Wundermittel Potenzialanalyse (Teil II)
Liebe Leserinnen und Leser,
nachfolgend werden die in Teil I bereits erwähnten einzelfallbezogenen Ansätze der Potenzialanalyse eingehender beschrieben und anhand von Beispielen aus der Praxis erläutert.
Einzelfallbezogene Potenzialanalysen, die nur mit Tests arbeiten
Kennzeichen der unimethodalen Ansätze ist, dass ausschließlich eine eignungsdiagnostische Methode zur Messung der Personenmerkmale verwendet wird – und zwar in der Regel psychologische Testverfahren. Einzelne Beschäftigte bearbeiten psychologische Tests in Papierform oder am Computer, die Auswertung erfolgt jeweils einzeln für jede getestete Person. Damit erhält der Auftraggeber oder Durchführende der Potenzialanalyse im Idealfall genaue Angaben über die Ausprägung verschiedener Personenmerkmale eines einzelnen Mitarbeiters und kann damit z.B. den individuellen Entwicklungsbedarf feststellen oder die Eignung für Stellen innerhalb eines Zielkorridors oder für einzelne Berufsfelder prognostizieren. Voraussetzung ist wie bei den gruppenorientierten Ansätzen die Auswahl geeigneter Personenmerkmale und die Verwendung DIN-konformer Testverfahren. Auch die Testdurchführung und Interpretation der Testdaten sowie die Qualifikation der eignungsdiagnostisch Tätigen muss den Anforderungen der DIN 33430 genügen.
Probleme von unimethodalen Ansätzen
Unimethodale Ansätze erfahren allerdings bei den Beschäftigten keine hohe Akzeptanz. Dies hat mehrere Ursachen. Zum einen misstrauen die Beschäftigten – oftmals berechtigterweise – der Güte der angewandten Testverfahren. Zum anderen sind sie der Überzeugung, dass die Testverfahren nicht alle für den beruflichen Erfolg bedeutsamen Personenmerkmale erfassen. Damit würde die Güte der Eignungsprognose beeinträchtigt. Dieser Vorwurf ist bei den unimethodalen Ansätzen der Potenzialanalyse kaum zu entkräften.
In der Praxis bieten Unternehmen und Berater bei unimethodalen Ansätzen unterschiedliche Dienstleistungen an. Aus der Sicht der Auftraggeber ist es positiv zu werten, wenn gemein-sam diejenigen Personenmerkmale ausgewählt werden, die angesichts der Aufgabenstellung und Rahmenbedingungen der Organisation wahrscheinlich zum beruflichen Erfolg der Mitarbeiter beitragen werden. Anschließend sind diejenigen Testverfahren auszusuchen, die die ausgewählten Personenmerkmale am besten messen. Bedenklich wäre es, wenn der Auftragnehmer ausschließlich eine einzelne Persönlichkeitstypologie und einen darauf gründenden Test3 zur Eignungsprognose verwendete, ohne die organisationsspezifischen Anforderungen zu ergründen. Wäre zudem der Berater nicht bereit, wesentliche Informationen (z.B. Testgütekriterien, Normierungsstichprobe, Validierungsstudien) zu dem Test zu offenbaren, müsste von einer niedrigen Qualität des verwendeten Testverfahrens ausgegangen werden. Eignungsaussagen auf Grundlage derartiger Verfahren sind dann meist nur zufällig zutreffend und wirken sich zudem negativ auf die Einstellung der getesteten Mitarbeiter gegenüber Potenzialanalysen und den damit Betrauten aus.
Die Astrologie lässt grüßen!
