Pfändbarkeit von Zulagen
Leitsätze
- Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen i. S. von § 850a Nr. 3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen.
- Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar i. S. von § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden.
Orientierungssätze
- Sinn und Zweck der Zwangsvollstreckungsregeln der ZPO bestehen darin, dem Gläubiger einen staatlich geregelten Weg zu eröffnen, um eine titulierte Forderung auch tatsächlich durchsetzen zu können. Diesem Gläubigerinteresse steht das verfassungsrechtlich durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Schuldners (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) geschützte Interesse des Schuldners an einer Sicherung seiner Existenzgrundlage gegenüber. Der Gesetzgeber hat diesen Schutzauftrag in den §§ 850 ff. ZPO ausgeführt und darin dem Schuldner einen angemessenen Schutz vor der Pfändung des Arbeitseinkommens gewährt. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften über den Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen ist im Einzelfall eine Abwägung der wechselseitigen Interessen von Gläubiger und Schuldner geboten.
- Zu den Erschwerniszulagen i. S. von § 850a Nr. 3 ZPO gehören nicht nur Zuschläge, die für besondere Erschwernisse der Arbeitsleistung als solcher gezahlt werden, sondern grundsätzlich auch Zeitzuschläge, die für ungünstige Arbeitszeiten entrichtet werden. Auch dies sind „Erschwernisse“ i. S. dieser Bestimmung.
- Der nach dem Wortlaut des § 850a Nr. 3 ZPO weit gefasste Pfändungsschutz bei Erschwerniszulagen bedarf einer sachlichen Begrenzung, damit nicht uferlos Entgeltbestandteile der Pfändung entzogen und so berechtigte Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden. Für die danach erforderliche Bestimmung der Reichweite des durch § 850a Nr. 3 ZPO vermittelten Schutzes von Erschwerniszulagen vor dem Gläubigerzugriff sind anderweitige gesetzgeberische Wertungen heranzuziehen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Lage der Arbeitszeit nicht nur als ungünstig, sondern als besonders belastend ansieht.
- Dies ist bei Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit der Fall, wie Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV, § 6 Abs. 5, § 9 Abs. 1 ArbZG, § 8 Abs. 1 MuSchG zeigen. Demgegenüber fehlt es bei Zuschlägen für (Wechsel-)Schicht-, Samstags- und Vorfeiertagsarbeit an einer gleichgewichtigen gesetzgeberischen Wertung. Der „Rahmen des Üblichen“, in dem Erschwerniszulagen gemäß § 850a Nr. 3 ZPO der Höhe nach pfändungsfrei sind, ist in Anlehnung an § 3b EStG zu bestimmen.
Auf die vollständige Begründung des Urteils wird verwiesen.
BAG vom 23.8.2017 – 10 AZR 859/16 –
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
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