Öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber müssen öffentliche Aufträge ausschreiben. Ob das EU-Vergaberecht oder das nationale Vergaberecht Anwendung findet, hängt vom Ergebnis der durch den Auftraggeber nach den Bestimmungen des § 3 VgV durchzuführenden Auftragswertschätzung ab.
Erreicht oder überschreitet die Auftragswertschätzung den jeweils geltenden Schwellenwert nach § 106 GWB i.V.m. jeweils geltenden Norm EU-Richtlinien muss die Leistung europaweit ausgeschrieben werden. Liegt die Auftragswertschätzung unterhalb dieser Wertgrenze kann die Leistung nach nationalem Vergaberecht vergeben werden.
In seinem Entschließungsantrag führt der Freistaat Bayern aus, dass die Höhe der seit 1994 nahezu unveränderten EU-Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungen sowie Bauleistungen im Hinblick auf die zwischenzeitliche Preisentwicklung nicht mehr zeitgemäß seien. Leistungen müssten heute europaweit ausgeschrieben werden, die seinerzeit noch nicht als binnenmarktrelevant bewertet worden sind.
Eine angemessene marktpreisgerechte Erhöhung der EU-Schwellenwerte sei dringend erforderlich, um vor allem den Verwaltungs- und Kostenaufwand auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite zu reduzieren, die Anzahl der aufwändigen Verfahren im Oberschwellenbereich deutlich zu verringern und die Konjunktur stützenden öffentlichen Investitionen zu beschleunigen.
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung insbesondere aufgefordert werden, sich auf europäischer Ebene für folgende Maßnahmen einzusetzen:
unverzügliche inflationsbedingte Erhöhung der EU-Schwellenwerte;
inflationsbedingter jährlicher Anpassungsturnus (statt bisher zweijährig);
Einführung eines Sonderschwellenwerts für Planungsleistungen beziehungsweise freiberufliche Leistungen, zumindest aber Hinwirken auf eine
Erfassung solcher Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber.
Ziel der Initiative ist es, den Verwaltungsaufwand und die Kosten auf Auftraggeber- und auf Auftragnehmerseite zu reduzieren - und damit den Mittelstand zu entlasten. Vor allem mit Blick auf die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland mit ihren vielen kleinen Kommunen als öffentliche Auftraggeber mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen würde dies zu erheblichen Erleichterungen führen.
Bauleistungen müssen nach geltendem europäischen Vergaberecht ab einem Auftragswert von 5,382 Millionen Euro europaweit ausgeschrieben werden, andere Liefer- und Dienstleistungsaufträge ab einem Volumen von 215.000 Euro (Zentralstaatliche Auftraggeber: 140.000 Euro). Eine Regelung zum Inflationsausgleich ist derzeit nicht vorgesehen. Diese Lücke möchte der Bundesrat schließen lassen.
Zudem möge sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für einen gesonderten, höheren Schwellenwert für Planungsleistungen einsetzen. Dienstleistungen von Architektur- und Ingenieurbüros zählten in Deutschland zu den zweithäufigsten Beschaffungsgegenständen, begründet der Bundesrat seine Forderung.
Die seit 28 Jahren fast unverändert geltenden Schwellenwerte seien dringend reformbedürftig, begründet der Bundesrat seinen Appell. Die deutliche Verteuerung insbesondere von Bauleistungen sowie die aktuell hohe Inflation sorgten dafür, dass staatliche Auftraggeber für immer kleinere Bau- und Beschaffungsvorhaben in komplexen und aufwändigen Verfahren europaweit nach Anbietern suchen müssten. Der Bundesrat fordert daher eine marktpreisgerechte Anhebung der Schwellenwerte.
Der federführende Wirtschaftsausschuss, der Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung zu fassen.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit dem Appell des Bundesrates befasst. Feste Fristvorgaben hierzu gibt es nicht.
Verfasser: Dietmar Altus
Quelle:
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