Gelegentlich werden die Testergebnisse automatisiert interpretiert. Mit Textbausteinen werden dann computergestützt Ergebnisübersichten oder Gutachten erzeugt. Angesichts der wohlklingenden Formulierungen und des professionellen Layouts genießen diese Schriftsätze eine hohe Anerkennung in vielen Personalabteilungen. Sie entlasten zudem Personalreferenten vor eigenständigen Interpretationen sowie unangenehmen Rückmeldegesprächen und verführen dazu, dem Mitarbeiter das „Gutachten“ kommentarlos zu überreichen – nach dem Motto: „Da steht alles über Sie drin“. Abbildung 4 enthält ein fiktives Beispiel, welches einer realen Ergebnisübersicht nachempfunden ist. Auffällig an dieser Ergebnisübersicht ist, dass sie in hohem Ausmaß relativierende Formulierungen (wie z.B. „könnte“, „wahrscheinlich, möglicherweise“, „vielleicht, eventuell“, „neigt, tendiert“) enthält.
„Herr … neigt zu einem starken Willen und dazu, immer neue Möglichkeiten zu suchen. Er ist in Gedanken und Taten sehr selbständig und unabhängig. Außerdem tendiert er dazu, lieber selbst Lösungen für alle auftretenden Schwierigkeiten finden zu wollen. Er wird andere vielleicht um Informationen bitten, wahrscheinlich aber selten um Meinungen oder Lösungsvorschläge, da er lieber eigene Entscheidungen trifft. Wegen seiner Unabhängigkeit könnte Herr … relativ wenig auf Druck von Gleichgestellten oder Gruppen reagieren. Deshalb könnte er fähig sein, überlieferte Normen und konventionelle Praktiken auszublenden und phantasievolle, innovative Lösungen zu finden.
Herr … tendiert dazu, nach neuen Herausforderungen oder einer neuen Gelegenheit zu suchen. Er könnte den Drang haben, seine Kompetenzen an den Anforderungen einer neuen Situation zu überprüfen. Da er persönliche Schwächen oder Fehler vielleicht nur ungern zugibt, könnte er geneigt sein, immer neue Lösungen auszuprobieren – oder neue Herausforderungen zu suchen –, bis er die Resultate erzielt, die er sich wünscht. Er wird eher auf das Problem als auf die Zuständigen achten, mit dem Resultat, dass er gelegentlich Aufgaben um der Sache willen erledigt, die andere übersehen haben.
Herrn … ist schnell langweilig. Daher wird er vielleicht nach neuen Aufgaben und Karrieremöglichkeiten suchen. Er präferiert Aufgaben, die ein gewisses Maß an gedanklicher oder physischer Anstrengung erfordern. Bei monotonen, langfristigen oder langsamen Aufgaben fühlt er sich eventuell nicht ganz wohl. Er wird es vielleicht vorziehen, ein Projekt in Gang zu setzen und dann von anderen beenden zu lassen. Allerdings will er gerne vollständige Kontrolle über die Projektergebnisse haben, für die er verantwortlich ist. Herr … kann sogar den Wunsch verspüren, jede Situation vollständig zu kontrollieren.“
Abbildung 4: Fiktives Beispiel für einen Ausschnitt aus einer computergestützt erstellten Ergebnisübersicht.
Weiterhin enthält die Ergebnisübersicht Hinweise, wie sich der getestete Mitarbeiter gut motivieren lässt, wie sein Arbeitsumfeld aussehen sollte und in welchen Bereichen er sein Verhalten ändern sollte. An diesen Hinweisen (siehe Abbildung 5) ist auffällig, dass sie sich an allgemeinen Tendenzen oder Vorlieben von Beschäftigten orientieren. So streben nahezu alle Menschen nach Anerkennung. Menschen werden auch nicht gerne überwacht und sie begrüßen es nicht, wenn ihnen etwas weggenommen wird. Die im Abbildung 5 enthaltenen Aussagen sind nicht falsch und deren Beachtung im Arbeitsalltag sicherlich nützlich – nur sie enthalten keine Hinweise, die ausschließlich für den untersuchten Mitarbeiter und nur für diesen gültig sind. Jeder – von seltenen Ausnahmen abgesehen – kann sich in diesen Aus-sagen wieder finden. Eine Führungskraft erhält keine Hinweise, was speziell beim untersuch-ten Mitarbeiter zu berücksichtigen ist.
