Rezension des Werks „Recruiting und Retention“ – herausgegeben von Rainer Gröbel, Inga Dransfeld-Haase und Dr. Thymian Bussemer.
Liebe Leserin, lieber Leser,
am 11. April 2025 ist das Buch Gröbel, R.; Dransfeld–Haase, I. & Bussemer, T. (Hrsg.). (2025). Recruiting und Retention, Wiesbaden: Bund-Verlag erschienen. In diesem Blog stelle ich Ihnen das Herausgeberwerk vor.
Herausgeber und Autoren
Das Werk „Recruiting und Retention“ umfasst 32 Beiträge, die sich aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven mit Fragen der Personalgewinnung und -bindung befassen. Die Autorinnen und Autoren entstammen aus der Wissenschaft, der Praxis und der Politik. Das Herausgeberteam besteht aus drei Personen: Rainer Gröbel ist derzeit u. a. als Kanzler der University of Labour tätig, langjährige Erfahrungen im Personalmanagement hat er als Personalleiter der IG Metall erworben; Inga Dransfeld-Haase ist im Vorstand der BP Europa SE und verantwortet den Bereich Arbeit und Soziales; Dr. Thymian Bussemer ist bei der Volkswagen AG Leiter des Bereichs „HR Strategie & Innovation“, zudem ist er Mitglied der Grundwertekommission der SPD.

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Ausstattung
Ausgestattet ist das Werk (Preis 58,00 Euro) mit einem 273 Seiten umfassenden inhaltlichen Teil, einem Vorwort von Benner (Erste Vorsitzende der IG Metall), einem Inhaltsverzeichnis, einem Abkürzungsverzeichnis, einem Verzeichnis der Herausgeberin und der Herausgeber sowie einem Verzeichnis der Autorinnen und Autoren. Alle Verzeichnisse sind sachgerecht und übersichtlich gestaltet. Es fehlen jedoch ein Stichwortverzeichnis sowie ein Abbildungsverzeichnis. Insbesondere ein Stichwortverzeichnis wäre für die Lektüre des Werkes sehr hilfreich. Beim Druck der einheitlich gestalteten Abbildungen wurden verschiedene Blautöne und die Farbe Rot verwendet. Das Layout des Buches erleichtert die Lektüre. Das Korrektorat wurde gewissenhaft durchgeführt.

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Darum geht es: Personalgewinnung und -bindung
Der inhaltliche Teil des Herausgeberwerkes ist in sieben Abschnitte aufgeteilt, denen eine Einleitung von Gröbel, Dransfeld-Haase und Bussemer vorangestellt ist. In dieser skizziert das Herausgeberteamdie Lage am Arbeitsmarkt in Deutschland und beschreibt Recruiting und Retention als zentrale personalpolitische Handlungsfelder. Eine ausführliche Begriffsumschreibung der beiden Begriffe unterbleibt; sie werden mit dem „… Gewinnen und Halten der Mitarbeitenden und ihrer Kompetenzen gleichgesetzt“ (S. 21)1.
Zuerst kommt die Politik zu Wort
Der erste Abschnitt enthält einen Beitrag von Heil, zum Zeitpunkt der Drucklegung des Werkes Bundesminister für Arbeit und Soziales. Er beschreibt die aus seiner Sicht dreifache Herausforderung am Arbeitsmarkt: Rückgang der Anzahl der Erwerbstätigen, Digitalisierung / KI sowie Umbau der Industrie in Richtung CO2-Neutralität. Anschließend beschreibt der Autor Lösungsansätze. Diese sind in weiten Teilen überzeugend. Allerdings setzt Heil in starkem Maße auf den Lösungsansatz „Einwanderung von Arbeitskräften“ (S. 30), obwohl Butollo im selben Band zur selben Thematik ausführt: „Die Migration kann es kaum ausgleichen …“ (S. 53). Weiterhin verweist Heil zwar zutreffend auf die Chancen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), erhebt aber zugleich den bürokratischen Zeigefinger („Es muss klar sein: Wenn wir eine stärkere Nutzung von Daten und KI am Arbeitsplatz wollen, dann braucht es dafür auch klare Regeln“, S. 29). Der zweite Beitrag des ersten Abschnitts, verfasst von Platzeck und Kralinski, enthält neben auch historisch geprägten Ausführungen zum Sozialstaat als unbekannten Akteur im Bereich Recruiting parteipolitisch geprägte Appelle für ein Investitionspaket für den Sozialstaat von morgen.
Produktivitätssteigerung durch neue Technik?
Im zweiten Abschnitt werden nach meiner Ansicht vor allem die Chancen und Herausforderungen des Einsatzes von Technik – insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) - in Bezug auf den Arbeitskräftemangel aufgezeigt. Amlinger zeigt auf, dass die Effekte einer durch Innovation und Automatisierung erhöhten Produktivität auf den Lebensstandard deutlich höher wären als die durch Zuwanderung und höherer Erwerbsbeteiligung ausgelösten Wirkungen (S. 81). Zudem referiert er Schätzungen für zu erwartende Produktivitätsgewinne auch im öffentlichen Sektor, nicht ohne auf die begrenzte prognostische Qualität der Schätzungen zu verweisen (S. 84). Kann der Einsatz von Technik „Königsweg zur Bekämpfung des Fachkräftemangels“ (S. 54) sein? Butollo ist angesichts der derzeitigen Erfahrungen skeptisch und warnt vor „… Wunschdenken und überzogenen Erwartungen an die Technik“ (S. 54). Er verweist hierfür u. a. auf Erfahrungen mit dem Einsatz von Robotern in der Pflege. Nach seiner Überzeugung wird die generative KI nicht zu einer „… umfassenden Substitution von Arbeit führen“ (S. 53). KI könne aber – so Kämpf in einem weiteren Beitrag – genutzt werden, um die Beschäftigten von Überlast und stumpfsinnigen Arbeiten zu befreien (S. 45) – und diese potenzielle Wirkung solle auch der „Leitstern“ für den Einsatz von KI sein (S. 41). Der dritte Abschnitt beinhaltet einen Beitrag von Rusinek, in dem er sehr anschaulich die Themen „Generationenkonflikte“ und „Sinnkrise“ analysiert und Mythen widerlegt.
