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Deklaratorisches Schuldanerkenntnis – Allgemeine Geschäftsbedingungen – Auslegung – Sittenwidrigkeit – Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung – unangemessene Benachteiligung – Transparenzgebot – gesamtschuldnerische Haftung

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BAG vom 21.4.2016 – 8 AZR 474/14: Das Bundesarbeitsgericht hat einen Streit darüber entschieden, ob zwei Beklagte gegenüber der Klägerin wegen manipulierter Leergutbuchungen zum Schadensersatz verpflichtet sind, und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit und die Wirkungen eines „Schuldanerkenntnisses“.

Orientierungssätze

 

  1. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld lediglich bestätigt wird. Die Annahme eines solchen Schuldanerkenntnisses setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen und es endgültig festlegen wollen.

  2. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis bewirkt, dass der Schuldner mit sämtlichen Einwendungen rechtlicher und tatsächlicher Natur und der Geltendmachung sämtlicher Einreden ausgeschlossen ist, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete.

  3. Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist. Dies ist aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegenden relevanten Umstände zu beurteilen.

  4. Für die Frage, ob mittels eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses eine überhöhte oder zweifelhafte Schadensersatzforderung durchgesetzt werden soll, ist nicht das Verhältnis zwischen wahrer Ausgangslage im Sinne einer tatsächlichen Beweisbarkeit und dem anerkannten Betrag, sondern die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung maßgeblich.

  5. § 306 Abs. 1 BGB kommt auch dann zur Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung nicht aus den §§ 307 bis 309 BGB, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt.

  6. Eine widerrechtliche Drohung macht ein Rechtsgeschäft lediglich nach § 123 BGB anfechtbar. Dies hat zur Folge, dass es nur dann wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn weitere Umstände als die unzulässige Willensbeeinflussung hinzutreten, die das Geschäft seinem Gesamtcharakter nach als sittenwidrig erscheinen lassen.

  7. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis verstößt nicht gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 12 BGB. Beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis liegt die Anerkenntniswirkung allein in der Feststellung des Ausgangsschuldverhältnisses. Es verlagert nicht die Beweislast der Parteien, vielmehr sind mögliche Beweisfragen durch das materielle Recht beseitigt worden.

  8. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB daraufhin zu überprüfen, ob es mit den wesentlichen Grundgedanken des § 779 BGB zu vereinbaren ist. Zwar fehlt es bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis – anders als bei einem Vergleich – an einem gegenseitigen Nachgeben; vielmehr liegt wegen des einseitigen Nachgebens an sich ein „einseitiger Feststellungsvertrag“ vor, durch den die Parteien ihre materiellen Beziehungen regeln. Da der Zweck eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses aber darin besteht, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen, hat es vergleichsähnlichen Charakter mit der Folge, dass § 779 BGB auf das deklaratorische Schuldanerkenntnis entsprechend anwendbar ist.

  9. Bei einer gesamtschuldnerischen Haftung hat ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis eines Gesamtschuldners nach § 425 Abs. 1 BGB nur Auswirkungen für und gegen den Gesamtschuldner, der das Anerkenntnis abgegeben hat, es sei denn, dass sich aus dem Schuldverhältnis mit dem anderen Gesamtschuldner ein anderes ergibt.

 

 

Auf die vollständige Begründung der Entscheidung wird verwiesen.

 

 

BAG vom 21.4.2016 – 8 AZR 474/14 –

 

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

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