Herr … wird entmutigt, wenn…
…seine Autorität angezweifelt wird,
…seine Ressourcen beschränkt werden,
…er eng geführt wird,
…er keine Karriereperspektive hat.
Herr … wäre wirksamer, wenn …
…er zuhört und die Gefühle und Gedanken anderer berücksichtigt,
…er es lernt, Situationen so zu lenken, dass alle profitieren,
In Konfliktsituationen tendiert Herr … dazu, sich zu verteidigen.
Herr … meidet den Anschein, nachgiebig oder nicht stark zu sein.
Abbildung 5: Fiktives Beispiel für Aussagen aus einer computergestützt erstellten Ergebnis-übersicht.
Unimethodale Potenzialanalysen: ein Fazit
Mit unimethodalen Potenzialanalysen können in kurzer Zeit und zu verhältnismäßig geringen Kosten wichtige Erkenntnisse über ausgewählte Fähigkeiten, Eigenschaften und Kompetenzen von Beschäftigte gewonnen werden. Mittels dieser Erkenntnisse können zutreffende Eignungsprognosen erstellt werden. Der vom Mitarbeiter gewonnene Eindruck bleibt jedoch holzschnittartig; auf individuelle Besonderheiten, die ebenfalls einen Einfluss auf die Eignung haben können, kann in der Regel nicht eingegangen werden. Unbedingt müssen bei der Durchführung der Potenzialanalyse die fachlichen Standards eingehalten und insbesondere eine sachgerechte Interpretation und Rückmeldung der Testergebnisse gewährleistet werden.
Einzelfallbezogene, multimethodale Ansätze der Potenzialanalyse
Während bei den unimethodalen Ansätzen der Potenzialanalyse nur eine eignungsdiagnostische Methode – zumeist psychologische Testverfahren – zum Einsatz kommt, ist es ein Kennzeichen multimethodaler Ansätze, dass mehrere Methoden in Kombination angewandt werden. So werden Mitarbeiter nicht nur mit Tests sondern auch mit Hilfe von Interviews, situativen Verfahren, Arbeitsproben usw. Untersucht. Das Potenzial der Beschäftigten kann sehr individuell erfasst werden. Durch die Kombination verschiedener eignungsdiagnostischer Methoden wird die Treffsicherheit der Eignungsprognosen. Zudem erfährt die Potenzi-alanalyse eine höhere Akzeptanz bei den Beschäftigten, wenn nicht nur Tests bearbeitet werden, sondern auch konkretes Verhalten gezeigt und im Interview über Lebensumstände, Erfahrungen und Motivationslagen gesprochen werden kann.
Qualitätskriterien einzelfallbezogener, multimethodaler Potenzialanalysen
Multimethodale Ansätze der Potenzialanalyse sind mit hohen Anforderungen an den Durch-führenden verbunden. Nachdem geklärt wurde, für welche Zwecke die Potenzialanalyse ein-gesetzt wird, müssen die zu erfassenden Personenmerkmale und die für die Messung erforderlichen Methoden ausgesucht werden. Dabei ist es positiv zu bewerten, wenn der Durchführende die eignungsdiagnostischen Verfahren sehr speziell auf den Untersuchungszweck und die Organisation ausrichtet. Beispielsweise sollten nicht beliebige Gesprächssimulationen durchgeführt werden, sondern solche, die einen hohen Bezug zu den Aufgaben der Institution haben. Gleiches gilt für standardisierte Interviews und die damit verbundenen situativen Fragen oder Arbeitsproben. Diese Anpassung der eignungsdiagnostischen Verfahren an die speziellen Umstände ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Zudem muss der Durchführende die Aufgaben und die Unternehmenskultur der Institution gut kennen. Des Weiteren sollten vor der eigentlichen Untersuchung mit dem betroffenen Mitarbeiter Erwartungen und mögliche zusätzliche Fragestellungen geklärt werden – z.B. während eines Erst- oder Eingangsgesprächs. Die Abfolge der verschiedenen eignungsdiagnostischen Verfahren hat derart zu erfolgen, dass…
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… die gesamte Untersuchungsdauer möglichst kurz ist,
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… die Beschäftigten hinsichtlich ihrer Konzentrationsfähigkeit nicht überfordert werden,
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… die Untersuchungsergebnisse möglichst schnell nach Abschluss der Untersuchung vorliegen,
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… Dritte – z.B. Rollenspieler in Gesprächssimulationen, Beobachter – ökonomisch eingesetzt werden.
