Richterstau und Konkurrentenstreit
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die „Karriere“ des Beamten und des Richters besteht darin, in möglichst rascher Folge möglichst viele Beförderungen zu erlangen. Grundlage dafür sind Personalauswahlentscheidungen, die auf der Basis von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 1 GG) getroffen werden sollen. Nach wie vor bilden dienstliche Beurteilungen die Basis dieser Auswahlentscheidungen. Maßgeblich ist dabei aber nicht nur die eigene dienstliche Beurteilung, sondern auch diejenige des oder der Konkurrenten. Beurteilungen sind naturgemäß subjektive Entscheidungen des Dienstvorgesetzten, die auf vergleichenden Wertungen beruhen und die – auch wegen der ihnen immanenten Subjektivität – fehlerhaft sein können. Aber nicht nur der Inhalt der Beurteilungen, sondern auch deren Zustandekommen kann fehlerhaft sein, so etwa, wenn es vor einer anstehenden Personalauswahl zu plötzlichen, in der Beurteilung testierten Leistungssteigerungen des Konkurrenten kommt, oder eine plötzliche „Anlassbeurteilung“ dessen bessere Eignung ohne Begründung feststellt.
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So hat etwa das VG Halle1 bei einem Konkurrentenstreit um eine mit R 6 bewertete Stelle eines Gerichtspräsidenten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO entschieden, dass der ausgeschriebene Dienstposten vorerst nicht besetzt werden darf. Grund: Das Auswahlverfahren sei u.a. deswegen fehlerhaft gewesen, weil „in neuerer Zeit ein erheblich schnellerer Anstieg zur Spitzenbeurteilung zu verzeichnen ist.“ Dies deute auf „Ungereimtheiten“ im Auswahlverfahren hin.
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Die Entscheidung ist vom OVG Magdeburg2 mittlerweile bestätigt worden. Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folge außerdem – so das OVG – die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen (Gründe) schriftlich niederzulegen. „Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will.“
Was steckt nun hinter diesem, von der Süddeutschen Zeitung festgestellten Anstieg der Konkurrentenstreitigkeiten?
Im Grunde geht es um nichts anderes als um die Verhinderung der Subjektivierung bei der Personalauswahl. Oft hat man im Bereich des Dienstherrn seine Personalauswahl schon getroffen, bevor das Auswahlverfahren überhaupt erst noch „pro forma“ eingeleitet wird. Die von Art. 33 Abs. 2 GG durch die Verfassung garantierte „Bestenauswahl“ wird dadurch ad absurdum geführt, der parteipolitischen oder auch nur durch Vorgesetzte gefärbten Ämterpatronage würde Tür und Tor geöffnet, wenn Beamte und Richter nicht gerichtlich gegen solche „Machenschaften“ vorgehen könnten.
Ich denke:
Nicht nur die Bestenauslese nach Art. 33 Abs.2 GG, sondern auch die Garantie des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG sind Grundsätze unserer Verfassung, die es unter allen Umständen zu schützen gilt.
Es verwundert deshalb nicht, dass gerade Richter sich besonders häufig gegen subjektiv motivierte Auswahlverfahren zur Wehr setzen.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 VG Halle, v. 8.7.2014, Az.: 5 B 29/14.
2 Beschluss vom 15.09.2014; Az.: 1 M 76/14

