den Lohn kürzen oder die versäumte Zeit nacharbeiten lassen. Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“. Dies bedeutet, dass die Vergütung nur dann (als Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers) zu gewähren ist, wenn auch der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht, die Erbringung der Arbeitsleistung erfüllt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wie bei der Krankheit oder Entgeltfortzahlung oder dem Urlaub, besteht in diesen Fällen nicht. § 616 BGB, der bei vorübergehender Verhinderung aus persönlichen Gründen eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ schafft, ist nicht anwendbar. Verspätungen aufgrund des Wetters sind eben kein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund.
Abmahnung und Kündigung
Das Nichterscheinen oder verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz ist eine Pflichtverletzung. Diese Pflichtverletzung kann grundsätzlich arbeitsrechtlich durch Abmahnung und Kündigung sanktioniert werden. Die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen jedoch in jedem Fall ausreichend berücksichtigt werden. Eine Abmahnung oder Kündigung kommt dann nicht in Betracht, wenn die Verspätung aufgrund nicht zu erwartender umgestürzter Bäume oder Verkehrsunfälle verstärkt wurde. Eine Abmahnung oder eine Kündigung kommt jedoch dann in Betracht, wenn Arbeitnehmer trotz rechtzeitig angekündigtem Orkan, winterlicher Bedingungen, Streichung von Flug- und Zugverbindungen nichts unternehmen, um rechtzeitig bei der Arbeit zu erscheinen, insbesondere nicht früher zu Hause losfahren oder alternative Verkehrsverbindungen in Anspruch nehmen.
Kein Anspruch auf Urlaub, Sonderurlaub, Home-Office
Arbeitnehmer, die aufgrund des Orkans Sabine den Weg zur Arbeit lieber vermeiden wollen und frei machen, haben darauf grundsätzlich keinen Anspruch. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die an Tagen mit extremem Schlechtwetter lieber von zu Hause aus arbeiten, es sei denn es gibt Home-Office-Vereinbarungen. Oftmals wird eine pragmatische Lösung gesucht. Beispielsweise der Arbeitnehmer darf an dem Tag Überstunden abbauen, bekommt nachträglich Urlaub genehmigt oder darf mobil arbeiten. Solche Kompromisse setzen aber die Zustimmung des Arbeitgebers voraus.
Kommen Sie gut mit Sabine klar.
Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München
Ihr Dr. Erik Schmid

