In der öffentlichen Anhörung zum Tariftreuegesetz am 3.11.2025 im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales wurden die unterschiedlichen Positionen deutlich sichtbar. Je nach Interessenlage bewerteten die Sachverständigen den Gesetzentwurf entweder als zu weitgehend oder als nicht weitreichend genug.
Der Arbeitgeberverband lehnte den Entwurf ab, da dieser dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Bürokratie abzubauen, widerspreche. Er forderte insbesondere eine Erhöhung des vorgesehenen Schwellenwertes (50.000 Euro), die Herausnahme von Lieferleistungen aus dem Anwendungsbereich und den Schutz bestehender Tarifverträge. Darüber hinaus seien die Nachweispflichten vor allem beim Einsatz von Nachunternehmen zu reduzieren.
Gewerkschaftsvertreter hingegen begrüßten den Entwurf im Grundsatz, bemängelten aber zahlreiche Schlupflöcher, die ihrer Ansicht nach die Wirksamkeit des Gesetzes untergraben würden. Der Schwellenwert sei zu hoch und auch die Ausnahmeregelung für Aufträge aus dem Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sei nicht nachvollziehbar. Zudem forderten sie anlasslose Vor-Ort-Kontrollen durch die Prüfstelle Bundestariftreue sowie eine Begrenzung von Nachunternehmerketten, die Lohndumping begünstigten.
Die beiden als Einzelgutachter geladenen Sachverständigen beleuchteten verfassungs- und europarechtliche Fragen bzw. unterbreiteten konkrete Vorschläge zur Ergänzung und Optimierung des Gesetzentwurfs.
Als Sachverständige sind aufgetreten:
-
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V
-
Dienstgeberseite der Caritas
-
Deutsche Rentenversicherung Bund
-
Zentrum – Die alternative Gewerkschaft
-
Deutscher Gewerkschaftsbund
-
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
-
Einzelsachverständige:
-
Prof. Dr. Rüdiger Krause
-
Dr. Karen Jaehrling
Der Ausschuss Arbeit und Soziales hat im Vorfeld der Anhörung eine Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen veröffentlicht. Die Anhörung wird zudem in der Mediathek des Bundestages eingestellt.
Nach der Anhörung werden die Beratungen im Ausschuss fortgesetzt, die in eine Beschlussempfehlung samt Entscheidungsvorschlag für das Plenum münden. Anschließend finden die zweite und dritte Lesung im Plenum statt. Die Fragen der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD machten deutlich, dass vor allem bezüglich des Umgangs mit bereits tarifgebundenen Unternehmen und der im Gesetzentwurf vorgesehenen Nachweispflichten auch zwischen den Regierungsfraktionen noch weiterer Abstimmungsbedarf besteht.
Hintergrund:
Die Entwicklung der Tarifbindung in Deutschland zeigt seit Jahren eine deutlich rückläufige Tendenz. Im früheren Bundesgebiet waren 1998 noch 76 % der Beschäftigten von einem Tarifvertrag erfasst, im Jahr 2024 nur noch 50 %. In Ostdeutschland sank die Tarifbindung im gleichen Zeitraum von 63 % auf 42 %. Insgesamt liegt die Tarifabdeckung in Deutschland damit nur noch bei rund 49 %. Je nach Branche variiert die Tarifbindung erheblich, im Baugewerbe liegt sie bei 45%, im öffentlichen Sektor hingegen bei 100%. Die Tarifbindungsquote in Deutschland markiert im europäischen Vergleich das untere Mittelfeld. In zahlreichen Mitgliedstaaten wurde die in der EU-Richtlinie 2022/2041 festgelegte Zielmarke von 80 % Tarifbindung bereits erreicht oder sogar deutlich überschritten. Die Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, deren Tarifabdeckung unterhalb dieser Schwelle liegt, zur Vorlage eines Nationalen Aktionsplans zur Förderung von Tarifverhandlungen. Deutschland wird diesen Plan bis Ende 2025 vorlegen müssen.
Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung verdienen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben ohne Tarifbindung im Durchschnitt ein volles Monatsgehalt weniger pro Jahr als Beschäftigten in Betrieben mit Tarifverträgen und leisten zugleich rund eine Woche Mehrarbeit.
Verfasser: Rudolf Ley/Dietmar Altus
Vergabehandbuch für Lieferungen und Dienstleistungen online
Leitfaden durch das Verfahren, Ablaufschemata, Formularsammlung und alle wichtigen Vorschriften
Handbuch für die umweltfreundliche Beschaffung online
Praxisleitfaden
Beste Antworten.
Newsletter Vergaberecht
Dieser kostenlose Newsletter informiert Sie regelmäßig über neue Entwicklungen im Vergaberecht. Sie erhalten aktuelle und praxisbezogene Informationen und Produkttipps zu Vorschriften, EU-Vorgaben, Länderregelungen und aktueller Rechtsprechung.