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Ein Teil des Unternehmens

Im Koalitionsvertrag hatten sich die Koalitionspartner unter anderem darauf verständigt, die Konjunktur stärken und die Wirtschaftskraft Deutschlands entfesseln zu wollen. Ein Baustein des beabsichtigten Maßnahmenpakets sollte dabei sein, Möglichkeiten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich an „ihren Unternehmen“ zu beteiligen, zu verbessern.1 An diesem Vorhaben wurde seitdem fleißig gearbeitet und die steuerlichen Rahmenbedingungen bereits mehrfach überarbeitet. Im Mittelpunkt stehen aus einkommens- bzw. lohnsteuerlicher Sicht die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG sowie die nachgelagerte Besteuerung nach § 19a EStG. Wenngleich noch immer Anpassungsbedarf gesehen wird, wurde nun das Anwendungsschreiben zu diesen beiden Vorschriften auf den aktuellen Stand gebracht und zugleich neue Zweifelsfragen beantwortet.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

gutes Personal zu finden – und zu binden – ist vielfach eine Herausforderung. Der Fachkräftemangel zieht sich durch immer mehr Branchen und Regionen. Um qualifiziertes Personal erst einmal an Bord zu holen sind Mitarbeiter-Benefits ein gängiges Mittel, um die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu steigern. Von Mahlzeitenzuschüssen über Firmenfitness bis hin zu Internetzuschüssen oder (Elektro-)Fahrrädern für die ganze Familie – das EStG bietet doch einige Möglichkeiten das Gehalt und die darauf entfallende Steuer- und Beitragslast zu optimieren.

Genauso wichtig wie das Mitarbeiter-Finden ist aber auch das Mitarbeiter-Binden, schließlich soll gerade das bereits eingearbeitete und integrierte Personal auch längerfristig im Unternehmen verbleiben. Ein wichtiges Instrument zur Fachkräftesicherung kann hier die Beteiligung am Unternehmen selbst sein, in der Praxis insbesondere für Führungskräfte. Deren Beteiligung am Unternehmenserfolg bietet beiden Parteien vielversprechende Anreize, vor allem für start-ups, denen häufig noch die Mittel für hohe Gehälter fehlen.

Unter dem Motto „Stärkung des Fondsstandorts Deutschland“ wurde mit dem Fondsstandortgesetz begonnen, Mitarbeiterkapitalbeteiligungen ab 2021 steuerlich zu verbessern. Im Fokus standen insoweit die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG sowie der neu geschaffene § 19a EStG – Vorschriften, die seitdem regelmäßig im Kontext miteinander, quasi als „Geschwisterpärchen“ auftreten. In aller Kürze zusammengefasst, was steckt dahinter? Erstere Vorschrift verrät dies ja bereits aus ihrer Platzierung unter § 3 EStG: eine Steuerbefreiung, konkret für Vorteile des Arbeitnehmers im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von bestimmten Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers.2 Mit Wirkung zum 1. Juli 2021 wurde der steuerfreie Höchstbetrag von zuvor 360 Euro auf 1.440 Euro im Jahr angehoben. Außergewöhnlicher ist hingegen das zweite Teilstück, § 19a EStG. Zur Vermeidung der regelmäßig mit Sachzuwendungen verbundenen dry-income-Problematik, also den fehlenden liquiden Mitteln zur Begleichung der aus dem geldwerten Vorteil resultierenden Steuerlast, ermöglicht § 19a EStG das Hinausschieben des Besteuerungszeitpunkts für Vorteile aus der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Arbeitgeber. Als Ausnahmeregelung vom lohnsteuerlichen Grundsatz, der Besteuerung im Zuflusszeitpunkt, kann auf Wunsch des Arbeitnehmers die Besteuerung auf einen späteren Zeitpunkt verlagert werden.

Mit dieser Änderung bzw. Einführung war es aber noch nicht getan, vielmehr wird seitdem peu à peu daran gearbeitet. Dem Gesetzgeber schien diese Maßnahme noch nicht ausreichend. Nur zwei Jahre später wurde das Thema erneut aufgegriffen und durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz3 der Anwendungsbereich der Regelung zur nachgelagerten Besteuerung signifikant ausgeweitet, um die Möglichkeit der Haftungsübername durch den Arbeitgeber ergänzt und auch die Steuerbefreiung nochmals angehoben.

