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Wie sag ich es dem unterlegenen Bewerber?

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In Stellenbesetzungsverfahren ist die Gefahr groß, neben einer Gewinnerin oder einem Gewinner zahlreiche Verlierer zu produzieren. Damit sich der Frust der Verlierer nicht negativ auf die Behörde auswirkt, bietet es sich an, Rückmeldegespräche mit unterlegenen Bewerbern zu führen. Im Blog Hinweise zur Führung von Rückmeldegesprächen.

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Aufgaben, die sind angenehmer als einem internen Bewerber mitzuteilen, dass er im Auswahlverfahren (schon wieder) nicht erfolgreich war. Und gerne drückt man sich vor dieser Aufgabe – vielleicht auch, weil man nicht weiss, wie ein derartiges Gespräch geführt werden soll. In diesem Blogbeitrag finden Sie eine Reihe von Hinweisen, wie Rückmeldegespräche erfolgreich geführt werden können.

1. Charakterisierung von Rückmeldegesprächen

Rückmeldegespräche mit Bewerber/innen sind ein wesentlicher Bestandteil von Auswahlverfahren. Im Rahmen von Rückmeldegesprächen werden den Bewerbern die Entscheidung der Auswahlkommission und die Gründe hierfür dargestellt. Rückmeldegespräche sind sowohl für die angenommenen als auch die unterlegenen Bewerber bedeutsam. Insbesondere bei internen Bewerbern sollte seitens der Behörde / des Unternehmens stets ein Rückmeldegespräch angeboten werden. Bei externen, abgelehnten Bewerbern sind Rückmeldegespräche nur auf Nachfrage und nur dann anzubieten, wenn wirtschaftliche und juristische Gründe der Durchführung nicht entgegenstehen.

Rückmeldegespräche können folgenden Zwecken dienen:

  • Förderung der Akzeptanz der Auswahlentscheidung und des Auswahlverfahrens insgesamt, Vermeidung von Demotivation bei internen Bewerbern,

  • Der Arbeitgeber entzieht dem Vorwurf, bei Stellenbesetzungsverfahren korrupt zu handeln, die Grundlage,

  • Arbeitgeber stellt sich als fairen Auswählenden dar und erhöht damit seine Attraktivität für zukünftige Stellenbesetzungsverfahren,

  • Arbeitgeber stärkt das Selbstwertgefühl von unterlegenen Bewerbern (den „Verlierern“) und erhält damit die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft von internen Bewerbern,

  • Der Bewerber erhält durch die Rückmeldung seiner Leistungen im Auswahlverfahren Hinweise zur Weiterentwicklung seiner fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen,

  • Der Bewerber erhält ggf. Anregungen, welche Karrierewege angesichts seiner derzeitigen Kompetenzen realistisch sind; damit wird einer Unzufriedenheit vorgebeugt.

Voraussetzung für zweckdienliche Rückmeldegespräche ist, dass das Auswahlverfahren rechtlich beanstandungslos und entsprechend der eignungsdiagnostischen Norm DIN 33430 sachgerecht durchgeführt wurde. Rückmeldegespräche dürfen nicht zu juristischen Nachteilen z. B. im Hinblick auf Konkurrentenklagen oder AGG-bezogenen Beschwerden führen. Dem Bewerber dürfen im Rahmen des Rückmeldegesprächs aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte über andere Bewerber gegeben werden.

2. Vorbereitung des Rückmeldegesprächs

  • Aufgabenklärung: Es ist im Vorfeld des Auswahlverfahrens zu regeln, wer das Rückmeldegespräch führt. Das Rückmeldegespräch wirkt für den Bewerber überzeugender, wenn er die Rückmeldung durch zwei Personen erhält.

  • Terminierung: Das Rückmeldegespräch sollte einige Tage nach dem Auswahlverfahren stattfinden. Bei einem unmittelbar an das Auswahlverfahren anschließenden  Rückmeldegespräch besteht die Möglichkeit, dass der – vor allem interne – Bewerber noch emotional aufgewühlt ist. Muss der Bewerber einige Wochen auf das Rückmeldegespräch warten, hat sich sein womöglich negativer Eindruck über das Zustandekommen des Auswahlurteils bereits verfestigt; dadurch kann der Anstoß zu einer persönlichen Weiterentwicklung und zu einer Akzeptanz des Auswahlergebnisses wirkungslos verpuffen. Des Weiteren kann der Bewerber die lange Wartezeit als unfair und unhöflich erleben und diesen Eindruck auf das gesamte Auswahlverfahren übertragen.

