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Hinweisgeberschutz oder Rückkehr zu Stasi-Methoden der DDR?

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Mit dem 2. Juli 2023 trat das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (HinSchG – Hinweisgeberschutzgesetz) in Kraft. Das Gesetz war aufgrund europarechtlicher Vorgaben erforderlich, es ist aber schon vor seinem Erlass heftig kritisiert worden („Stasi 4.0“)1.

Liebe Leserin, lieber Leser,

1. Ziel des Gesetzes

„Beschäftigte in Unternehmen und Behörden nehmen Missstände oftmals als erste wahr und können durch ihre Hinweise dafür sorgen, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz vor Benachteiligungen, die ihnen wegen ihrer Meldung drohen und sie davon abschrecken können.“

So jedenfalls die Zielsetzung des Bundesjustizministeriums.2

Für Hinweisgeber bleibt nach der Gesetzesbegründung angesichts der unscharfen Kriterien für ein zulässiges „Whistleblowing“ ein erhebliches Risiko, wenn sie einen Rechtsverstoß Stellen melden, und gerade diesem Risiko soll mit dem neuen Gesetz entgegengewirkt werden.

Das neue Gesetz regelt nach § 1 Abs. 1 HinSchG den Schutz von natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen.

2. Anwendbarkeit für Beamte

Das Gesetz betrifft alle Personen und damit auch Beamte (§ 1 HinSchG), die grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, vgl. für Bundesbeamte § 67 BBG und für Landes- und Kommunalbeamte § 37 BeamtStG. Diese beiden Bestimmungen wurden dementsprechend durch einen neuen Abs. 2 Nr. 4 angepasst:

Abs. 1 und 2 dieser Vorschriften lauten nunmehr:

„(1) Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch über den Bereich eines Dienstherrn hinaus sowie nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.

(2) Absatz 1 gilt nicht, soweit

1. Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind,

2.Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen,

3. gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer durch Landesrecht bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird,

4. Informationen unter den Voraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder offengelegt werden.

Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Absatz 1 unberührt.“

Für Bundesbeamte wird darüber hinaus in § 125 Abs. 3 BBG – wohl nur deklaratorisch – bestimmt:

„Beamtinnen und Beamte, die eine Meldung oder Offenlegung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz vornehmen, sind von der Einhaltung des Dienstwegs befreit.“

Das HinSchG gilt insbesondere auch für Beamte (§ 1 HinSchG). Diese sind nach § 3 Abs. 8 Ziffer 3 HinSchG als „Beschäftigte“ im Sinne des Gesetzes einzuordnen.

Der wichtige sachliche Anwendungsbereich besteht nach § 2 Abs. 2 Ziffer 10 HinSchG dabei insbesondere für:

Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.

Dabei sind auch solche Verstöße betroffen, die unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegen (Stöbe, PersR 2023/7, S. 12).

Der Schutz bezieht sich aber auch für Beamte auf alle Meldungen im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereiches des neuen Gesetzes (§ 2 HinSchG) und die dort angeführten begangenen oder drohenden Rechtsverstöße. Dazu gehören zum Beispiel Straftaten, bestimmte Ordnungswidrigkeiten, aber auch Umweltvergehen oder Verstöße gegen das Gewerberecht.

Für eine Meldung genügen dabei schon „Verdachtsmomente“ (§ 3 Abs. 3 HinSchG). Man wird von einem Beamten aber nicht die Prüfung verlangen dürfen, inwieweit sein Verdacht hinreichend ist.

Gerade hierin besteht aber die Gefahr des „Denunziantentums“.

3. Verfahren

Beamte, die beabsichtigen, Informationen über einen Verstoß zu melden, können wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle (§ 12 HinSchG) oder eine externe Meldestelle (§§ 19 bis 24 HinSchG) wenden. Die Meldestellen haben dabei nach § 8 HinSchG stets die Vertraulichkeit der Identität der meldenden Personen zu wahren.

  • Die interne Meldestelle ist nach § 12 Abs. 1 HinSchG den (noch zu erwartenden) Festsetzungen des jeweiligen Landesrechts zu bilden. Dies gilt auch für Kommunen. Es besteht dabei eine Grenze von 50 Beschäftigten für die Schaffung solcher Stellen. Es werden sog. „Meldekanäle“ gebildet (§ 16 HinSchG). Hierbei müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform möglich sein. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein (§ 16 Abs. 3 HinSchG). Das weitere Verfahren regelt § 17 HinSchG. Es endet bei einem hinreichenden Verdacht mit der Einleitung von Folgemaßnahmen (§ 18 HinSchG). Hier wird man davon ausgehen können, dass ab diesem Zeitpunkt in aller Regel der Dienstvorgesetzte zu informieren ist, der dann für die Einleitung weiterer beamtenrechtlicher Maßnahmen (Disziplinarverfahren, Entlassung) zuständig ist.
  • Nach § 20 HinSchG kann jedes Land kann eine eigene externe und unabhängige Meldestelle einrichten für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen. Auch hier werden „Meldekanäle“ eingerichtet (§ 27 HinSchG). Das Verfahren – einschließlich der Folgemaßnahmen – ist in §§ 28ff. HinSchG geregelt.

Beamte sollten in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen. Wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde, bleibt es der hinweisgebenden Person unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden (§ 7 Abs. 1 HinSchG).

