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Chargenvermutung in Verbindung mit Vorsorgeprinzip und ggf. Widerlegung

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Der OVG-Beschluss vom 05.10.2023 -3 B 168/23- bezieht sich auf die Beanstandung von unsicherem Käse und behördliche Hygienemaßnahmen. Dabei steht die Frage im Fokus, ob die festgestellten Befunde chargenrepräsentativ sind. Der Beschluss diskutiert die Chargenvermutung gemäß Vorsorgeprinzip und bezieht sich auf die Ermächtigungsgrundlage für die angeordneten Maßnahmen gemäß Art. 138 Verordnung (EU) 2017/625. 

Der Beschluss des OVG Bautzen vom 05.10.2023 -3 B 168/23- beinhaltet mehrere interessante Aspekte:

  1. Gegenstand der Entscheidung ist die Beanstandung von unsicherem Käse, einzelne behördlich angeordnete Hygienemaßnahmen und die Frage, inwieweit die Befunde chargenrepräsentativ sind. In Proben vom Käse wurden Shiga- bzw. Verotoxinbildende Escherichia coli (STEC/VTEC) nachgewiesen. Ferner wurden in folgenden Tupferproben in der Betriebsstätte und in Salzlaken sowie im Schmierwasser Enterobakterien sowie Toxine festgestellt. Der Käse wurde als gesundheitsschädlich eingestuft; das weitere Inverkehrbringen wurde untersagt und die unschädliche Entsorgung oder eine thermische Behandlung verfügt. Ferner ordnete die Behörde einzelne Hygienemaßnahmen sowie bzgl. der Rechtsfolgen bei unsicheren Erzeugnissen Marktrücknahme und Rückruf an. Mit seinen Rechtsbehelfen hat sich das Unternehmen gegen die behördlichen Maßnahmen und insbesondere die geltend gemachte Chargenvermutung gewehrt.

    Als Ausprägung auch des Vorsorgeprinzips gemäß Art. 7 BasisV (EG) Nr. 178/2002 sieht Art. 14 Abs. 6 BasisV als sogenannte Chargenvermutung bei einer festgestellten Unsicherheit von Lebensmitteln grundsätzlich die Betroffenheit der Charge vor. Nach dem Wortlaut der Regelung ist diese Chargenvermutung nur widerlegt, wenn eingehendere Prüfungen keinen Nachweis für eine Betroffenheit der Charge ergeben. Das OVG Bautzen setzt sich anhand der Parteivorträge mit den Beanstandungsgrundlagen, Ermächtigungen sowie der Chargenvermutung ausführlich auseinander und kommt zum Schluss, dass die Behörden im vorliegenden Verfahren zu Recht von der Chargenvermutung ausgegangen sind.

  2. Ermächtigungsgrundlage für die einzelnen angeordneten Maßnahmen ist Art. 138 Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen.

  3. Ferner wird die Begründung der behördlich angeordneten sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 VwGO als (noch) ausreichend erachtet, wobei gleichwohl die Problematik von zu pauschalen (Muster-)Formulierungen aufgezeigt wird.

  4. Die Frist „sofort“ kann für Grundverwaltungsakte und ggf. deren Vollstreckung zulässig sein, wenn es sich um Duldungen bzw. Untersagungen handelt, vgl. § 20 Abs. 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Sachsen. Bei Handlungspflichten und als Grundlage für zugehörige Vollstreckungen ist als angemessene Frist im Sinne von vorstehendem § 20 eine nähere Bestimmung der Frist z.B. in Minuten, Stunden, Tagen, usw. erforderlich. Ggf. ist die Frist „sofort“ vorteilhafter als z.B. „unverzüglich“, weil die Legaldefinition von unverzüglich einen Verschuldensaspekt beinhaltet und ein Verschulden beim verwaltungsrechtlichen Gefahrenabwehrverfahren jedoch nicht maßgeblich ist.

Im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig/Wieser, 7. Auflage, sind Lebensmittelsicherheitsbewertungen, Rücknahmen und Rückrufe (Vorwort) und (Kapitel 3.14) sowie auch Fristsetzungen bzgl. Anordnungen und Vollstreckungen (Kap. 3.1.5) abgehandelt.

Veterinäramt Göppingen, Stephan Ludwig

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