  • Wissen über Auswahlverfahren: Derjenige, der das Rückmeldegespräch führt, sollte das Auswahlverfahren gut kennen (Anforderungen, Übungen, Entscheidungsregeln) und an diesem als Beobachter oder Kommissionsmitglied teilgenommen haben. Dabei sollte er auch den jeweiligen abgelehnten Bewerber z. B. in einem Rollenspiel oder in einem Interview erlebt haben.

  • Rechtliche Kenntnisse: Des Weiteren sollte der Rückmelder über die Problematik von  Benachteiligungen im Sinne des AGG informiert sein und über grundlegende Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen von Auswahlverfahren im öffentlichen Sektor verfügen.

  • Einstellung des Rückmelders: Rückmeldungen an Bewerber müssen wohlwollend und konstruktiv erfolgen, der Rückmelder muss hierzu bereit sein.

  • Kommunikative Kompetenz: In Rückmeldegespräche muss oftmals ein hoher Grad an Empathie gezeigt werden. Zugleich muss der Rückmelder offen und direkt über Schwächen des Bewerbers reden können.

  • Neutralität: Idealerweise gehört der Rückmelder nicht der auswählenden Organisation an, sondern ist z. B. ein externer Berater.

  • Störungen: Rückmeldegespräche sollten störungsfrei und nicht unter Zeitdruck geführt werden. Bei der Terminierung von Rückmeldegesprächen ist darauf zu achten, dass die Bewerber erfahrungsgemäß sehr unterschiedliche Informations- und Beratungsbedarfe haben. Während bei einem Bewerber folglich das Gespräch schon nach wenigen Minuten beendet ist, kann beim anderen Bewerber das Gespräch erheblich länger dauern.

  • Daten zum Bewerber: der Rückmelder erhält und sichtet alle Daten, die im Auswahlverfahren zum Bewerber erhoben wurden.

3. Durchführung des Rückmeldegesprächs

  • Begrüßung, Sitzplatz und Getränk anbieten.

  • Zweck und Ablauf des Gesprächs kurz erläutern (z.B. „Wir treffen uns ja heute, damit Sie erfahren, wie die Auswahlkommission entschieden hat und was die Gründe hierfür waren. Ich werde Sie zuerst nach Ihren Eindrücken fragen, anschließend werde ich Ihnen erläutern, wie die Kommission zu Ihrem Urteil gekommen ist.“).

  • Kurzbeschreibung des Auswahlverfahrens in Bezug auf den Bewerber: Benennung der ausgeschriebenen Stelle oder Aufgabe, Benennung der einzelnen Verfahrensschritte incl. Termine des Bewerbers, Benennung der Mitglieder der Auswahlkommission, Darlegung, dass im Rahmen des Rückmeldegesprächs ausschließlich das Urteil der Auswahlkommission wiedergegeben wird. Durch die Kurzcharakterisierung soll Einvernehmen über technische Aspekte des Auswahlverfahrens hergestellt werden. Zudem unterstreicht eine gelungene Beschreibung die Sachkompetenz des Rückmelders.

  • Selbstbild des Bewerbers: Der Bewerber wird nach seinen Eindrücken aus dem Auswahlverfahren gefragt. Dabei wird besondere Aufmerksamkeit auf  die Schilderung der Einschätzung seiner Leistungen im Auswahlverfahren gelegt. Oftmals stimmen Selbstbild des Bewerbers und Fremdbild der Auswahlkommission überein, so dass auf die Ausführungen des Bewerbers zu einem späteren Zeitpunkt im Gespräch aufgebaut werden kann. Des Weiteren erfährt der Rückmelder, welche Elemente des Auswahlverfahrens vom Bewerber kritisch wahrgenommen werden oder wo der Bewerber fehlinformiert ist.

  • Wiedergabe des Urteils der Auswahlkommission: Dabei kann auf Vorinformationen des Bewerbers oder dessen Ahnung Bezug genommen werden. Zum Beispiel: „Sie hatten ja schon schriftlich mitgeteilt bekommen, dass es für Sie nicht geklappt hat“, „Sie haben ja schon die Vermutung ausgesprochen, dass es nicht gereicht hat und tatsächlich ist die Entscheidung der Auswahlkommission nicht in Ihrem Sinne gefällt worden“.

