Günstigkeitsvergleich – Sachgruppenvergleich
Leitsätze
- Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen. Danach hat ein Vergleich der in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen zu erfolgen (sog. Sachgruppenvergleich).
- Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt bilden bei der Durchführung des Günstigkeitsvergleichs grundsätzlich eine einheitliche Sachgruppe, da beide Hauptleistungspflichten in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang stehen.
- Ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die einzelvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden, normativen Geltung des Tarifvertrags.
Orientierungssätze
- Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen.
- Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ist durch einen Vergleich zwischen der tarif- und der arbeitsvertraglichen Regelung (Günstigkeitsvergleich) zu ermitteln. Im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen zu vergleichen (sog. Sachgruppenvergleich).
- Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert. Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Ändert sich mindestens eine der zu vergleichenden Regelung, ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich vorzunehmen.
- Die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt stehen als Teile der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten grundsätzlich in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang. Die Günstigkeit einer kürzeren oder längeren Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitsverhältnisses lässt sich ebenso wenig isoliert beurteilen wie das Arbeitsentgelt ohne Rücksicht auf die hierfür aufzuwendende Arbeitszeit.
- Eine Beschäftigungsgarantie gehört nicht zur Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt. Die Hauptleistungspflichten auf der einen und eine Beschäftigungsgarantie auf der anderen Seite betreffen unterschiedliche Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt. Eine Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist in diesem Zusammenhang nicht geeignet, Verschlechterungen bei der Arbeitszeit oder dem Arbeitsentgelt zu rechtfertigen.
- Ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die einzelvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden, normativen Geltung des Tarifvertrags.
Auf den vollständigen Wortlaut der Entscheidungsbegründung wird verwiesen.
BAG vom 15.4.2015 – 4 AZR 587/13 –
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
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