Probezeit – Praxisfall „Eigentlich ist sie nie da“ – Rechtslage
Seite 1: Der Fall: Es gibt Probleme mit einer neuen Mitarbeiterin in der Probezeit.
2. Rechtslage
„Die Probezeit beträgt sechs Monate“, so oder so ähnlich formulierte Klauseln finden sich in einer Vielzahl von Arbeitsvertragsmustern. Worum geht es dabei? In tatsächlicher Hinsicht sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, sich besser kennenzulernen. Um dem Zweck – der gegenseitigen Erprobung – gerecht werden zu können, unterscheiden sich die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses in fundamentaler Weise von der Zeit, die sich daran anschließt.
a. Probezeit
Wenn wir an Probezeit denken, dann kommt häufig zunächst die Regelung des § 622 Abs. 3 BGB in den Sinn. Darin hat der Gesetzgeber normiert, dass das Arbeitsverhältnis während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann. Diese Zwei-Wochen-Frist bildet eine Ausnahme von den übrigen gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1 (vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats) und Abs. 2 (bis zu sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats) BGB.
Die Probezeit kann bis zu sechs Monate betragen, muss es aber nicht. Insofern kommt es maßgeblich auf die getroffene Vereinbarung an. Zahlreiche Tarifverträge sehen einen kürzeren Probezeitraum vor. Im Geltungsbereich von TVöD und TV-L ist etwa an die Regelung des § 30 Abs. 4 zu denken, die die Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen regelt: Bei befristeten Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund gelten nur die ersten sechs Wochen als Probezeit. Bei befristeten Arbeitsverträgen mit sachlichem Grund sind es dagegen die ersten sechs Monate.
b. Wartezeit
Die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses unterscheiden sich jedoch nicht nur in Bezug auf die Dauer der Kündigungsfrist. Nein, viel wichtiger noch ist der Unterschied, den der Gesetzgeber in Bezug auf den Kündigungsschutz geregelt hat.
Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
Vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit greift dieser allgemeine Kündigungsschutz jedoch noch nicht. Es kommt in dieser Zeit also nicht darauf an, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist oder nicht. Auch eine vorherige Abmahnung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Von daher kann der Arbeitgeber im Grundsatz noch bis zum letzten Tag des Sechs-Monats-Zeitraums kündigen, ohne den Beschränkungen des allgemeinen Kündigungsschutzes zu unterliegen.
Während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer jedoch nicht vollkommen schutzlos, sondern genießt einen eingeschränkten Mindest- und Sonderkündigungsschutz (z.B. Schikane-, Willkür- und Diskriminierungsverbote sowie § 17 MuSchG, § 5 PflegeZG und § 9 Abs. 3 FPfZG).
Im Ergebnis verschafft auch die Wartezeitregelung dem Arbeitgeber Gelegenheit, den Arbeitnehmer zunächst kennenzulernen und zu erproben.
c. Betriebsratsanhörung im Falle einer Probezeitkündigung
Ein verbreiteter Irrglaube besteht darin, dass der Betriebs- oder Personalrat im Rahmen einer Probezeitkündigung nicht oder nicht im selben Ausmaß zu beteiligen ist, weil der allgemeine Kündigungsschutz noch nicht eingreift. Das ist so nicht richtig und führt in aller Regel zur formalen Unwirksamkeit der Kündigung.
Gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder beabsichtigten Kündigung anzuhören. Dabei hat der Arbeitgeber ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. In der Praxis bedeutet das, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilen muss, aus welchen für ihn maßgebenden konkreten Gründen das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (sog. Grundsatz der subjektiven Determination).
Wenn Arbeitgeber schlichtweg kein gutes Gefühl dabei haben, das Arbeitsverhältnis über die Wartezeit hinaus fortzusetzen, dann müssen sie dem Betriebsrat lediglich genau dieses subjektive Werturteil mitteilen. Wenn es demgegenüber aber konkrete Kündigungsgründe gibt, muss der Betriebsrat über diese Gründe so detailliert informiert werden, dass er sich ohne weitere Nachforschungen ein Bild machen und darüber entscheiden kann, ob er Bedenken anmeldet oder Widerspruch erhebt.