Im Idealfall kann der Durchführende noch während der Untersuchung auf einzelne Ergebnisse reagieren und zusätzliche eignungsdiagnostische Instrumente einsetzen. Eine hohe Aussagekraft und Akzeptanz erlangen die Ergebnisse der Potenzialanalyse, wenn es dem Durchführenden gelingt, den Mitarbeiter an der Interpretation der Ergebnisse zu beteiligen. Hierdurch kann die Situation vermieden werden, dass sich ein ggf. hochkompetenter Mitarbeiter durch Außenstehende be- und verurteilt fühlt. Selbstverständlich darf der Eignungsdiagnostiker bei der Beteiligung des Mitarbeiters an der Interpretation fachliche Standards nicht aufgeben. Die Dokumentation der Ergebnisse und deren Interpretation in Bezug auf die Fragestellung sollte in einem individuell gefertigtem Gutachten oder Ergebnisbericht dokumentiert werden. Dieser sollte so formuliert sein, dass es nicht nur für Eignungsdiagnostiker sondern auch für interessierte und zur Einsicht berechtigte Personen aus dem Personalmanagement verständlich und nützlich ist.
Mit multimethodalen Potenzialanalysen können sehr aussagekräftige Erkenntnisse über die Potenziale eines Mitarbeiters gewonnen werden. Nachteilig sind jedoch die hohen Kosten, die mit dieser Form der Potenzialanalyse verbunden sind. Multimethodale Potenzialanalysen sollten nur von solchen Personen durchgeführt werden, die im Themengebiet Eignungsdiagnostik besonders qualifiziert sind.
Praxisbeispiel: Rummelsberger Potenzialanalyse
Die Rummelsberger Dienste für Menschen gGmbH ist Mitglied im Diakonischen Werk Bayern. Das Unternehmen beschäftigt rund 5.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und betreibt Einrichtungen der Hilfen für junge Menschen, für Menschen im Alter und für Menschen mit Behinderung. Mit der Rummelsberger Potenzialanalyse soll geprüft werden, ob Mitarbeiter zukünftig erfolgreich Führungsaufgaben der unteren bis mittleren Ebene in Sozialeinrichtungen oder kirchlichen Arbeitsfeldern (z.B. Stationsleitung bis Pflegedienstleitung / Wohnbereichsleitung; Dekanatsjugendreferent) wahrnehmen können. Auftraggeber für die Potenzial-analyse sind die direkten Vorgesetzten in den einzelnen Einrichtungen der Rummelsberger Dienste, die Leitung der Rummelsberger Diakone und Diakoninnen sowie externe Institutionen. Durchgeführt wird die Potenzialanalyse durch Mitarbeiter aus dem Bereich Personalentwicklung unter der fachlichen Leitung einer Diplom-Psychologin. Zur Vorbereitung der Potenzialanalyse sendet der Teilnehmer einen Lebenslauf an die Durchführende. Die Untersuchungsdauer beträgt zwischen sechs und sieben Stunden, sie ist innerhalb eines Tages abgeschlossen. Zu Beginn der Potenzialanalyse wird ein Eingangsgespräch geführt, mit dem Ziel, dem Teilnehmer Ablauf und Rahmenbedingungen (z.B. Modalitäten der Ergebnisweitergabe) zu erläutern. Weiterhin werden der Anlass für die Potenzialanalyse erläutert und Ergänzungen der Fragestellungen der Potenzialanalyse vorgenommen. Es schließt sich die Bearbeitung eines Persönlichkeitstests und eines Postkorbs an. Daraufhin folgen ein bis zwei Gesprächssimulationen, ein strukturiertes Interview mit situativen Fragen, eine schriftliche