„Mobbing“: Dienstherr zahlt Schmerzensgeld
Liebe Leserin, lieber Leser,
I. Sachverhalt
Eine Juristin war Leiterin eines Fachbereichs bei einer Kommune. Nach der Wiederwahl des Bürgermeisters ordnete dieser eine Umstrukturierung an, wobei die Klägerin ihre Leitungsfunktion verlor. Ihre bei Gericht eingelegten Rechtsbehelfe auf eine amtsgemäße Verwendung waren erfolgreich, eine Umsetzung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen erfolgte aber nicht. Außerdem wurde ihr ein abgelegenes Büro zugewiesen und statt einer Anlassbeurteilung erhielt sie nur ein Dienstzeugnis. Der Personalrat ihrer Dienststelle veröffentlichte – unwidersprochen vom Bürgermeister – folgende Presseerklärung:
„Was nicht zur Verhandlung vor Gerichten, egal welcher Instanz, stehen wird, ist die auf der Strecke gebliebene Moral. Sich über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit' zu flüchten, weil man persönlich der Ansicht ist, arbeitsseitig unterfordert zu sein, sollte man den vielen fleißigen Beschäftigten, Beamten unserer Stadt einmal versuchen zu erklären.“
Die Beamtin erhob Klage auf Ersatz des immateriellen Schadens (Schmerzensgeld) gegen die Kommune, die von den Vorinstanzen keinen Erfolg hatte.
II. Die Entscheidung des BVerwG
Auf ihre Revision wurde die Rechtssache an die Vorinstanz (OVG LSA) zurückverwiesen.
Das BVerwG entschied:
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Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) umfasst auch Ersatz für immaterielle Schäden.
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Die Annahme von „Mobbing“ gründet sich nicht auf Einzelakte, sondern verlangt eine „Gesamtschau“ aller Ereignisse im Sinne einer Fürsorgepflichtverletzung.
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Der Beamte muss vor der Geltendmachung seines Schadensersatzes vor Gericht weder eine einstweilige Anordnung gegen seinen Dienstherrn noch Vollstreckungsmaßnahmen (hier bezüglich der nicht amtsgemäßen Verwendung) einleiten.
III. Zur Begründung:
Was „Mobbing“ ist, wird weder gesetzlich noch durch die diesbezügliche Rechtsprechung festgelegt. Insofern kommt der Aussage des BVerwG, „Mobbing“ verlange eine „Gesamtschau“ der Ereignisse, eine wichtige Bedeutung zu. Für den öffentlichen Dienst ist weiterhin die Aussage wichtig, dass auch ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens (Schmerzensgeld) gegeben sein kann und § 839 Abs. 3 BGB nur bei Amtspflichtverletzungen, nicht aber bei einem beamtenrechtlichen Anspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung (§ 45 BeamtStG/§ 78 BBG) Anwendung findet.
§ 839 Abs. 3 BGB lautet:
„Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.“
IV. Stellungnahme:
Die Krankheit der Beamtin war hier nach der Entscheidung des BVerwG wohl eine Folge des „Mobbings“.
Wenn man allerdings die Veröffentlichung der Personalvertretung liest, dann wird vielleicht der eine oder andere Leser das Gefühl nicht los, dass nicht etwa die Mobbingvorwürfe, sondern wieder einmal die unzureichenden beamtenrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten (Entfernung aus dem Dienst wegen vorgetäuschter Krankheit bzw. Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit) den eigentlichen Kern des Problems darstellen könnten. Hinzu kommt ggf. auch noch die Tatsache, dass sich Ärzte, die ihren Patienten nicht verlieren wollen (aber auch Amtsärzte), oftmals scheuen, entsprechende, für den Beamten negative Entscheidungen des Dienstherrn durch entsprechende Atteste zu unterstützen. Und gerade hierin könnte die Ursache für einzelne Beamte liegen, nach folgendem Motto zu handeln:
„Wenn der Dienstherr nicht macht, was ich will, dann bin ich halt einfach krank!“
Siehe dazu den Beitrag:
Die Macht der Amtsärzte bei der Ruhestandsversetzung
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie hierzu auch:
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 1ff. zu § 45 BeamtStG
Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Rn. 1ff. zu § 45 BeamtStG
v. Roetteken/Rothländer, HBR, Rn. 1ff. zu § 45 BeamtStG

