Bürokratieentlastung bei Abfindungen – warum Arbeitnehmer_innen künftig Geduld mitbringen müssen
In der Praxis herrscht oftmals Unsicherheit, wie Abfindungen des Arbeitgebers tatsächlich zu besteuern sind. Die Meinungen reichen dabei von der gänzlichen Steuerbefreiung bis hin zur vollen Steuerpflicht. Und dabei ist es wie so oft – die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Für Entlassungsentschädigungen kommt – genauso wie für Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit - die ermäßigte Besteuerung in Betracht, d.h. eine Tarifermäßigung, bei der diese Einkünfte zur Berechnung des Einkommensteuertarifs fiktiv auf fünf Jahre verteilt werden. Dadurch kann sich deren progressionserhöhende Auswirkung abmildern.
Die tarifbegünstigende Wirkung soll die erhöhte steuerliche Belastung ausgleichen, die durch eine Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum entstehen würde. Davon ist nur dann die Rede, wenn der Arbeitnehmer in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum unter Einbezug der Abfindung insgesamt mehr erhält, als er bei normalem Ablauf der Dinge, also bei ungestörter Fortsetzung des Dienstverhältnisses, erhalten hätte. Wichtig ist außerdem, dass die Entschädigung in einem VZ zufließt. Andernfalls würde sich allein schon durch die Verteilung einer einheitlichen Entschädigung auf mehrere Jahre eine Progressionsminderung ergeben. Für § 34 EStG wird dann gar kein Bedarf mehr gesehen und die Tarifermäßigung scheidet dann in der Regel aus.
Diese sog. Fünftelregelung ist grundsätzlich bereits durch den Arbeitgeber anzuwenden. Dafür muss er natürlich prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, d. h. er muss insbesondere die Zusammenballung prüfen. Nur dann darf er die Fünftelregelung beim Lohnsteuerabzug anwenden. Er muss die Tarifermäßigung anwenden, wenn bereits seine Zahlungen zu einer Zusammenballung führen. Der Ermittlungsaufwand bleibt in diesen Fällen noch eher überschaubar. In den übrigen Fällen kann der Arbeitgeber die Fünftelregelung aber nur dann anwenden, wenn der Arbeitnehmer ihm die übrigen Einkünfte, durch die es zu einer Zusammenballung kommt, mitteilt. Und dann muss er noch prüfen, ob sich durch Anwendung der Fünftelregelung auch tatsächlich eine Steuererleichterung ergibt. Würde es zu einer höheren Steuer kommen, als die Besteuerung als nicht begünstigter sonstiger Bezug, ist die ermäßigte Besteuerung im LSt-Abzugsverfahren nicht anzuwenden.
Durch das Wachstumschancengesetz soll die tarifermäßigte Besteuerung ab dem kommenden Jahr aus dem Lohnsteuerabzugsverfahren verbannt und gänzlich auf das Veranlagungsverfahren verlagert werden. Die Vorschriften zur Berechnung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn sollen ersatzlos aufgehoben werden und damit als Beitrag zum Bürokratieabbau die Lohnsteuerberechnung vereinfachen. Und damit sollen nicht nur die Schwierigkeiten der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren ausgeräumt werden, sondern auch die der Programmierer von Lohnabrechnungsprogrammen.
Die Streichung ist als eine von mehreren kleineren Maßnahmen in diesem Gesetzgebungsverfahren gedacht, die in ihrer Vielzahl zu einer Wirkung in der Breite führen und damit zur Vereinfachung des Steuersystems beitragen sollen. Und im Ergebnis wäre es für alle Beteiligten nur von Vorteil. Ob dem nun wirklich so ist halte ich für fraglich, zumindest für nicht so eindeutig, wie im Regierungsentwurf dargestellt. Ganz klar, den Arbeitgeber entlastet es von seinen Prüf- und Ermittlungspflichten. Für den Arbeitnehmer hingegen liegen die Vorteile nicht ganz so eindeutig auf der Hand: Was man als Vorteil werten könnte, wäre der Wegfall des Pflichtveranlagungstatbestands. Zur Abgabe der Steuererklärung wäre er allein aus diesem Grund nicht mehr verpflichtet. Allerdings kann er im Gegenzug ohne Abgabe der Steuererklärung eben auch nicht in den Genuss der Tarifermäßigung kommen. Letztendlich bliebe es dabei, dass die abschließende Prüfung und Berechnung beim Finanzamt im Rahmen der Veranlagung verbleiben würde.
Größer ausfallen könnte der Nutzen an dieser Stelle für den beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer. Die Anwendung der Fünftelregelung im LSt-Abzugsverfahren zieht auch in diesen Fällen eine Pflichtveranlagung nach sich. Allerdings bedeutet das eben nicht nur den bürokratischen Aufwand zur Erstellung der Steuererklärung, sondern gleichzeitig auch den Einbezug ausländischer Progressionseinkünfte in die Ermittlung des Steuersatzes. Und das konnte sich durchaus im Portemonnaie bemerkbar machen. Im negativen Sinne. Mit Wegfall der Pflichtveranlagung kann der Arbeitnehmer nun vorab prüfen, ob er mit der Fünftelregelung im Veranlagungsverfahren letztendlich besser fährt. Zu diesem Zweck wird eine Antragsveranlagung für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn ermöglicht, die im Übrigen von dieser Veranlagungsart ausgeschlossen sind. Nachteilig an der Verlagerung auf das Veranlagungsverfahren ist es aber, dass Arbeitnehmer_innen die Steuer unterjährig erst einmal vorstrecken müssen. Der unterjährige Liquiditätsvorteil ginge verloren, was natürlich, je später im Jahr die Abfindung gezahlt wird, umso weniger ins Gewicht fällt. Allerdings dürfte auch die Veranlagung noch Zeit in Anspruch nehmen. Und dann ist natürlich noch an alle diejenigen zu denken, die sich nicht weiter mit steuerlichen Fragen beschäftigen und aus Unwissen über den möglichen Steuervorteil keine Steuererklärung abgeben oder sogar im Rahmen der Steuererklärung die Abfindung nicht thematisieren. Hier bleibt abzuwarten, wie die Gesetzesänderung konkret umgesetzt wird. So spricht der Regierungsentwurf davon, die für die Tarifermäßigung in Frage kommenden Arbeitslöhne weiterhin gesondert in der Lohnsteuer-Bescheinigung auszuweisen. Nur sollen sie eben noch nicht in die Lohnsteuerberechnung einfließen. Die Bescheinigung „in Frage kommender Arbeitslöhne“ sollte keine große Herausforderung darstellen, die Hürden werden maßgeblich reduziert. Jedoch bleiben gesonderte Lohnarten zu diesem Zweck weiterhin erforderlich. Durch den gesonderten Ausweis in der Lohnsteuer-Bescheinigung könnte aber sowohl der Arbeitnehmer aufmerksam werden, als auch die Finanzverwaltung. Ob es also – wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf[1] es formuliert – zu einer erheblichen Schlechterstellung der betroffenen Arbeitnehmer_innen führen würde, liegt wohl im Auge des Betrachters. Und daran, wie die (potentielle) Neuregelung im Detail umgesetzt werden wird.
Ich persönlich befürworte die Änderung, da sie aus meiner Sicht durchaus zu Entlastungen führt und wegen der fehleranfälligen aktuellen Regelung einen Beitrag zu mehr (Steuer-)Gerechtigkeit leistet. Wie so oft zum Jahresende heißt es aber an dieser Stelle: Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt noch abzuwarten….
Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair
1 Vgl. BR-Drs. 433/23