Nach alledem kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrates dann nicht ordnungsgemäß nach, wenn er – aus seiner subjektiven Sicht – bewusst unrichtige oder unvollständige Gründe mitteilt oder wenn er ihm bekannte, genau konkretisierbare Kündigungsgründe bewusst nur pauschal erwähnt, obwohl die Entscheidung zur beabsichtigten Kündigung auf konkreten Umstände beruht. Nicht zu beanstanden ist die Anhörung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dagegen, wenn der Arbeitgeber aus seiner subjektiven Sicht konsequent handelt, indem er trotz konkreter Anhaltspunkte seinen Kündigungsentschluss nur aus subjektiven, pauschalen Werturteilen herleitet.
d. Besondere Zustimmungserfordernisse nach den Personalvertretungsgesetzen von Bund und Ländern
Im Bundespersonalvertretungsgesetz regelt § 79 die Mitwirkung des Personalrats bei Kündigungen. Im Grundsatz entspricht diese Regelung weitgehend dem § 102 BetrVG. Etwas anderes gilt im Geltungsbereich derjenigen Landespersonalvertretungsgesetze, die ausdrücklich eine abweichende Regelung treffen. So kann etwa geregelt werden, dass der Personalrat bei Kündigungen ein Mitbestimmungsrecht hat. In diesen Fällen bedarf eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Personalrats. Wenn der Personalrat sich gegen die Kündigung ausspricht, wird regelmäßig ein formalisiertes Einigungsverfahren durchzuführen sein.
Für den Personalrat kann das Einigungsverfahren ein Mittel darstellen, um den Ausspruch einer wirksamen Kündigung erheblich zu verzögern. Schlimmstenfalls kann diese Verzögerung so lange dauern, dass die Wartezeit des KSchG zwischenzeitlich erfüllt worden ist und der Arbeitnehmer in den Genuss des allgemeinen Kündigungsschutzes kommt.
IV. Fazit und Umsetzungstipps
In der Praxis ist es unverzichtbar, neue Mitarbeiter zu erproben. Die Personalabteilung hat hierbei die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Rahmen stimmt: Sie kann mit den Beteiligten ein Erprobungskonzept entwickeln, in dem Ziele definiert, Prozesse strukturiert, Verantwortlichkeiten zugewiesen und eine Auswertung vorgesehen sind. Die konkrete Ausgestaltung solcher Konzepte hängt von den Gegebenheiten bei dem jeweiligen Arbeitgeber ab. Große Einrichtungen und Unternehmen werden dabei mehr auf Standardisierung setzen müssen, kleine dagegen individueller vorgehen können.
Um beurteilen zu können, ob der Arbeitnehmer sich im beruflichen Alltag bewährt, empfehlen wir, nach den ersten drei Monaten ein Feedbackgespräch zu führen. Legen Sie sich diesen Termin einfach auf Wiedervorlage und informieren Sie sich vor dem Gesprächstermin darüber, welchen Eindruck Fachvorgesetzte, aber auch die Kollegen über den neuen Mitarbeiter gewonnen haben.
Im Feedbackgespräch selbst können Sie Positives loben und Negatives kritisieren. Vergessen Sie nicht: In der Probezeit geht es vornehmlich darum, sich besser kennenzulernen. Nutzen Sie diese Chance.
Wenn Sie daran zweifeln, dass der Arbeitnehmer sich bewährt hat, dann warten Sie nicht passiv ab, sondern agieren Sie! Führen Sie ein Kritikgespräch, in dem Problembereiche offen angesprochen werden.
In unserer Beratungspraxis erleben wir nicht selten, dass Arbeitgeber bis zum letzten Moment warten, ehe eine Probezeitkündigung formal eingeleitet wird. Schlimmstenfalls ist es dann jedoch schon zu spät, weil eine ordnungsgemäße Beteiligung der zuständigen Gremien nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann. Bedenken Sie, dass aufgrund der Gremienbeteiligung durchaus ein Vorlauf von sechs Wochen erforderlich sein kann. Warten Sie also nicht, bis es „5 vor 12“ ist.
Autoren
Hendrik Hase und Markus Bampoe-Addo
Beide sind Syndikusrechtsanwälte beim Kommunalen Arbeitgeberverband Berlin.
Sie beraten öffentliche Arbeitgeber in allen Fragen des Arbeits- und Tarifrechts.
Denkanstöße
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Hätte der Fall „Eigentlich ist sie nie da“ auch bei Ihnen passieren können?
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Wie gehen Sie in Ihrem Haus vor?
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Wenden Sie ein Erprobungskonzept an?
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Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Wussten Sie eigentlich,
dass auch eine Probezeitverlängerung bei Nicht-Bewährung von Mitarbeitern möglich ist? Die Vorgaben der Rechtsprechung hierzu sind erfreulich klar und erweitern die Handlungsoptionen für den Arbeitgeber. Das maßgebliche Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.03.2002 (2 AZR 93/01) ist instruktiv und lesenswert.


