Bei Überleitung in neue Entgeltordnung aus falscher Entgeltgruppe
Leitsätze:
1. Korrigiert der Arbeitgeber eine unzutreffende Eingruppierung, ist das keine Änderung der Tätigkeit i. S. d. § 29a Abs. 1 S. 1 TVÜ-VKA, die die Tarifautomatik des § 12 TVöD wieder herstellt.
2. Die Antragsfrist des § 29b Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA muss auch bei Korrekturen der Eingruppierung eingehalten werden.
Der Fall
Der Kläger war als Sachbearbeiter Waffenrecht bei der beklagten Kommune tätig. Die Tätigkeit war zunächst nach Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1c Anlage 1a zum BAT-O bewertet. Der Kläger wurde bei Inkrafttreten des TVöD der „kleinen“ Entgeltgruppe 9 zugeordnet. Daraus wurde er zum 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA übergeleitet. Im Mai 2019 begehrte er die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9c. Die Beklagte bezahlte ihn daraufhin rückwirkend zum 1.11.2018 aus der Entgeltgruppe 9b. Der Kläger begehrte mit seiner Klage weiter ein Entgelt aus der Entgeltgruppe 9c. Die Klage blieb erfolglos.
Die Entscheidung
Das BAG hat die Eingruppierungsmerkmale des Teils A Abschnitt I Nr. 3, d. h. die Heraushebung aus der Entgeltgruppe 9b durch besonders verantwortungsvolle Tätigkeit, nicht geprüft. Die Klage scheiterte bereits daran, dass der Kläger den nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA erforderlichen Höhergruppierungsantrag nicht fristgerecht bis zum 31.12.2017 gestellt hatte.
1. Kein Eingreifen der Tarifautomatik des § 12 TVöD/VKA
Das BAG bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, dass nach der Überleitung in die neue Entgeltordnung aufgrund der Regelung in § 29 Abs. 1 S. 1 und § 29c TVÜ-VKA die an sich für Eingruppierungen geltende Tarifautomatik außer Kraft gesetzt war. Die Beschäftigten wurden ohne Überprüfung aus der Entgeltgruppe übergeleitet, in der sie sich am 31.12.2016 befanden. Das galt auch für die Beschäftigten der Entgeltgruppe 9: Die Beschäftigten der „kleinen“ Entgeltgruppe 9 wurden in die Entgeltgruppe 9a und die der „großen“ Entgeltgruppe 9 in die Entgeltgruppe 9b übergeleitet. Für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9c bedurfte es eines fristgerechten Höhergruppierungsantrags.
Die Tarifautomatik greift nur in zwei Fällen (wieder) ein:
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Bei Änderung der Tätigkeit. Dafür genügt es, dass die Eingruppierung überprüft werden muss. Das ist z. B. der Fall bei Änderungen des Tätigkeitszuschnitts, bei neuen Aufgaben oder einer anderen Weise der Aufgabenerledigung. Dass diese Prüfung tatsächlich zu einer anderen Eingruppierung führt, ist dagegen nicht erforderlich.
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Die Tätigkeit bleibt zwar unverändert, die neue Entgeltordnung ordnet die Tätigkeit aber an sich einer höheren Entgeltgruppe zu und die davon erfassten Beschäftigten stellen fristgerecht den Höhergruppierungsantrag nach § 29b Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA.
In allen anderen Fällen bleiben die übergeleiteten Beschäftigten in der Entgeltgruppe, aus der sie übergeleitet worden sind. Das BAG lehnt die Schaffung einer dritten Fallgruppe des (Wieder)Eingreifens der Tarifautomatik bei einer Neubewertung der Tätigkeit ab. Dabei handele es sich nur um einen Akt der Rechtsanwendung, nicht aber um eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit.
2. Geltung der Antragsfrist des § 29b Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA
Die Klage hätte deshalb nur Erfolg haben können, wenn der Kläger die Antragsfrist (Ausschlussfrist) des § 29b Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 29c Abs. 6 TVÜ-VKA gewahrt hätte. Da er den Antrag auf die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9c erst im Jahr 2019 gestellt hatte, musste das BAG prüfen, ob die Frist neu angelaufen war, nachdem die Beklagte im Januar 2020 die Eingruppierung des Klägers korrigiert hatte. Dies hat es verneint. Es hat angenommen, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Fall der Überleitung aus einer unzutreffenden Entgeltgruppe übersehen hätten. Gleichwohl hätten sie – anders als für ruhende Arbeitsverhältnisse (§ 29b Abs. 1 S. 3 TVÜ-VKA) – keine Sonderregelung für diesen Fall geschaffen. Es liege daher eine bewusste Regelungslücke vor, die die Gerichte nicht schließen könnten.
Abschließend musste das BAG prüfen, ob § 29b Abs. 1 S. 2 TVÜ-VKA in dieser Auslegung den allg. Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Auch dies verneint es. Das Antragserfordernis als solches sei zur Sicherung erworbener Besitzstände sachlich vertretbar. Die Tarifvertragsparteien hätten keine Sonderregelung für Beschäftigte, die aus einer unzutreffenden Entgeltgruppe übergeleitet worden seien, schaffen müssen.
3. Ergebnis
Da es der beklagten Kommune auch nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalls verwehrt war, sich auf den Ablauf der Antragsfrist zu berufen, hatte der Kläger nur Anspruch auf das ihm bereits gezahlte Entgelt aus der Entgeltgruppe 9b. Nach dem Eingruppierungsrecht des BAT wäre er selbst bei Erfüllung der von ihm reklamierten Eingruppierungsmerkmale in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a BAT (ohne Aufstieg in Vergütungsgruppe IVa BAT) eingruppiert gewesen. Daraus wäre er 2005 in die „große“ Entgeltgruppe 9 und daraus dann 2017 in die Entgeltgruppe 9b übergeleitet worden.
Karin Spelge
Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht
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