Arbeitsprobe, eine Präsentation sowie ein Tiefeninterview zu den Themen bisherige Berufsbiographie, berufliche Ziele und Interessen sowie Führungs- und Karrieremotivation. Die Interviews werden durch zwei Interviewer durchgeführt. Im Anschluss erfolgt eine mündliche Rückmeldung der Ergebnisse sowie eine kurze Interpretation derselben. Der zweiseitige Er-gebnisbericht (Beispiele siehe Abbildungen 6 und 7) wird – je nach Absprache mit dem teil-nehmenden Mitarbeiter – an ihn und an den Auftraggeber gesandt. Im Ergebnisbericht wer-den Aussagen zur beruflichen Orientierung und Motivation, zum Führungs- und Arbeitsver-halten, zur sozialen Kompetenz sowie zur psychischen Konstitution getroffen. Weiterhin werden Hinweise auf die evtl. noch notwendige Entwicklung bestimmter Kompetenzbereiche gegeben. Das Fazit enthält ein Urteil, ob und für welche Führungsaufgaben der Mitarbeiter geeignet ist. Seit dem Jahr 2003 wurden rund 140 Potenzialanalysen durchgeführt. Die Potenzialanalysen werden laufend evaluiert; in einer anonymen, schriftlichen Befragung ehemaliger Teilnehmer äußerte die überwiegende Mehrheit eine große Zufriedenheit mit dem Verfahren der Potenzialanalyse und der Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse.
„…
Berufliche Orientierung: Frau … genießt die Vielfalt der Aufgaben und die Möglichkeit eigenverant-wortlichen Handelns in ihrer jetzigen Stelle als …. Gerade die Übernahme der Fachaufsicht für das Team stelle eine positive Herausforderung für sie dar. Parallel dazu möchte Frau … sich jedoch durch eine Weiterbildung für die Übernahme noch verantwortungsvollerer Aufgaben qualifizieren. Sie könne sich sowohl Leitungsaufgaben als auch fachlich anspruchsvolle Tätigkeiten im Bereich Beratung oder Erwachsenenbildung vorstellen. Frau … beschreibt sich als hoch leistungsmotiviert. Sie hat einen hohen Anspruch an ihre eigene Leistung und ist bereit, für ihr berufliches Engagement Einschränkungen ihres Privatlebens hinzunehmen. In ihrer Tätigkeit möchte Frau … Gestaltungsspielraum haben, Neues initiieren und mit dem eigenen Tun etwas Maßgebliches bewirken. Ihre Führungsmotivation ist im Vergleich zu andern Fach- und Führungskräften überdurchschnittlich hoch ausgeprägt.
Führungsverhalten: In Bezug auf Leitung hält es Frau … für wichtig, jeden Mitarbeitenden mit seinen Kompetenzen zu würdigen. Sie arbeite gern im Team, übernehme aber auch dort die Leitung, wenn Dinge schnell entschieden werden müssen. Ein gutes Teamklima, in dem auch Konflikte ausgetragen werden können, sei wesentlich. Problematische Führungssituationen analysiert Frau … schnell und differenziert. Sie entwickelt tragfähige Handlungsschritte, wobei sie auch die arbeitsrechtliche Seite im Blick hat. Klare Entscheidungen trifft sie bei Situationen aus ihrem vertrauten Umfeld, während sie in für sie neuen Situationen trotz sehr guter Analyse ihre Entscheidung noch absichern will. Im Mitarbei-tergespräch gelingt es Frau … sehr gut, in einer neutralangenehmen Gesprächsatmosphäre der Mit-arbeiterin gegenüber ihr Anliegen klar zu machen, deren Sichtweise durch aktives Zuhören wahrzu-nehmen und eine Vereinbarung für die Zukunft zu treffen.
