Unter anderem aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung befindet sich auch unsere Arbeitswelt im stetigen Wandel. Nicht neu ist dabei die Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung, die darauf ausgerichtet ist, fehlendes eigenes Personal vorübergehend zu ersetzen oder zu ergänzen. Sei es, um Auftragsspitzen bewältigt zu bekommen, oder aber den krankheitsbedingten vorübergehenden Mitarbeiterausfall zu kompensieren. Neu ist dabei seit 2017 aber die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten an denselben Entleiher. Durch diese Änderung des AÜG sollte die Funktion der Arbeitnehmerüberlassung als Instrument zur zeitlich begrenzten Deckung eines Arbeitskräftebedarfs geschärft, Missbrauch von Leiharbeit verhindert und die Stellung der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer gestärkt werden. Gehen damit aber auch Konsequenzen auf das Steuerrecht, konkret auf das steuerliche Reisekostenrecht, einher?
Liebe Leserin, lieber Leser,
regelmäßig zur Diskussion führt bei Leiharbeitsverhältnissen die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte. Arbeitnehmer können je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte, ggf. aber auch keine erste, sondern nur auswärtige Tätigkeitsstätten haben. Maßgebend hierfür sind vorrangig die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber, falls solche nicht vorhanden oder nicht eindeutig sind, werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen. Im Fall einer wirtschaftlichen Arbeitnehmerüberlassung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist der Verleiher Arbeitgeber. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes besteht das Arbeitsverhältnis allein zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer; der Entleiher hingegen nimmt nur die Arbeitsleistung entgegen, lenkt sie nach Bedarf durch Weisungen und erfüllt die korrespondieren Fürsorgepflichten. Typischerweise soll der Arbeitnehmer im Rahmen des Leiharbeitsverhältnisses grundsätzlich bei wechselnden Dritten tätig werden. Ein Kriterium, das mit dem Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ als grundlegende Voraussetzung einer ersten Tätigkeitsstätte grundsätzlich schwer vereinbar scheint. Denn sowohl die Zuordnung durch den Arbeitgeber als auch das Erfüllen der quantitativen Kriterien muss auf Dauer angelegt sein, um eine erste Tätigkeitsstätte zu begründen. Typische Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind die unbefristete Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung, die Zuordnung für die gesamte Dauer des – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses oder die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG). Die Beurteilung ist anhand einer in die Zukunft gerichteten Prognose vorzunehmen.
In die Entscheidungen zum neuen Reisekostenrecht, speziell zur ersten Tätigkeitsstätte, reihen sich inzwischen schon einige konkret zu besagten Leiharbeitsverhältnissen. Angefangen mit einem eher untypischen Sachverhalt: einem befristeten Leiharbeitsverhältnis.1 Eine unbefristete Zuordnung kommt dabei bereits von vorneherein nicht in Betracht. Aber auch „für die Dauer des Dienstverhältnisses“ schloss der BFH aus, sobald der Arbeitnehmer zuvor schon bei einem anderen Entleiher eingesetzt wurde. Kurz gesagt: ab dem zweiten Entleiher scheidet dann auch diese Option aus. Aber auch für den Fall eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Verleiher sah der BFH keine dauerhafte Zuordnung, wenn der Arbeitnehmer beim Entleiher zwar wiederholt, aber regelmäßig nur für befristete Einsätze tätig wird.2 Vorausgesetzt natürlich, die einzelne Befristung überschreitet nicht schon 48 Monate, das wäre bereits an sich als dauerhaft anzusehen. Die bloße Möglichkeit der jederzeitigen Versetzung an einen anderen Arbeitsort – die für ein Leiharbeitsverhältnis prägend ist – schließe eine erste Tätigkeitsstätte bei der Entleiherfirma hingegen nicht aus. Ergibt sich aus der Zuordnungsentscheidung der Zeitarbeitsfirma oder aus den Gesamtumständen keine zeitliche Begrenzung des Einsatzes, so sei der Leiharbeitnehmer der Entleiherfirma dauerhaft zugeordnet.3
An dieser Stelle kommt nun die Änderung des AÜG ins Spiel: Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Abs. 1b AÜG darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nunmehr nicht mehr länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen. Erübrigen sich damit die Grundsätze der zuletzt genannten Entscheidung? Schließlich schließt diese arbeitsrechtliche Vorgabe an sich sowohl einen unbefristeten als auch einen 48 Monate überschreitenden Einsatz bei demselben Entleiher aus. Das AÜG könnte damit einer dauerhaften Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte per se entgegenstehen. Die Verwaltung sieht diese Regelung des AÜG für das Steuerrecht als unschädlich und bemisst ihr insoweit keine Bedeutung zu.4
Auch eine Entscheidung für den „Übergangszeitraum“ liegt bereits vor – allerdings nicht rechtskräftig, das Revisionsverfahren ist noch anhängig.5 Im Streitfall wechselte der zunächst befristet beschäftigte Leiharbeitnehmer Ende 2015 in einen unbefristeten Arbeitsvertag mit der Zeitarbeitsfirma. Zu diesem Zeitpunkt bedurfte es somit einer Neubeurteilung der ersten Tätigkeitsstätte, wobei – nach Auffassung des Finanzgerichts - die Änderung des AÜG in 2017 im Hinblick auf die vorzunehmende, in die Zukunft gerichtete Prognose noch keine Berücksichtigung finden konnte. Der BFH wird nun zu klären haben, ob die gesetzliche Änderung eine Neubewertung der Ex-ante-Betrachtung auslöst – und falls ja, mit welchem Ergebnis.
Letztere Frage lag nun auch schon dem Finanzgericht Düsseldorf vor.6 Weil das Arbeitsverhältnis in diesem Fall Mitte 2021 geschlossen wurde galt die einschränkende Regelung des AÜG bereits von Anfang an und war in die Beurteilung der ersten Tätigkeitsstätte einzubeziehen. Im Gegensatz zur Verwaltungsauffassung sprach das Finanzgericht dem AÜG durchaus Bedeutung für das Steuerrecht zu. Die arbeitsrechtliche Einschränkung führe nach dessen Auffassung zu einer zeitlichen Befristung der Zuordnung zum Betrieb des Entleihers. So konnte sich der Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags gerade nicht darauf einstellen, unbefristet beim Entleiher eingesetzt zu sein und seine Mobilitätskosten hinreichend planen. Nun, unter dem Blickwinkel, dass für das steuerliche Reisekostenrecht gerade die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen maßgebend sein sollen, eigentlich eine naheliegende Entscheidung. Allerdings eben mit weitreichenden Folgen: die Dauerhaftigkeit wäre für unbefristete Leiharbeitsverhältnisse damit gänzlich passé. Aufgrund des Widerspruchs zum BMF-Schreiben wurde gegen die Entscheidung zunächst Revision erhoben – inzwischen aber wieder zurückgenommen.7 Ein Grund, entsprechende Fälle noch offenzuhalten.
Dauerhaft entliehen? Das mag nun voraussichtlich Geschichte sein…

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Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair
1 BFH vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17
2 BFH vom 12.05.2022, Az. VI R 32/20
3 FG Niedersachsen vom 13.07.2021, Az. 13 K 63/20, rkr.
4 BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 21
5 FG München vom 21.03.2023, Az. 6 K 1233/20, Rev. anh. unter VI R 22/23
6 FG Düsseldorf vom 20.11.2024, Az. 15 K 1490/24 E
7 BFH-Einstellungsbeschluss vom 05.02.2025, VI R 32/24

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