Korruption mit Tradition: Zur „Hoffähigkeit“ der Bestechlichkeit
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die berühmte Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 in Versailles, Geburtsstunde des zweiten Deutschen Reiches, besaß eine dramatische Vorgeschichte. Anfang Dezember 1870 bekam König Wilhelm I. von Preußen ein Schreiben seines „freundlich lieben Bruders", dem Bayernkönig Ludwig II. Darin wurde ihm im Namen aller deutschen Fürsten der Titel eines Kaisers angetragen.1 Dabei gibt es heute ausreichend Belege dafür, dass die Gründung des Deutschen Reiches 1871 und die Kaiserkrönung Wilhelm I. durch den damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck mit Bestechungsgeld erkauft worden war.
In Europa hatte die Korruption aber bereits in den feudalen Staaten des 18. Jahrhunderts eine wichtige Bedeutung. Der Preußenkönig Friedrich II. bestach etwa Minister am Hof von Kaiserin Maria Theresia und ging davon aus, dass diese ihrerseits auch seine preußischen Minister und Beamte bestach.
Korruption war damit für Beamte „hoffähig“! Aber: Was war der Grund für diese Tatsache?
Beamte des preußischen Hofes waren Diener des Königs, die zumindest für einen Teil ihrer Einkünfte aus den sogenannten „Sporteln“ selbst zu sorgen hatten. Unter „Sporteln“ verstand man allgemein Vergütungen in Geld oder Naturalien, die der Empfänger der Dienstleistung eines Beamten diesem zu entrichten hatte. Dahinter steht ein besoldungsrechtlicher Gedanke: Diese Konstruktion sollte – im fiskalischen Interesse – einen Ausgleich für die zu geringe Alimentation darstellen, denn bis zum Ende des Kaiserreiches erhielten preußische Beamte nur einen Teil (etwa zwei Drittel) des Gehaltes, das sie für Ihren Lebensunterhalt benötigten. Zum Ausgleich bestand für sie eine Erlaubnis zum Nebenerwerb.
Der Korruption war damit Tür und Tor geöffnet.
Die Gefahr der Korruption bei der Ausübung staatlicher Gewalt ist aber auch heute noch gegeben, siehe dazu die in dem Blog-Beitrag „Russische Beamte – deutsche Beamte: Korruption als Problem?“ dargestellten Fälle aus der jüngeren deutschen Rechtsprechung.
Integre Amtsführung soll und muss neben dem Disziplinarrecht auch das Strafrecht gewährleisten. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass das Strafrecht in einem eigenen Abschnitt des Strafgesetzbuches (Abschn. 28, §§ 331 ff. StGB) den Amtsmissbrauch unter Strafe stellt.
In der Geschichte des Beamtenrechts zeigt sich jedoch klar: Korruption ist stets auch mit einer (vermeintlich) zu geringen Besoldung verbunden!
Diese Aussage ist von aktueller Bedeutung, wenn man zum Beispiel die Besoldung eines Finanzbeamten mit dem Einkommen eines früheren Kollegen vergleicht, der jetzt vielleicht als Steuerberater das Vielfache der Beamtenbesoldung verdient.
In diesem Zusammenhang sei deshalb auch nochmals ausdrücklich an den Blog-Beitrag „Beamte als Melkkühe der Sparreform“ erinnert.
Ich denke:
Korruption ist heute alles andere als „hoffähig“. Im Gegenteil: Das Berufsbeamtentum zeichnet sich vor allem durch ein gerechtfertigtes Vertrauen der Bürger in seine Integrität aus. Siehe dazu den Blog: „Zum Selbstverständnis des Berufsbeamten“.
Herzlich,
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 www.welt.de/kultur/history/article1139396/Wilhelm_und_das_Kaiserdrama_in_Versailles.html
Zur Geschichte des Berufsbeamtentums wird empfohlen:
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Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht, Kapitel 1. Mehr Infos
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Summer in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtenrecht, Band I 0.4. Mehr Infos
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Maiwald in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, vor Teil B. Mehr Infos

