Tanja Moser1, Beamtenanwärterin beim Landwirtschaftsministerium, fuhr schon seit mehreren Monaten mit dem E-Bike zum Dienst, entnahm dort den Akku und lud diesen in ihrem Dienstzimmer auf. Jetzt – im Januar 2024 – gab es deswegen Ärger mit der Personalstelle.
Liebe Leserin, lieber Leser,
nachdem Peter Klingler, der unmittelbar Vorgesetzte der Tanja Moser, von seiner jungen und attraktiven Mitarbeiterin mehrmals auf seine aufdringlichen und durch „Streicheln“ am Arbeitsplatz untermauerten Annäherungsversuche im Dienst hin einen derben „Korb“ erhalten hatte, meldete er das Aufladen der Dienststellenleitung.
Johann Pletzer, der Personalchef der Behörde, zitierte Tanja Moser hierauf in sein Dienstzimmer. Bei dem Gespräch warf er ihr vor, sich zum einen auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern und sich eines Stromdiebstahls sowie einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben. Peter Klingler trug im Rahmen der Sachverhaltsermittlung vor, dass er zwar von der „fortgesetzten Tat“ der ihm unterstellten Mitarbeiterin von Anfang Kenntnis, deren Handeln aber niemals ausdrücklich genehmigt hatte.
Wegen eines Dienstvergehens müsse Tanja Moser laut Johann Pletzer jetzt mit einer Entlassung wegen charakterlicher Nichteignung rechnen. Außerdem habe sie der Behörde den entstandenen Schaden nach § 48 BeamtStG zu ersetzen.
Die junge Beamtin trug daraufhin schriftlich vor, der Dienstherr besitze schließlich auch hinsichtlich der Umwelt eine Vorbildfunktion und schon deshalb sei ihre Handlung als rechtmäßig einzustufen. Außerdem habe Peter Klingler von Anfang an Kenntnis von der Handlungsweise gehabt und hieraus ergebe sich ja auch ein Anspruch aus dem Rechtsgrundsatz der „Betrieblichen Übung“ und sie wisse sehr wohl, weshalb die Meldung an die Behördenleitung durch ihren Vorgesetzten jetzt erst geschehen sei. Sie setzte Johann Pletzer von den ständigen plumpen Annährungsversuchen ihres Vorgesetzten in Kenntnis und benannte als Zeugin ihre Kollegin Barbara Bacher.

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Hierzu ist zunächst festzustellen:
Eine rechtliche Verpflichtung, den Beschäftigten einer Behörde die Möglichkeit des unentgeltlichen Aufladens von Elektrofahrzeugen zu gewähren, besteht für den Dienstherrn nicht. Selbst wenn man über die Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Betrieblichen Übung auch auf das Beamtenrecht anwenden würde, bestünde für Tanja Moser kein Rechtsanspruch, weil dieser Grundsatz zum einen nicht auf einzelne Beschäftigte und zum anderen nicht auf rechtswidrige Handlungen anwendbar ist. Außerdem fehlt es bei einer Zeitspanne von wenigen Monaten an einem ausreichenden Zeitfaktor.
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Es liegt danach ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG vor. Von einer Pflichtverletzung ist dabei trotz der Kenntnis des Vorgesetzten von der Stromentnahme auszugehen.
Zwischenergebnis:
Tanja Moser hat sich eines Dienstvergehens ebenso schuldig gemacht, wie Peter Klinger, der sie zum einen von Anfang an auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelns hinweisen und dieses auch unterbinden musste. Zum anderen wollte dieser seine Vorgesetztenstellung offensichtlich zu handgreiflichen „Annäherungsversuchen“ ausnutzen. Das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG aber stets der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordern. Das gilt in besonderem Maße für Vorgesetzte. Auch Peter Klingler hat sich damit zweifellos eines Dienstvergehens schuldig gemacht.

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Fraglich bleibt, ob Tanja Moser eine Entlassung wegen charakterlicher Nichteinigung zu befürchten hat.
Das Arbeitsgericht Duisburg (Urteil vom 10. März 2023– Az.: 5 Ca 138/22) musste einen Fall entscheiden, bei welchem ein Angestellter dabei ertappt wurde, dass er den Akku seines E-Autos verbotswidrig an einem Stromanschluss seines Arbeitgebers aufgeladen hatte. Es erfolgte daraufhin eine fristlose Kündigung. Das Gericht war der Auffassung, dass hier zunächst eine Abmahnung ausgereicht hätte und eine fristlose Entlassung nicht gerechtfertigt sei. Die sofortige Kündigung war danach unverhältnismäßig.
Für das öffentliche Dienstrecht gilt: Zwar kann ein Beamter/eine Beamtin auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG „jederzeit“ entlassen werden, aber nach ganz einhelliger Meinung bedarf es dazu schon wegen des Willkürverbotes (Art. 3 GG) eines sog. „sachlichen Grundes“. Dieser sachliche Grund könnte in dem unerlaubten Aufladen des E-Bikes zu sehen sein. Im Fall der Tanja Moser wird man jedoch ebenfalls nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip davon ausgehen müssen, dass eine Entlassung nicht infrage kommt und formelle Rechtsbehelfe – wie ein Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs. 1 VwGO) und eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) - begründet wären. Für die Beamtin spricht im Übrigen auch, dass ihr Vorgesetzter Kenntnis von den Vorgängen hatte und gleichwohl nicht eingeschritten ist.
Der Anwärterin wird also lediglich im Wege einer Weisung (§ 35 BeamtStG) aufgegeben werden können, das Aufladen künftig zu unterlassen. Erst wenn sie sich dieser Weisung widersetzt, kann ihr Beamtenverhältnis nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG widerrufen werden.
Ein Schadensersatzanspruch wäre zwar gemäß § 48 BeamtStG gegeben, da der Schaden aber beim Laden eines E-Bike-Akkus sehr gering ausfallen und kaum zu beziffern sein dürfte, wird dieser Anspruch vermutlich nicht geltend gemacht werden. Außerdem liegt durch die Duldung des Vorgesetzten über einen längeren Zeitraum hinweg auf jeden Fall ein Mitverschulden nach § 254 BGB vor. Sollte man hierzu allerdings eine andere Ansicht vertreten, so müsste man sich wohl – völlig zu Recht – den Vorwurf einer völlig übertriebenen Bürokratisierung gefallen lassen.
Gegen Peter Klinger ist dagegen wegen seines Fehlverhaltens als Vorgesetzter ein Disziplinarverfahren einzuleiten, das mit einer Disziplinarmaßnahme enden wird. Die beiden Pflichtverstöße („Streicheln“ und unterlassene Aufsicht) sind dabei nach dem Grundsatz der „Einheit des Dienstvergehens“ nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG als „ein“ Dienstvergehen zu werten. Die zu erlassende Disziplinarmaßnahme (Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge etc.) bestimmt sich dabei nach Art. 14 BayDG.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Alle Namen sind frei erfunden.
§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG lautet:
(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen.
Art. 14 BayDG lautet:
Bemessung der Disziplinarmaßnahme
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen.
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Entlassung von Polizeivollzugsbeamten auf Widerruf und auf Probe
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 193ff. zu § 23 BeamtStG
Der nächste Beitrag in dieser Reihe erscheint am 19.2.2024
