Keine Altersdiskriminierung bei Ablehnung von „Rentnern“ wegen ihres Alters, sowie keine Verletzung des Prinzips der Bestenauslese nach Art 33 Abs. 2 GG.
BAG vom 25.4.2024 – 8 AZR 140/23
Kernaussage:
Die Wiedereinstellung eines älteren Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund der tariflichen Altersgrenze in § 33 Abs. 1 Buchst. a TV-L geendet hatte, kann aufgrund seines Alters abgelehnt werden. Wenn ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht, darf die Ablehnung allein mit dem Überschreiten der Regelaltersgrenze begründet werden. Hierin liegt keine verbotene Altersdiskriminierung. Auch das Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) wird durch dieses Vorgehen nicht verletzt.

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Der Fall:
Der 1952 geborene Kläger war Anfang 2018 wegen Erreichens des gesetzlichen Regelrenteneintrittsalters ausgeschieden, nachdem er viele Jahre als Lehrer für die Fächer Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie bei dem beklagten Land beschäftigt war. Seitdem war er wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig.
Ende 2021 bewarb sich der Kläger erneut auf eine befristete Vertretungsstelle, die mit der Fächerkombination Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie ausgeschrieben war. Neben ihm gab es einen weiteren 1981 geborenen Bewerber, der die Staatsprüfung in den Fächern Geschichte und Philosophie/Praktische Philosophie abgelegt hatte. Die Schulleitung hielt den Kläger zwar für besser qualifiziert, stellte aber letztlich den jüngeren Mitbewerber ein.
Daraufhin verlangte der Kläger eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung i. H. v. 30.000 Euro. Er sei (zumindest für das Fach Deutsch) besser qualifiziert und allein wegen seines Alters nicht ausgewählt worden. Dies sei rechtswidrig, denn die tarifliche Altersgrenze beziehe sich nur auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber auf die (erneute) Einstellung von Bewerbern.

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Die Entscheidung des Gerichts:
Das BAG lehnte einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung ab. Das beklagte Land habe nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG verstoßen. Die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Alters sei nach § 10 Satz 1 i. V. m. Satz 2 AGG objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Dieses liege in der besseren Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen durch die Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung. Jüngeren Menschen solle mit dem Ausscheiden Älterer aus dem Erwerbsleben auch ermöglicht werden, Berufserfahrung anzusammeln. Dies sei Teil der Generationengerechtigkeit und diene letztlich der gesamten Gesellschaft.
Die Regelungen im TV-L entsprächen dieser Zielsetzung. Zwar sehe der TV-L keine generelle Höchstaltersgrenze für die Begründung von Arbeitsverhältnissen vor. § 33 Abs. 1 Buchst. a TV-L ordne lediglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses „mit Ablauf des Monats [an], in dem die/der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat“. Dies sei der im Allgemeininteresse liegende Grundsatz.
Daneben erlaube § 33 Abs. 5 TV-L die Wiedereinstellung bereits ausgeschiedener Beschäftigter bei besonderem Bedarf und fehlenden – hinreichend qualifizierten – jüngeren Bewerbern. Wobei die kurze Kündigungsfrist des § 33 Abs. 5 Satz 2 TV-L verdeutliche, dass die Tarifvertragsparteien keine dauerhafte Weiterbeschäftigung bereits ausgeschiedener (älterer) Beschäftigter vor Augen hatten, sondern eben nur deren vorübergehende Weiterbeschäftigung bei besonderem Bedarf.

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Das bedeutet die Entscheidung für Sie:
Es bleibt also dabei - Beschäftigten, die auch über die erreichte Regelaltersgrenze hinaus ihre Arbeitsleistung erbringen wollen, steht kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung nach § 33 Abs. 5 TV-L zu. Dasselbe gilt für § 33 Abs. 5 TVöD. Beide Tarifnormen sind gleichlautend. Die BAG-Entscheidung vom 25.7.2024 ist auf § 33 Abs. 5 TVöD übertragbar.
Nun ist also auch höchstrichterlich entschieden, dass nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD/TV-L ausgeschiedene Beschäftigte nicht verlangen können, in dem Stellenbesetzungsverfahren zur Neubesetzung ihrer ehemaligen Stelle berücksichtigt zu werden. Das gilt auch dann, wenn sie die oder der Bestgeeignete sind. Hierin liegt - wie nun auch das BAG bestätigt hat – weder ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung noch gegen das Prinzip der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG.
Weitere Informationen finden Sie bei Breier/Dassau TV-L PLUS, § § 33 TV-L, Erl. 7.10.1 und Erl. 7.10.3 sowie TVöD PLUS § 33 TVöD, Erl. 8.2.
Diana Hecht, LL.M. oec.
Rechtsanwältin