Arbeitsverhalten: Frau … zeichnet sich durch Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit sowie ein gutes Organisationsvermögen aus. Sie kann sich flexibel auf neue Herausforderungen einstellen und schätzt es an ihrer Arbeitstätigkeit, dass immer wieder Unvorhergesehenes passiert. Frau … zeigt eine hohe Analysefähigkeit. Getroffene Entscheidungen setzt sie zügig in Handlungen um. Inhalte präsentiert Frau … lebendig und strukturiert. Dabei kommt ihr – auch im Schriftlichen – gutes Ausdrucksvermögen besonders im direkten Kontakt mit Publikum zum Tragen.
Soziale Kompetenz: Frau … beschreibt sich als Mensch mit einem sehr hohen Maß an Ein-fühlungsvermögen, der sich auf die unterschiedlichsten Menschen einstellen kann und auch diffizile Gesprächssituationen meistert. Frau … zeigt eine hohe Teamorientierung. Ihr Umgang mit anderen ist von Freundlichkeit und Rücksichtnahme geprägt. Sie spricht aber auch Unangenehmes an, das Errei-chen ihrer Ziele ist ihr wichtiger als Harmonie. Frau … kann andere Menschen von ihren Ideen über-zeugen und sie dazu bringen, sich für eine Sache zu engagieren. Dabei habe sie gelernt, ihre Vorstel-lungen taktisch geschickt statt mit der „Brechstange“ durchzusetzen.
Psychische Konstitution: Hohe Arbeitsbelastung kann Frau … gut verkraften. Von Misserfolgen lässt sie sich nicht aus der Bahn werfen. Frau … tritt selbstbewusst auf und hat keine Probleme vor größeren Gruppen zu sprechen.
Fazit:
Frau … hat Potenzial für die Übernahme von Leitungstätigkeiten auf der mittleren Ebene. Zur fachlichen Vorbereitung ist die Teilnahme an einer Weiterbildung „Management in sozialen Situationen“ zu empfehlen.
… „
Abbildung 6: Auszüge aus einem anonymisierten Ergebnisbericht der Rummelsberger Potenzialanalyse.
„…
Berufliche Orientierung: Seine jetzige Stelle gefällt Herrn … sehr gut, da er sowohl seine Fachkenntnisse als … einbringen als auch Menschen in schwierigen Lebenssituationen zur Seite stehen kann. Aufgrund der zeitlichen Befristung der Stelle mache er sich aber schon Gedanken, was danach anstehe. Dabei verspüre er eine Erwartungshaltung, sich in Richtung Führungslaufbahn entwickeln zu müssen. Im Bereich der … könne er sich die Stelle einer Bereichsleitung vorstellen, die er als Vermittler zwischen Einrichtungsleitung und Gruppenleitern und -Beschäftigte verstehe und in der er nicht zu hohe Verantwortung habe. „Höher hinauf“ wolle er nicht. Auf Nachfrage nach alternativen Möglichkeiten nennt Herr … als erstes, weiterhin eine beratende Tätigkeit ausüben zu können.
Berufliche Motivation: Herrn … reizen Aufgaben, die ihn fachlich fordern, in denen er Kontakt mit verschiedensten Menschen hat, und in denen er etwas bewirken kann. Dabei hat er nicht den Anspruch, stets an seine Leistungsgrenzen zu gehen. Seine Familie und seine Freizeit als Ausgleich zum Berufsleben sind Herrn … sehr wichtig. Im Vergleich zu anderen Fach- und Führungskräften hat Herr … eine weit unterdurchschnittliche Führungsmotivation.