  • Ggf. Frage nach der Betroffenheit des Bewerbers und den Folgen für den Bewerber: Sofern der Bewerber im Rückmeldegespräch erstmals über die Entscheidung der Kommission informiert wurde oder er emotional betroffen wirkt, sollte dem Bewerber Gelegenheit gegeben werden, seine Betroffenheit auszudrücken (z.B. „Sie haben jetzt von dem nicht positiven Urteil der Kommission gehört. Wie sehr trifft Sie das? Was bedeutet die Absage für Sie? Welche Konsequenzen hat die Absage?“). Durch die Fragen nach der Betroffenheit und den Folgen soll die emotionale Reaktion des Bewerbers bewältigt, die Bedeutung der Absage relativiert und der Fokus des Gesprächs auf die Zukunft gerichtet werden.

  • Erläuterungen der Leistungen des Bewerbers im Auswahlverfahren: Sofern vom Bewerber gewünscht, werden seine Leistungen in den einzelnen Elementen des Auswahlverfahrens (Präsentation, Rollenspiele, Fallstudien, Interview usw.) erläutert. Dabei wird stets Bezug auf die Anforderungen der Stelle / Aufgabe genommen (z. B. „Als Pressesprecher muss man sehr häufig komplexe Sachverhalte aus dem Stegreif knapp und verständlich darstellen. Bei der Präsentation haben Sie häufig Fachbegriffe und Fremdwörter wie ...... benutzt. Auch haben Sie zweimal den roten Faden verloren und wirkten insgesamt recht aufgeregt“). Es werden nur die Leistungen im Auswahlverfahren angesprochen, Mutmaßungen über generelle Persönlichkeitsdispositionen unterbleiben (Negativbeispiel: „In der Präsentation zeigte sich, dass Sie von der psychischen Belastbarkeit den Anforderungen nicht genügen“). Stets werden sowohl die positiv als auch die negativ bewerteten Verhaltensweisen des Bewerbers erläutert.

  • Berechnung  des Gesamtpunktwerts: Sofern die Kommission ein rechnerisches Entscheidungsmodell zur Entscheidungsfindung verwandt hat, wird die Berechung des Gesamtpunktwerts des Bewerbers anhand der Punktwerte aus den Einzelelementen des Auswahlverfahrens und deren Gewichtung nachvollzogen.

  • Überlegungen zur persönlichen Entwicklung des Bewerbers: Auf Wunsch des Bewerbers können gemeinsam Überlegungen angestellt werden, wie für  zukünftige Auswahlverfahren  Leistungen verbessert werden könnten (z.B. „Wenn Sie Ihre Leistungen in Präsentationen verbessern wollen, könnten Sie ein Rhetorik-Seminar besuchen“). Auch Karriereerwartungen und -möglichkeiten können Gesprächsgegenstand sein. Allerdings dürfen dem Bewerber keine falschen Hoffnungen gemacht und leere Versprechungen gegeben werden; der Rückmelder muss sich über seine Möglichkeiten und deren Grenzen im Klaren sein.

  • Offene Fragen: Dem Bewerber wird angeboten, Fragen zu stellen.

  • Zufriedenheit mit der Rückmeldung: Der Bewerber wird bei einem im wesentlichen konfliktfreien Verlauf des Rückmeldegesprächs nach seiner Zufriedenheit mit dem Gespräch gefragt.

  • Verabschiedung mit besten Wünschen für die zukünftige berufliche Entwicklung.

4. Nachbereitung des Rückmeldegesprächs

  • Die Durchführung des Rückmeldegesprächs ist zu vermerken. Gesprächsinhalte werden nur mit Zustimmung des Bewerbers dokumentiert.

  • Der Vermerk ist der für das Auswahlverfahren zuständigen Organisationseinheit (z.B. Personalamt) zuzuleiten.

  • Unterlagen / Dateien mit Daten des Bewerbers sind der zuständigen Organisationseinheit zuzuleiten oder zu vernichten.

Auch bei bester Vorbereitung und Durchführung von Rückmeldegesprächen wird es allerdings immer eine Reihe von Bewerberinnen und Bewerbern geben, die unzufrieden mit Entscheidung der Auswahlkommission sind. Das macht es für diese Kollegen erträglicher, mit dem Urteil zu leben und die Rückmelder sollten dies ertragen. Viele unterlegene Bewerber schätzen eine fundierte, offene Rückmeldung und sind nach meiner Erfahrung für ein konstruktives Feedback dankbar.

Herzlichst

Ihr
Andreas Gourmelon

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