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Suche nach Sexpartner im Internet: Verweis rechtmäßig!

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„Spontan, lustvoll, trans, offene Beziehung auf der Suche nach Sex!“ So inserierte Anastasia Biefang in der Sexplattform „Tinder“ und erhielt deswegen von ihrem Dienstherrn einen Verweis.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Gegenstand des Verfahrens war der Auftritt der Bataillonskommandeurin auf dem semiöffentlichen, nur registrierten Nutzern zugänglichen Dating-Portal Tinder. Auf dem Bild, das der Anzeige beigefügt war, trat Anastasia Biefang nicht in Uniform in Erscheinung. Das BVerwG (Beschl. vom 25.05.2022, Az. 2 WRB 2.21 – 2 WRB 2.21) sieht in dem Verhalten der Soldatin ein Dienstvergehen und hält einen Verweis für die angemessene disziplinarrechtliche Sanktion.

Die Entscheidung des BVerwG wurde sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachpresse heftig diskutiert. Selbst die ZBR (Zeitschrift für Beamtenrecht) – die wohl renommierteste und beste Fachzeitschrift für das öffentliche Dienstrecht – hat beinahe die gesamte Mai-Ausgabe 2023 mit dem Abdruck des Beschlusses und zweier Stellungnahmen von namhaften Autoren (Masuch, S. 145ff. und Nitschke, S. 154ff.) dieser Problematik gewidmet. Die Aufsätze nehmen in aller Ausführlichkeit zu der Bewertung des außerdienstlichen Verhaltens durch das BVerwG Stellung.

Man sollte die Problematik aber vielleicht auch nur auf die für das Beamten- (und Soldaten)recht wesentliche Frage konzentrieren:

Welche nicht strafrechtlich relevanten, außerdienstlichen Wohlverhaltenspflichten bestehen für den Beamten oder Soldaten?

Die (außerdienstliche) Meinungsfreiheit des Beamten (Art. 5 Abs. 1 GG) ist dabei nach wohl herrschender Auffassung an bestimmte Schranken gebunden. Für den vorliegenden Fall könnte man die oben gestellte Frage aber auch noch wie folgt formulieren:

Kann das Beamtenrecht das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) auch dort einschränken, wo kein Dienst geleistet wird?

Als Beispiel für die Zulässigkeit von solchen Einschränkungen kann etwa das Verbot von bestimmten äußeren Merkmalen (Tattoos/Körperschmuck etc.) angeführt werden.

Für Landes- und Kommunalbeamte (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) und für Bundesbeamte (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) stellt ein Verhalten außerhalb des Dienstes aber nur dann ein Dienstvergehen dar, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SG hat sich auch ein Soldat außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

Der Leitsatz des BVerwG in dem o.g. Beschluss lautet hierzu:

„Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des § 17 Abs. 2 Satz 3 SG verlangt von einem verheirateten/verpartnerten und als solchen identifizierbaren Bataillonskommandeur, dass er bei der Inanspruchnahme von Partnerschaftsvermittlungsdiensten für sexuelle Zwecke bei der äußeren Gestaltung und Formulierung von Internetauftritten auf Integritätserwartungen Rücksicht nimmt.“

Begründet wird die Entscheidung für einen Verweis vor allem damit, dass der oben wiedergegebene Werbetext geeignet sei, den Eindruck zu erwecken, die Soldatin führe ein wahlloses Sexualleben oder strebe dieses zumindest an. Ein ungehemmtes Ausleben des Sexualtriebs sei ihr offensichtlich besonders wichtig.

„Die Überspitzung des eigenen Anliegens war für die beabsichtigte Grundrechtsausübung nicht erforderlich und auch für die Werbewirksamkeit der Annonce nicht notwendig.“

Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur jedenfalls darin, dass ein außerdienstliches Verhalten nur dann eine Pflichtverletzung darstellt, wenn damit auch ein Bezug zur Dienstleistung besteht. Ob das hier der Fall ist, scheint wohl eher eine moralische, als eine rechtliche Frage zu sein.

Anastasia Biefang hat jedenfalls angekündigt, eine Klärung durch Anrufung des Bundesverfassungsgerichts herbeiführen zu wollen und man darf mit Spannung erwarten, welche Wertung das höchste deutsche Gericht zu ihrem Fall treffen wird....

Es steht aber zu befürchten, dass moralische Fragen vom BVerfG wieder einmal in Rechtsmaterien hineininterpretiert werden – und das ohne Rücksicht darauf, wie sich die Entscheidung in der Praxis auswirken wird. Als besonders negatives Beispiel sei hier nur an den Beschluss zur Frage der Berücksichtigung des „Dritten Geschlechts“ (Beschluss v. 19.10.2017, Az.: 1 BvR 2019/16) erinnert.

Die „Weltfremdheit von Verfassungsrichtern“ und die Nichtberücksichtigung der Auswirkungen in der Praxis haben sich in der Vergangenheit auch in anderen Beispielen gezeigt. Siehe etwa die Entscheidungen des BVerfG

  • zur Einheitsbewertung bei der Grundsteuerbemessung v. 10.4.2018 (Az.: 1 BvL 11/14 u.a.)

  • und – speziell im Beamtenrecht – zur Überspitzung der Anforderung an die Rechtsgrundlagen beim Erscheinungsbild der Beamten (vgl. das wohl richtige Urteil des BVerwG v. 14.5.2020 – 2 C 13/19 – ZBR 2020, 426 und den dieses Urteil aufhebenden Beschluss des BVerfG – sog. „Aloah-Entscheidung“ v. 18.5.2022 – Az.: 2 BvR 1667/20).

Man darf also wieder einmal auf die Rechts- und Moralauffassung des höchsten deutschen Gerichts gespannt sein.


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


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Literaturhinweis:

Zu außerdienstlichen Verhaltenspflichten lesen Sie:

  • Lexikon Beamtenrecht, Stichwort: Dienstvergehen
  • Weiß/Niedermaier/Summer: § 47 BeamtStG, Rn. 75ff.
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2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 27.06.2024 um 12:31:
Ich möchte sex
kommentiert am 14.06.2023 um 21:14:
Was der Beamte sexuell treibt, geht dem Dienstherrn nichts an, solange kein Bezug zu seiner Arbeit hergestellt werden kann!
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