Führungsverhalten: Herr … würde in entsprechender Leitungsfunktion einen demokratischen Füh-rungsstil bevorzugen, der durch Offenheit und Kollegialität gekennzeichnet ist und bei dem Entschei-dungen gemeinsam getroffen würden. Andererseits ist sein Bild von einer Führungskraft jenes einer Autorität. Hieraus schließt Herr …, dass er „forscher, vehementer und weniger gutmütig“ auftreten müsse, um eine solche Rolle ausfüllen zu können. Problematische Führungssituationen analysiert Herr … differenziert und entwickelt Handlungsschritte zu ihrer Lösung, teilweise gibt er aber die Ver-antwortung für notwendige Entscheidungen als Führungskraft an das Team oder „neutrale Personen von draußen“ ab. Im Mitarbeitergespräch gelingt es Herrn …, sein Anliegen klar zu machen und eine Vereinbarung für die Zukunft zu treffen. Durch den eigenen hohen Redeanteil lässt er jedoch seinem Gegenüber zu wenig Raum, sich zu öffnen.
Arbeitsverhalten: Herr … zeigt ein gutes Analysevermögen und eine hohe Flexibilität. Er ist offen für Neues und kommt gut mit veränderten Bedingungen zurecht. Er neigt allerdings dazu, Aufgaben und Entscheidungen aufzuschieben, kann sie aber unter dem dann entstehenden Zeitdruck gut erledigen. Inhalte präsentiert Herr … übersichtlich und zielgruppen-adäquat. Er zeigt sowohl mündlich als auch schriftlich ein gutes Ausdrucksvermögen.
Soziale Kompetenz: Herr … zeigt sich als umgänglicher, kontaktfreudiger Mensch, der anderen mit Freundlichkeit und Rücksichtnahme begegnet. Eine harmonische Arbeitsatmosphäre hat einen hohen Stellenwert für ihn. Er kann sich auf die unterschiedlichsten Menschen einstellen und meistert auch diffizile Gesprächssituationen. In Diskussionen tritt er eher ausgleichend auf, als dass er versucht, seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen.
Psychische Konstitution: Herr … hat eine optimistische Lebensauffassung und bleibt auch bei hoher Arbeitsbelastung gelassen. Über seine Wirkung auf andere, Kritik oder Misserfolge macht er sich intensiv Gedanken.
Fazit:
Besonders geeignet ist Herr … für fachlich anspruchsvolle Tätigkeiten, die Flexibilität und Analyse-vermögen erfordern und in denen der Umgang mit Menschen wesentlicher Bestandteil ist. Aufgrund seiner derzeitigen Interessens- und Motivationslage sowie seines unstimmigen Bildes von den Anforderungen an eine Führungskraft ist die Übernahme von Führungsaufgaben momentan nicht zu empfehlen. Vor weiteren Überlegungen in diese Richtung sollte Herr … versuchen, sich z. B. durch eine Hospitation ein Bild von Führungstätigkeit auf der mittleren Ebene zu machen, um dieses mit seinen Vorstellungen vergleichen zu können.
…“
Abbildung 7: Auszüge aus einem anonymisierten Ergebnisbericht der Rummelsberger Po-tenzialanalyse.
Zum Schluss die Kernaussagen dieses Blogs
Damit die Entwicklung von Führungskräften effektiv und effizient durchgeführt werden kann, ist die Ermittlung von Führungspotenzialen bei Beschäftigten unerlässlich. Dabei kann sich das Personalmanagement nicht nur auf Daten aus der Vergangenheit – z.B. von dienstlichen Beurteilungen – und auf eher subjektive Vorgesetztenempfehlungen verlassen. Daneben sind für die Potenzialfeststellung objektive Informationen über für Führungsaufgaben bedeutsame Personenmerkmale erforderlich. Diese Informationen können mit Potenzialanalysen erhoben werden. Verschiedene Formen der Potenzialanalysen sind mit unterschiedlichen Chancen und Risiken verbunden. Aufgabe des Personalmanagements ist es, Potenzialanalysen rechtzeitig und differenziert einzusetzen sowie auf die Einhaltung fachlicher Standards bei deren Durchführung zu achten.
Ich wünsche Ihnen schöne Herbsttage!
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon
3 In der Zeitschrift Personalmagazin, 8/2004, S. 57, sind einige bedeutsame Persönlichkeitstypologien und die dazugehörigen Tests aufgelistet.

