Liebe Leserinnen und Leser,
die Leistung im Beruf hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zu nennen sind beispielsweise Einflussgrößen wie das arbeitsbezogene Wissen, die Motivation oder die Intelligenz. Aber auch die Persönlichkeit scheint eine wesentliche Rolle dabei zu spielen, ob wir im Beruf auf Dauer erfolgreich sind oder nicht. Zu letzterer Einflussgröße liegt nun seit kurzem eine Studie vor, die den Zusammenhang einiger Persönlichkeitsmerkmale mit dem beruflichen Erfolg dokumentiert. Nachfolgend stelle ich Ihnen die Studie von Zell und Lesick (2021) und deren wichtigste Ergebnisse vor.
Persönlichkeitsmerkmale bestimmen die Art und Weise, wie wir die Umwelt wahrnehmen, sie erleben und auf sie reagieren. Während die einen beispielsweise in der Umwelt vor allem Gefahren erkennen, sie als bedrohlich erleben und sich eher zurückziehen, nehmen die anderen eher Chancen und Möglichkeiten war und gehen aktiv auf die Umwelt zu. Dabei sind Persönlichkeitsmerkmale spätestens ab der Jugend über das Leben hinweg relativ stabil; deutliche Veränderungen ergeben sich zumeist nur durch z. B. schwerwiegende Erkrankungen/Verletzungen oder traumatische Ereignisse.
Mit dem Big-Five-Modell werden fünf grundlegende Persönlichkeitsmerkmale aufgelistet (in Anlehnung an Borkenau & Ostendorf, 2008, S. 7, Gourmelon & Hoffmann, 2021, S. 118 f):
Personen mit einer hohen Ausprägung in Neurotizismus erleben schnell und häufig negative Gefühlszustände, sie sind oftmals erschüttert, betroffen, nervös, ängstlich. Sie sind weniger in der Lage, ihre Bedürfnisse zu kontrollieren. Emotional stabile Personen (niedrige Ausprägung bei Neurotizismus) bezeichnen sich als ruhig, ausgeglichen und sorgenfrei. Sie geraten auch in Stresssituationen nicht schnell aus der Fassung.
Extravertierte Menschen bezeichnen sich als gesellig, selbstsicher, aktiv, gesprächig, energisch, heiter und optimistisch. Sie fühlen sich in Gesellschaft anderer Menschen schnell wohl und lieben Aufregungen. Introvertierte beschreiben sich als eher zurückhaltend, still, sie sind lieber alleine.
Der Faktor Offenheit für neue Erfahrungen umschreibt Personen, die vielfältig interessiert und wissbegierig sind, bestehende Normen kritisch hinterfragen und eher bereit sind, sich auf neuartige Wertvorstellungen einzulassen. Sie erproben neue Handlungsweisen und bevorzugen Abwechslung, sie sind neugierig. Personen mit geringer Offenheit für neue Erfahrungen ziehen das Bewährte dem Neuen vor und neigen zu konventionellem Verhalten und konservativen Einstellungen.
Hoch verträgliche Menschen kennzeichnet ihr Altruismus, ihr Verständnis, Wohlwollen und Mitgefühl gegenüber den Mitmenschen, sie neigen zur Nachgiebigkeit und haben ein starkes Harmoniebedürfnis. Niedrig verträgliche Personen beschreiben sich als egozentrisch und misstrauisch gegenüber den Absichten anderer Menschen.
Gewissenhaftigkeit äußert sich im beruflichen Kontext in einem zielstrebigen, ehrgeizigen, fleißigen, systematischen, zuverlässigen, pünktlichen und ordentlichen Arbeitsverhalten. Eine niedrige Ausprägung des Merkmals Gewissenhaftigkeit zeigt sich in einem planlosen und nachlässigen Vorgehen.
Zur Klärung der Frage, ob und inwieweit Persönlichkeitsmerkmale mit beruflichen Leistungen zusammenhängen, wurden bereits eine Vielzahl empirischer Studien durchgeführt, deren Ergebnisse wiederum mit sogenannten Meta-Analysen zusammengefasst wurden. Zell und Lesick (2021) haben nun die Ergebnisse von 54 Meta-Analysen untersucht, die die Daten von mehr als 550.000 Menschen umfassten. Sie ermittelten die Effektstärken zwischen den Big-Five-Merkmalen und unterschiedlichen akademischen und beruflichen Leistungen.
Zell und Lesick (2021, S. 7) bestätigen mit ihren Ergebnissen die Annahmen zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und beruflicher Leistung. Es zeigen sich über alle Studien hinweg kleine bis mittlere Effektstärken der Persönlichkeitsmerkmale. Die höchste Effektstärke weist das Merkmal Gewissenhaftigkeit auf (0,20). Es folgen Neurotizismus (-0,15), Extraversion (0,14), Verträglichkeit (0,11) und Offenheit für neue Erfahrungen (0,11). Abbildung Nr. 1 enthält eine Veranschaulichung der Ergebnisse.
Abbildung Nr. 1: Dargestellt sind die Effektstärken der Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale E, A, C, N, O (Abkürzungen siehe Text) auf berufliche Leistungen. Der waagrechte Strich in den jeweiligen „Kegeln“ stellt den Durchschnitt (Median) der Effektstärken über die einzelnen Meta-Analysen (Punkte in den „Kegeln“) dar (aus Zell & Lesick, 2021, S. 9).
Die Effekte der Persönlichkeit auf die Eignung für bestimmte Stellen wird meiner Meinung nach mit den Durchschnittswerten der Studie, die sich allein auf das Big-Five-Modell bezieht, zu niedrig eingeschätzt. Das resultiert zum einen daraus, dass es weitere Persönlichkeitsmerkmale gibt, die nicht vom Big-Five-Modell erfasst werden (z. B. die Dunkle Triade – Blog vom 24.11.2017). Zum anderen mittelt die vorliegende „Meta“-Meta-Analyse die Effekte der Persönlichkeit über viele Berufe und Stellen. Stellen, bei denen die Persönlichkeitsmerkmale eine große Rolle spielen, werden in einen Topf mit Stellen geworfen, bei denen die Persönlichkeitsausprägungen nicht so bedeutsam sind.
Die Ergebnisse von Zell und Lesick (2021) bestätigen, wie wichtig es ist, bei der Personalauswahl auf die Persönlichkeit der Bewerbenden und deren Passung zu den Berufs- und Stellenanforderungen zu achten. Im Rahmen der Anforderungsanalyse sollten die Anforderungen an die Persönlichkeit der späteren Stelleninhaber‘ beschrieben werden. Des Weiteren sind bei den Bewerbenden die Ausprägungen von Persönlichkeitsmerkmalen zu erheben – am besten mit Tests, die konform mit der DIN 33430 sind.
Herzliche Grüße
Andreas Gourmelon
Quellen:
Borkenau, P. & Ostendorf, F. (2008). NEO-FFI - NEO-Fünf-Faktoren-Inventar nach Costa und McCrae. Göttingen: Hogrefe.
Gourmelon, A. & Hoffmann, B. (2021). Stellenbesetzungs- und Auswahlverfahren treff- und rechtssicher gestalten (2. vollständig überarbeitete Auflage). Heidelberg: Rehm.
Zell, E. & Lesick, T. L. (2021). Big five personality traits an performance: A quantitative synthesis of 50+ meta-analyses. Journal of personality, 2021;00:1–15. DOI: 10.1111/jopy.12683
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