4. Schutz des Hinweisgebers

a) Keine dienstrechtlichen Folgen

Ein hinweisgebender Beamter kann nach § 35 Abs. 1 HinSchG nicht für die Beschaffung von – oder den Zugriff auf – Informationen, die er gemeldet oder offengelegt hat, dienstrechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung nicht als solche oder der Zugriff nicht als solcher eine eigenständige Straftat darstellt. Alle ihm gegenüber eingeleiteten oder durchgeführten Repressalien sind gesetzlich verboten (§ 36 HinSchG).

b) Beweislastumkehr

Erleidet ein hinweisgebender Beamter eine Benachteiligung im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit und macht er geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben, so wird nach § 36 Abs. 2 HinSchG vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In diesem Fall hat der Dienstherr zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte.

c) Schadenersatz

Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist der Dienstherr nach § 37 Abs. 1 HinSchG verpflichtet, dem hinweisgebenden Beamten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Hinweis:
Wichtig erscheint hier jedoch in Zusammenhang mit dem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit, dass ein Verstoß gegen das Verbot von Repressalien nach § 37 Abs. 2 HinSchG keinen Anspruch auf ein berufliches Fortkommen wie die Begründung eines Beamtenverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg (Beförderung; Stellenbesetzung etc.) begründet.

5. Bestehende Rechtslage im Beamtenrecht

Für den Bereich des Beamtenrechts ist der Vorwurf der Überregulierung, verbunden mit einem aus dem Gesetz resultierenden unnötigen Verwaltungsaufwand und damit einer „Überbürokratisierung“3 nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Melde- bzw. Unterrichtungspflicht ist gegenwärtig als Unterfall der Beratungs- und Unterstützungspflicht, der Gemeinwohlverpflichtung sowie in der Wohlverhaltenspflicht anzusehen (vgl. Nitschke/Beckmann, NVwZ-Extra 13/21, S. 1ff.). Man wird diese Pflicht zumindest für Straftaten, die zum Verlust des Beamtenverhältnisses nach § 24 BeamtStG / § 41 BBG führen (können), auf Straftaten im Amt nach § 330ff. StGB und auf Straftaten, die auch nach allgemeinem Strafrecht der Meldepflicht nach § 138 StGB unterliegen, beziehen können.

Schon nach bestehendem Recht ist es dem Beamten also nicht nur möglich, sondern er ist sogar verpflichtet, seinen Vorgesetzten und – falls dieser die Angelegenheit nicht weiter verfolgt oder selbst betroffen ist – seinem Dienstvorgesetzten etwaige Dienstpflichtverletzungen bzw. Verfassungsverstöße von Kollegen zu melden. Nach § 17 BDG und dem entsprechenden Landesrecht wird dann geprüft, ob ein hinreichender Verdacht besteht und ggf. ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird.

6. Kritik am HinSchG

Bereits vor seinem Erlass stieß das neue Gesetz auf heftige Kritik. Dabei wurde ein „Zuwenig“ an Schutz von Whistleblowern ebenso moniert wie eine „Überregulierung“.4 Insbesondre wird vor „Förderung des Denunziantentums“ und vor „Anschwärzern“ gewarnt.5 Es wird außerdem in Zweifel gezogen, ob der Datenschutz durch das HinSchG ausreichend gewährleistet wird (siehe dazu insbesondere § 10 HinSchG und § 22 Abs. 2 BDG).

Festzustellen ist: Für das Beamtenrecht ist die bestehende Rechtslage ausreichend. Es hätte hier keines neuen Gesetzes bedurft. Aber vielleicht sieht sich der eine oder andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes doch bestärkt, seine Verdachtsmomente an „anderer Stelle“ vorzutragen.

Zur Ergänzung: Ob das Gesetz tatsächlich an einem Sonntag (2. Juli 2023) in Kraft treten sollte und ob hierbei – wie so oft – eine gesetzgeberische Glanzleistung vorliegt und eigentlich der Monatsbeginn (1. Juli) bzw. der erste Arbeitstag (Montag, der 3. Juli) angedacht war, das spielt hier natürlich nur eine untergeordnete Rolle.

Fazit:

Das Gesetz ist – obwohl es zu einer weiteren Überbürokratisierung beiträgt – zumindest von seiner Zielsetzung her richtig. Ein Rückfall in alte „DDR“-Zeiten, die durch eine permanente Bespitzelung durch Stasi-Mitarbeiter gekennzeichnet war, ist wohl nicht zu befürchten. Ob es zu einer besseren Absicherung gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen von links oder rechts führen wird, das bleibt abzuwarten.


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


Lesen Sie dazu auch die Beiträge:

  • AfD-Mitglieder als Beamte (I.): Politische Treuepflicht
  • AfD-Mitglieder als Beamte (II.): Mäßigung und Zurückhaltung

Literaturhinweis:

Lexikon Beamtenrecht, Stichworte:

  • Hinweisgeberschutz
  • Verfassungstreue
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2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 31.07.2023 um 20:30:
Es steht zu befürchten, dass das neue Gesetz vor allem im Interesse einer Besitzstandschaft hinsichtlich der Wählerstimmen erlassen wurde - unabhängig von der aktuellen Regierungsbeteiligung oder einer Opposition.
kommentiert am 06.07.2023 um 08:56:
Da, wo das Betriebsklima stimmt, da gibt es keine Versuche, jemand zu denunzieren. Und für dieses Klima ist die Dienststelle (Vorgesetzte und Dienststellenleitung) zuständig.Auch nach meiner Meinung ist das Gesetz - nicht nur für Beamte - überflüssig und es zeugt wieder einmal von der Regelungswut deutscher Politiker......
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