Lehrerin stürzt von der Bierbank – Dienstunfall gegeben!
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
dieses Mal stellte sich der zugrundeliegende Sachverhalt wie folgt dar: Eine Lehrerin aus Baden-Württemberg begleitete ihre Schüler während einer Klassenfahrt nach München. Höhepunkt des Ausflugs war der Besuch eines typisch bayerischen Bierzeltes. Natürlich wurde gefeiert, getanzt und getrunken und nach alter bayerischer Sitte wurde dazu auch eine Bierbank erklommen. Um 22 Uhr kippte die Bank, auf der die Lehrerin und zwei Schülerinnen standen, allerdings um. Dabei zog sich die Lehrerin eine Rückenverletzung zu, weshalb sie in ein Krankenhaus gebracht und dienstunfähig geschrieben werden musste. Das Regierungspräsidium Stuttgart als zuständige Schulbehörde lehnte den Antrag der Lehrerin auf Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall ab, weil dem Besuch eines Bierzelts zum Tagesausklang der natürliche Zusammenhang mit den eigentlichen Dienstaufgaben einer Lehrkraft fehle und somit dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sei.2 Das ließ sich die Lehrerin aber nicht gefallen und zog vor Gericht.
Jetzt entschied das VG Stuttgart, dass das Steigen auf die Festzeltbank noch in einem engen natürlichen Zusammenhang mit den Dienstaufgaben der Klägerin gestanden habe und erkannte das Vorliegen eines Dienstunfalles an. Der Besuch des Bierzelts sei als Tagesausklang mit geselligem Beisammensein gedacht gewesen, bei dem es der pädagogische Gesamtauftrag einer Lehrerin gebiete, sich dem nicht zu entziehen, sondern bei den Schülern zu sein. Außerdem ging es bei der Teilnahme der Lehrerin auch um die Überwachung des ausgesprochenen Alkoholverbotes.
Das Gericht begründete seine Entscheidung weiterhin wie folgt:
Auch das Besteigen der Bierbank habe noch in einem engen natürlichen Zusammenhang mit den Dienstaufgaben der Klägerin gestanden, denn es sei sozialadäquat, dass Besucher eines Bierzelts kollektiv auf die Bänke stiegen und dort zur Bierzeltmusik tanzten. Deshalb sei es auch nicht zu beanstanden, dass es die Lehrerinnen den Schülern erlaubt hätten, auf die Bänke zu steigen. Wenn nun aber die gesamte Gruppe auf den Bänken gestanden habe, so sei der Lehrerin nichts anderes übrig geblieben. Wäre sie als Einzige sitzengeblieben und hätte sie sich dem Gruppenzwang verweigert, wäre sie dadurch zwangsläufig ins Abseits geraten und hätte sich ostentativ von ihren Schülern distanziert. Das wäre mit ihrem pädagogischen Gesamtauftrag aber nicht zu vereinbaren gewesen.3
Ich denke:
Es ist den Verwaltungsgerichten bisher nicht gelungen, eine klare Linie für das Vorliegen eines Dienstunfalles zu finden.
So bleibt es nicht nur dem „durchschnittlich denkenden Normalbürger“ verschlossen,
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warum sich der Toilettengang des Beamten in dienstunfallrechtlicher Hinsicht in zwei unterschiedlich zu wertende Handlungen aufteilt4 (vgl.: Der Toilettenbesuch des Beamten – ein gefährliches Geschäft!),
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oder der Insektenstich bei einem Schulausflug als Dienstunfall anerkannt wird, nicht jedoch bei einem Polizeieinsatz5 (vgl.: Zeckenbiss und Wespenstich als Dienstunfall?).
Übrigens: Der „Dienstunfall“ ist nicht allein einer bayerischen Risikosphäre zuzuschreiben. Am 27. September 2014 ist es nämlich wieder soweit: Dann beginnt in Stuttgart eines der schönsten und größten Volksfeste der Welt: das Cannstatter Volksfest. Auch dort sorgen Fahr- und Vergnügungsgeschäfte, leckere Speisen und Getränke, Musik und Partystimmung in den prächtig geschmückten Festzelten für eine Atmosphäre, die derjenigen von bayerischen Bierfesten nicht gänzlich unähnlich sein dürfte. Und auch dort soll schon einmal die eine oder andere Bierbank umgefallen sein!
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 Az.: 1 K 173/13; http://vgstuttgart.de/pb/,Lde/Dienstunfall%20einer%20Lehrerin%20bei%20Sturz%20von%20Bank%20im%20Bierzelt/?LISTPAGE
2 http://vgstuttgart.de/pb/,Lde/Dienstunfall%20einer%20Lehrerin%20bei%20Sturz%20von%20Bank%20im%20Bierzelt/?LISTPAGE
3 http://vgstuttgart.de/pb/,Lde/Dienstunfall%20einer%20Lehrerin%20bei%20Sturz%20von%20Bank%20im%20Bierzelt/?LISTPAGE
4 VG München vom 8.8.2013, Az.: M 12 K 13.1024.
5 VG Wiesbaden, NVwZ 1999, 324.
Weitere Beiträge zum Dienstunfallrecht des Beamten:
Zum Dienstunfall vgl.:
-
Schütz/Maiwald: Beamtenversorgungsgesetz, § 31 BeamtVG Rn. 1 ff.
-
Stegmüller/Schmalhofer/Bauer: Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 31 BeamtVG Rn. 1 ff.

