Haftung bei Amtspflichtverletzung – Teil II
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in der vergangenen Woche waren unter I. die Tatbestandsvoraussetzungen Gegenstand der Ausführungen. Heute geht es darum, weitere Punkte aufzuzeigen, die im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs zu berücksichtigen sind
II. Haftungsausschluss
War die Amtspflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen, so entfällt der Anspruch, wenn der Geschädigte auf andere Weise, z.B. aus Ansprüchen gegen andere Schädiger, Ersatz erlangen kann (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Das „Verweisungsprivileg“ des Staates nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB wird neuerdings von der Rechtsprechung erheblich eingeengt. Leistungen einer Kasko-, Feuer- oder der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung sind kein den Staat befreiender „anderer Ersatz“ i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB. Bei auf Dienstfahrten verursachen Verkehrsunfällen gibt es keine Verweisungsmöglichkeit, weil der Staat bei Teilnahme am Straßenverkehr nicht bessergestellt sein darf, als andere Verkehrsteilnehmer. Anders, wenn der Unfall bei Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 Abs. 1 StVO (Blaulicht!) geschehen war.
Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache („Richterprivileg“) seine Amtspflicht, so ist er nach § 839 Abs. 2 BGB für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.
III. Rechtsfolge: Schadensersatz
Zu leisten ist voller Schadensersatz in Geld, nicht nur eine „angemessene Entschädigung“; es ist z.B. auch entgangener Gewinn zu ersetzen. § 253 Abs. 2 BGB ist anwendbar. Das BVerfG und der BGH haben jedoch entschieden, dass kein Geldausgleich bei einem Verstoß gegen die Menschenwürde zu leisten ist, wenn schon die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns zu einem ausreichenden Ausgleich führt.
IV. Schadensersatzpflichtige Körperschaft
Streitig ist, gegen welchen Hoheitsträger sich der Ersatzanspruch richtet. In Betracht kommt die juristische Person des öffentlichen Rechts, die den Bediensteten angestellt hat, die ihn besoldet oder für die er im Einzelfall tätig geworden ist. Das können (z.B. bei Beamten, die Bundes- und Landesaufgaben wahrnehmen, auch bei Gemeindebediensteten) verschiedene Hoheitsträger sein. Der BGH vertrat die sog. „Anstellungstheorie“: Es haftet die Körperschaft, die den schadensstiftenden Bediensteten angestellt (bei Beamten: „ernannt“) hat. Ist der Beamte allerdings für zwei Hoheitsträger ernannt (wie z.B. der Landrat, der Staats- und Kommunalbeamter ist), so haftet der Hoheitsträger, für den der Beamte im Einzelfall tätig war (Funktionstheorie).
Bei der Anstellungstheorie kann es zum Beispiel bei einer dienstherrnübergreifenden Abordnung oder Versetzung des Beamten zu Ausgleichsforderungen zwischen den beteiligten Dienstherren kommen. Deshalb sollte auch hier der Funktionstheorie der Vorzug gegeben werden: Es haftet diejenige Körperschaft, für welche der Amtsträger bei seiner Pflichtverletzung tätig war.
Beispiel:
Der Beamte wurde von einem Landesministerium (Dienstherr: Staat) zur Landeshauptstadt München (Dienstherrin: Stadt München) abgeordnet, für welche er vorübergehend seine Aufgaben wahrnimmt. Im Falle der Amtspflichtverletzung haftet also die Stadt München.
V. Verjährung
Der Amtshaftungsanspruch verjährt in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt mit Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden und der entschädigungspflichtigen Stelle. Insofern gilt § 199 Abs. 1 BGB. Für Amtshaftungsansprüche, die auf die Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit beruhen, gilt die absolute Verjährungsfrist des § 199 Abs. 2 BGB.
VI. Zuständigkeit des Gerichts
Nach § 34 Satz 3 GG und § 40 Abs. 2 VwGO ist der Anspruch vom Geschädigten im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG ist das Landgericht in erster Instanz für die Entscheidung zuständig.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Siehe dazu auch den Fachbeitrag:
Fürsorgepflicht – was ist das?

