Neues zur stufenweisen Wiedereingliederung
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Gesetzgeber hat die stufenweise Wiedereingliederung – umgangssprachlich auch als „Hamburger Modell“ bezeichnet - in § 74 SGB V verankert. Diese soll helfen, arbeitsunfähige Mitarbeiter wieder in das Erwerbsleben zu integrieren. Eine stufenweise Wiedereingliederung setzt voraus, dass Ihr Mitarbeiter noch einen Anspruch auf Krankengeld hat. Initiiert wird diese durch Ihren Mitarbeiter in Abstimmung mit seinem behandelnden Arzt und der gesetzlichen Krankenkasse. Grundlage der Maßnahme ist ein sog. Wiedereingliederungsplan, der es ermöglichen soll, durch eine individuell angepasste Steigerung der Arbeitszeit und der Arbeitsbelastung den Genesungsprozess Ihres Mitarbeiters zukünftig günstig zu beeinflussen.
Der behandelnde Arzt soll auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Ihres Beschäftigten sowohl Art als auch Umfang der aus seiner Sicht möglichen Tätigkeiten angeben und dabei in geeigneten Fällen die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des medizinischen Dienstes (§ 275 SGB V) einholen.
Hinweis! Sie können Mitarbeiter nicht zwingen, an einer stufenweisen Wiedereingliederung teilzunehmen. Diese ist vielmehr freiwillig. Lehnt einer Ihrer Mitarbeiter eine entsprechende Maßnahme ab, hat dies für diesen keine negativen Konsequenzen zur Folge. Sie können damit die Ablehnung einer Wiedereingliederung arbeitsrechtlich nicht sanktionieren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist das zum Zwecke der Wiedereingliederung begründete Rechtsverhältnis kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art, da im Rahmen der Wiedereingliederung nicht der Austausch von Leistung und Gegenleistung im Mittelpunkt steht. Vielmehr ist das Rechtsverhältnis sui generis durch den Rehabilitationszweck geprägt.1
Hinweis! Schwerbehinderte Mitarbeiter haben nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX gegenüber Ihnen einen Anspruch auf Beschäftigung, bei der diese ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Von diesem Anspruch umfasst, ist auch, dass Sie Ihrem Mitarbeiter eine stufenweise Wiedereingliederung ermöglichen müssen, soweit dieser einen ärztlichen Wiedereingliederungsplan vorlegt, aus dem auch hervorgehen muss, wann mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.2
In einer aktuellen Entscheidung vom 16.5.2019 hat sich der 8. Senat des BAG3 mit der Frage befasst, ob der Arbeitgeber im Einzelfall eine stufenweise Wiedereingliederung eines schwerbehinderten Beschäftigten auch ablehnen kann.
Hintergrund war, dass die Betriebsärztin zwar eine Wiedereingliederung des Beschäftigten befürwortete, allerdings mit bestimmten Einschränkungen in der Tätigkeit. Aus dem dem Arbeitgeber vorliegenden Wiedereingliederungsplan ergaben sich allerdings keine Einschränkungen in der Tätigkeit. Daraufhin lehnte der später verklagte Arbeitgeber die Wiedereingliederung ab.
Das BAG wies die Klage aus meiner Sicht zu Recht letztinstanzlich ab, nachdem das Berufungsgericht dieser noch stattgab. Das Gericht verwies in seiner Begründung darauf, dass im Streitfall besondere Gründe vorlagen. Diese berechtigten den Arbeitgeber seine Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan zu verweigern. Denn es bestand aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahme die Befürchtung, dass der Gesundheitszustand des Mitarbeiters eine Beschäftigung entsprechend des Wiedereingliederungsplans nicht zulassen würde.
Fazit für Sie! Grundsätzlich haben Ihre schwerbehinderten Mitarbeiter einen Anspruch auf Zustimmung zum vorgelegten Wiedereingliederungsplan. Dies gilt jedoch nicht, wenn die begründete Befürchtung besteht, dass Ihr Beschäftigter aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht entsprechend des Planes eingesetzt bzw. beschäftigt werden kann. Damit kommt es grundsätzlich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an.
Damit verbleibe ich mit herzlichen Grüßen
Ihr
Boris Hoffmann
1 So bereits BAG 29.1.1992 – 5 AZR 37/91, ZTR 1992, 336.
2 BAG 13.6.2006 – 9 AZR 229/05, ZTR 2007, 205.
3 BAG 16.5.2019 – 8 AZR 530/17, juris.