Konzepte, Studien und Fallbeispiele
Im vierten und fünften Abschnitt finden sich in 19 Beiträgen zahlreiche Fallbeispiele und grundsätzliche Überlegungen wie Unternehmen und öffentliche Verwaltungen versuchen, die Gewinnung und Bindung von Beschäftigten zu optimieren. Es finden sich Beispiele u. a. aus den Bereichen Handwerk, Touristik, Logistik, IT, Banken, öffentlicher Dienst. Die Leserinnen und Leser finden in den Beiträgen viele Anregungen für die eigene Praxis. Eine Bank beispielsweise bietet ihren Mitarbeitenden als Bindungsmaßnahme ganztägige Gesundheits-Check-Ups an. Die Autorin Schminke macht auf die Bindungsanreize der betrieblichen Altersvorsorge aufmerksam. Schmid, Leiterin der Kompetenzzentrums Personalgewinnung der Landeshauptstadt München, erläutert, wie durch den Einsatz eines neuen Softwaresystems das Recruiting optimiert werden kann. Bewarder und Staschen, Unterabteilungsleiter für Personal und Recht im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, stellen u. a. dar, dass Authentizität ein wesentlicher Faktor für die Arbeitgeberattraktivität ist. In den vorgenannten Abschnitten finden sich auch die Darstellungen von empirischen Studien (Wienberg und Buske; Feisel, Winkler und König). Diese wurden mit qualitativer Methodik mit z. T. kleiner Stichprobe (n = 11) durchgeführt. Hier wünsche ich mir, dass stärker auf die eingeschränkte Generalisierbarkeit bzw. Übertragbarkeit der Ergebnisse hingewiesen würde.
Mitbestimmung aus gewerkschaftlicher Perspektive
Der sechste Abschnitt mit Beiträgen von Widuckel, Giertz und Speidel stellen die Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung in Transformationsprozessen (Widuckel) und als Attraktivitätsfaktor bei der Personalgewinnung und -bindung dar (Giertz). Speidel beschreibt gewerkschaftliche Initiativen, die zu einem Gelingen betrieblicher Transformationen beitragen sollen.
Blick zurück und nach vorne
Behler und Bussemer bieten im siebten Abschnitt eine reflektierende Rückschau auf die Beiträge des Herausgeberwerkes. Hierzu formulieren sie in prägnanter Form sieben Erkenntnisse („Learnings“, S. 286 – 287). Zudem stellen sie dar, was Aufgabe des Personalmanagements in der aktuellen Lage ist: „HR muss die Balance zwischen aktueller Wettbewerbs- und nach vorne gerichteter Zukunftsfähigkeit neu kalibrieren, also Personal umstrukturieren oder gar abbauen und dennoch für neue Talente attraktiv bleiben und die Chancen der Digitalisierung hart am Wind segelnd ausnutzen“ (S. 291).
Persönliche Bewertung
Insgesamt zeichnen sich die Beiträge durch ihre angenehme Kürze und meist hohen Verständlichkeit aus. Aussagen werden weitgehend mit Quellen belegt; die Quellenangaben sind sachgerecht und einheitlich gestaltet. Dem Herausgeberteam ist es gelungen, Beiträge in das Werk einzubinden, die das Thema Personalgewinnung und -bindung aus vielfältiger Perspektive beleuchten. Damit können bei den Leserinnen und Lesern tatsächlich „neue Denkräume“ (S. 291) eröffnet werden. Die Gesamtheit der Beiträge stellt eine gelungene Mischung von Beiträgen aus Wissenschaft, Praxis und Politik dar. Eine inhaltliche Abrundung hätte das Werk erfahren, wenn neben den gewerkschaftlich orientierten Beiträgen vermehrt Beiträge mit Arbeitgebersicht Eingang in den Sammelband gefunden hätten. Neben der Sichtweise der SPD auf den Arbeitsmarkt wären auch die Standpunkte und Forderungen anderer Parteien interessant.
Lesenswert!
Das Herausgeberwerk von Gröbel, Dransfeld-Haase und Bussemer trägt zum Fortschritt der wissenschaftlichen Disziplin „Personalmanagement“ bei. Es bietet Praktikerinnen und Praktikern des Personalmanagements viele wertvolle Anregungen und Denkanstöße. Die Lektüre des Werkes ist für alle empfehlenswert, die mit der Gewinnung und Bindung von Beschäftigten betraut sind.
Herzlichst
Andreas Gourmelon
Quelle: Gröbel, R.; Dransfeld–Haase, I. & Bussemer, T. (Hrsg.). (2025), Recruiting und Retention. Wiesbaden: Bund-Verlag
1 Alle Quellenangaben beziehen sich auf das rezensierte Werk
