Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege von Angehörigen: Probleme und Lösungsansätze
Liebe Leserinnen und Leser,
nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2017, S. 5) waren im Jahr 2015 rund 2,9 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB IX). Für das Jahr 2030 werden 3,0 bis 3,4 Pflegebedürftige vorhergesagt (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2010, S. 30). Angehörige werden weiterhin einen bedeutenden Teil der Pflegeleistungen erbringen. Viele von ihnen werden diese Pflegeleistung mit ihrer Erwerbstätigkeit vereinbaren müssen. Anna Hoffmann, Studierende an der FHöV NRW, befasste sich mit diesem drängenden Problemkreis und interviewte sieben Beschäftigte der Stadtverwaltung Essen, die zusätzlich zu ihrer Berufstätigkeit Angehörige pflegen.
Die Beschäftigten konnten über ihre Erfahrungen in der Pflegesituation berichten, auf Probleme eingehen, die Familienfreundlichkeit ihres Arbeitgebers beurteilen und abschließend wünschenswerte Unterstützungsangebote nennen.
Arbeitszeitgestaltung und Organisationskultur wichtig
Insgesamt wird die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege bei der Stadtverwaltung Essen positiv bewertet. Die Befragten schaffen es, die Pflegeverantwortung neben dem Beruf zu bewältigen. Hierfür wichtig ist die flexible Arbeitszeitgestaltung sowie der verständnisvolle Umgang mit den Betroffenen seitens der Stadtverwaltung Essen.
Hohe Belastung
Obwohl die Befragten die Vereinbarkeit positiv beurteilen, erleben sie ihre Situation als belastend. Aufgrund der Pflegetätigkeit fehlt die Zeit für eigene Bedürfnisse wie Freizeitaktivitäten und persönliche Erholung. Pflegende erleben eine starke psychische Belastung sofern ihre Angehörigen an Demenz erkrankt sind. Auch wird es für die Betroffenen deutlich schwieriger, sofern zusätzlich zur Pflegetätigkeit auch noch die Kinderbetreuung hinzukommt und damit eine Dreifachbelastung besteht. Die Berufstätigkeit wird in diesem Fall weniger als Belastung, sondern vielmehr als eine Entlastung und Ablenkung zum Alltag mit Kinderbetreuung und Pflegeverantwortung angesehen.
Wichtig sind Unterstützungsangebote
Die Stadtverwaltung Essen bietet ihren pflegenden Mitarbeitern bereits einige Unterstützungsmaßnahmen an. Aus diesem Grund wird diese Stadtverwaltung insgesamt von den Betroffenen als familienfreundlicher Arbeitgeber bewertet. Insbesondere werden die Arbeitszeitmodelle, wie z. B. eine weitgehend selbstbestimmte Arbeitszeit aufgrund des Zeitkontos und der Gleitzeit, die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung und die alternierende Telearbeit als hilfreich und familienfreundlich erachtet. Zudem profitieren die Beschäftigten der Stadt Essen von Informationsveranstaltungen und Beratungen für Pflegende.
Alle Befragten berichteten, dass man in der Stadtverwaltung Verständnis für die Pflegesituation habe, der Umgang miteinander verständnisvoll sei und ein gutes Betriebsklima herrsche.
Kernarbeitszeit abschaffen, mehr Beratung
Die pflegenden Angehörigen wünschen sich eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit z. B. durch die Abschaffung der Kernarbeitszeit. Dies würde den Betroffenen ermöglichen, auch während der bisherigen Kernarbeitszeit Arztbesuche mit der pflegebedürftigen Person wahrzunehmen oder in einer akuten Notfallsituation problemlos den Arbeitsplatz zu verlassen. Darüber hinaus umfassen die Wünsche der pflegenden Erwerbstätigen die Erweiterung des Informations- und Beratungsangebots z.B. durch weitere Informationsveranstaltungen, Seminare, Pflegekurse und organisierte Treffen mit anderen Betroffenen.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass eine familienbewusste Personalpolitik zur Entlastung von pflegenden Angehörigen beitragen kann. Durch die von der Stadtverwaltung Essen angebotenen Unterstützungsmaßnahmen wird es den Beschäftigten deutlich erleichtert, die Pflegeaufgaben zusätzlich zum Beruf zu bewältigen. Die Arbeitszeitgestaltung und die Betriebskultur sind dabei nach Anna Hoffmann von großer Bedeutung.
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon
Quellen:
Statistisches Bundesamt (2017). Pflegestatistik 2015. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010). Demografischer Wandel in Deutschland (Heft 2). Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.

