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Außerordentliche Kündigung eines Müllabfuhrmitarbeiters

Unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber, einer Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer wegen grober Beleidigung eines Arbeitskollegen, sexueller Belästigung eines Betriebsratsmitglieds bzw. wegen eines Eigentumsdeliktes zu Lasten des Arbeitgebers außerordentlich Kündigen kann.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

in meinem heutigen Blog darf ich Ihnen von einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.12.2023, Az. 3 Sa 210/23 berichten. Das Gericht hatte sich insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die von der Arbeitgeberin ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet hat?

Sponer † / Steinherr † / Donath / Kapitza † / Wollensak

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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf lagen letztlich drei abgrenzbare Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu Grunde.

Der am 5.7.1992 geborene Kläger ist bei einem kommunalen Entsorgungsunternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Müllabfuhr-Springer beschäftigt. Er ist verheiratet und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtig. Bis zum Ausspruch der Kündigungen waren die Arbeitsleistungen des Klägers beanstandungsfrei. In dem Arbeitsverhältnis gibt es keine Abmahnung.

Nachdem der Kläger am 20.12.2022 seinen privaten PKW auf dem Betriebsparkplatz des Arbeitskollegen C parkte, stellte dieser den Kläger zur Rede. Im Rahmen des Gesprächs soll der Kläger seinen Kollegen als „Bastard“ bezeichnet haben. Zudem soll er am 21.12.2022 auf dessen Auto gespuckt haben. Am 22.12.2022 fand anlässlich der Vorfälle ein Personalgespräch statt, an dem auch zwei Betriebsratsmitglieder (L und U) teilnahmen. Im Rahmen des Gesprächs wies der Kläger die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.

Am selben Tag suchte der Kläger den Besprechungsraum des Betriebsrats auf, indem sich auch die Betriebsratsmitglieder L und U befanden. Nach dem der Kläger den Raum betreten hatte, legte er drei kleine schwarze Pakete auf den Tisch und erklärte, es handele sich um Geschenke. Anschließend verließ er den Raum wieder. In den drei Paketen befanden sich – was von außen jedoch nicht zu erkennen war – jeweils ein Vibrator.

Die Vibratoren – insgesamt handelte es sich um zehn Pakete - hatte der Kläger im Rahmen seiner Müllabfuhrtätigkeit bei dem zur Entsorgung abgestellten Müll vorgefunden. Keines der Pakete wurde unmittelbar der Müllentsorgung zugeführt.

Der Kläger entschuldigte sich für sein Fehlverhalten zeitnah.

Nach ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung sprach die Beklagte mit Schreiben vom 3.1.2023 die fristlose sowie hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.6.2023 aus. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht Essen als auch vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf Erfolg.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe:

  1. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf betont ausdrücklich, dass sowohl die Beleidigung eines Arbeitskollegen als „Bastard“ als auch die sexuelle Belästigung der Betriebsratsmitglieder einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann.

  2. Weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung sei hier jedoch im Hinblick auf die vorzunehmende Interessenabwägung gerechtfertigt gewesen.

    Hinweis! Für den Kläger spreche nach der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf sein beanstandungsfreies Vorverhalten. Darüber hinaus zeige die Entschuldigung des Klägers seine Einsichtsfähigkeit. Damit hätte bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung zukünftiges Fehlverhalten vermieden werden können.

  3. Aufgrund der nicht eindeutigen und auch bislang nicht abschließend geklärten Rechtslage zu den Eigentumsverhältnissen bei am Straßenrand zur Entsorgung abgestelltem Müll, könne dem Kläger auch kein Vorsatz bezüglich eines Eigentumsdelikts nachgewiesen werden. 

Damit war der Kündigungsschutzklage insgesamt stattzugeben.

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Fazit für Sie!

  • Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung müssen Sie insbesondere ein beanstandungsfreies Vorverhalten der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters zu seinen Gunsten berücksichtigen.
  • Entschuldigt sich die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter später für ihr/sein Fehlverhalten bzw. zeigt sie/er tatsächlich Reue so ist dieser Umstand auch zu ihren/seinen Gunsten im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
  • Entsorgungsunternehmen sollten etwa im Rahmen einer Betriebsvereinbarung ausdrücklich regeln, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem bereitgestellten Abfall umzugehen haben.

Herzliche Grüße

Ihr
Boris Hoffmann

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