Die verbesserten steuerlichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung sollten es erneut gerade jungen Unternehmen erleichtern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und sich im internationalen Wettbewerb um Talente zu behaupten. Daran angepasst wurde nun auch das zugehörige Anwendungsschreiben.4 Nach den einleitenden Worten des Schreibens waren Änderungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz und das Wachstumschancengesetz5 für die Überarbeitung ursächlich; Letzteres allerdings nur insoweit, als die ermäßigte Besteuerung insgesamt und folglich auch im Rahmen des § 19a EStG aus dem Lohnsteuerabzugs- in das Einkommensteuerveranlagungsverfahren verlagert wurde. Tatsächlich wurden jedoch nicht ausschließlich gesetzlich bedingte Anpassungen vorgenommen, sondern auch Begehren aus der Praxis aufgegriffen. Nach Sinn und Zweck des § 3 Nr. 39 EStG ergibt sich – unabhängig von der arbeitsrechtlichen Verpflichtung zur Gleichbehandlung – die Zielrichtung, grundsätzlich alle Arbeitnehmer bei einer Beteiligungsmaßnahme einzubeziehen. Eine Ausnahme wurde hiervon bisher zugelassen für in ein anderes Unternehmen entsandte Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis deshalb ruht und mit denen das aufnehmende Unternehmen einen eigenständigen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Um damit ggfs. verbundene Widersprüche zum Sozialversicherungsrecht und aus länderspezifischen Regelungen drohende Risiken für Arbeitgeber zu vermeiden, wird die Ausnahme künftig weiter gefasst und auf den Abschluss eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen verzichtet.6 Meines Erachtens zu Recht nicht Rechnung getragen wurde hingegen einem weiteren Anliegen, den nichtbesteuerten Vorteil auch schon vor der Übertragung durch das Finanzamt bestätigen zu lassen – schließlich kann sich der Wert bis zur Übertragung stets noch verändern.7

Stand heute scheint das Werk aber noch immer nicht vollendet zu sein. Vielmehr arbeiten Gesetzgeber und Rechtsprechung an bzw. mit den Vorschriften. Schon das nächste Gesetzgebungsverfahren sieht eine weitere Änderung vor, mit der ein offener Merkposten aus dem Gesetzgebungsverfahren zum ZuFinG aufgegriffen werden soll.8 So sei es nach aktuellen Erkenntnissen ein Anliegen der Praxis, den Anwendungsbereich der Steuervergünstigung des § 19a EStG auch auf die Übertragung von Anteilen an Konzernunternehmen auszudehnen und damit die sog. Konzernklausel aus dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 39 EStG auf den Anwendungsbereich des § 19a EStG zu übertragen. Insoweit bleibt noch der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens abzuwarten. Und auch dem BFH liegen aktuell zwei Fälle zu dieser Thematik, konkret zu der Frage vor, welche Arbeitnehmer vom Beteiligungsangebot ausgeklammert werden dürfen, ohne die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG zu gefährden.9

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Ob all diese Maßnahmen das Mittel derMitarbeiterkapitalbeteiligung tatsächlich interessanter machen, bleibt wohl ebenfalls noch abzuwarten. Nachgelagert zu besteuernde Vorteile werden wohl häufig erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Besteuerung aufgegriffen werden, was im Hinblick auf das Alter der jungen Vorschrift auch noch eine Weile dauern kann. In der Zwischenzeit wird es aber sicherlich nicht ganz still werden um das Thema!

Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,

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Ihre Ramona Dietmair


1 vgl. KOALITIONSVERTRAG 2021— 2025 ZWISCHEN DER SOZIALDEMOKRATISCHEN PARTEI DEUTSCHLANDS (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN UND DEN FREIEN DEMOKRATEN (FDP)
2 Vermögensbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 a, b, f bis l und Abs. 2 - 5 des 5. Vermögensbildungsgesetzes
3 Zukunftsfinanzierungsgesetz vom 11. Dezember 2023 (BGBl. I Nr. 354, BStBl I 2024 S. 2)
4 BMF-Schreiben vom 01.06.2024
5 Wachstumschancengesetz vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 108, BStBl I S. 666)
6 Rz. 14 des BMF-Schreibens vom 01.06.2024
7 Rz. 52 des BMF-Schreibens vom 01.06.2024
8 vgl. Protokollerklärung in der BT-Drs. 20/9363 vom 15.11.2023 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Zukunftsfinanzierungsgesetz): „Zur Berücksichtigung von Startup-Unternehmen, die sich Konzernstrukturen bedienen, wird festgehalten, dass die Auswirkungen des Entfalls der Konzernklausel von der Bundesregierung weiter geprüft werden im Bedarfsfall die Bundesregierung aufgefordert wird, hierzu im Jahressteuergesetz 2024 gesetzgeberisch tätig zu werden.“
9 anhängige Revisionsverfahren unter dem Az. VI R 4/24 und VI R 5/24

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