rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Newsübersicht < Newsbeitrag

Auswahlverfahren: Chancengleiche Behandlung aller Bewerber (BVerwG 26.3.2024 – 2 VR 10.23)

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in der vorliegenden Entscheidung mit der Rechtmäßigkeit eines Auswahlverfahrens zu beschäftigen und hat dabei unter anderem die Bedeutung der chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren hervorgehoben.

Jetzt bewerten!

BVerwG 26.3.2024 – 2 VR 10.23

Leitsätze:

  1. Die Beurteilung der Frage, ob eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung. Nach diesem Zeitpunkt - etwa im Verlauf des Widerspruchsverfahrens - eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen.
  1. Der Bewerbungsverfahrensanspruch verpflichtet den Dienstherrn nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren.
Baßlsperger_rund_mitAbstand_Stoerer_min.png

Blog Beamtenrecht

Dr. Maximilian Baßlsperger

„Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand“. Detailliert, mit großem Sachverstand und gelegentlich auch mit einem Augenzwinkern, liefert Ihnen dieser Blog Informationen aus erster Hand zu aktuellen Themen im Beamtenrecht.

Der Fall:

Gegenstand des Verfahrens ist die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens (mit Vorwirkung) beim Bundesnachrichtendienst.

Im Juli 2023 schrieb die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Dienstposten, den die Antragstellerin als Oberregierungsräten (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) kommissarisch innehat, zur "förderlichen" Besetzung für Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppe A 14 BBesO aus. Die Stellenausschreibung enthält ein konstitutives Anforderungsprofil. Danach bedarf es für die Einbeziehung in das Auswahlverfahren die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes, die Bewährung in mindestens einer regelbeurteilten Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren und Fremdsprachenkenntnisse Englisch entsprechend SLP 2. Auf die Ausschreibung bewarben sich 26 Beamtinnen und Beamte. Die Antragstellerin kam im weiteren Auswahlverfahren nicht zum Zug. Vielmehr wurde die spätere Beigeladene ausgewählt. Den unterlegenen Mitbewerbern/innen wurde das Ergebnis der Auswahlentscheidung am 13.11.2023 mitgeteilt.

Gegen die getroffene Auswahlentscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht am 20.11.2023 Widerspruch eingelegt und nachfolgend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Sie macht insbesondere geltend, die Beigeladene habe die in der Ausschreibung geforderten Englisch-Sprachkenntnisse erst nachträglich erworben und zudem in ihrer vorangegangenen Verwendung als Justiziarin im Stab X nicht die geforderte Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug ausgeübt.

Quiz Beamtenrecht

Kennen Sie sich mit den Besonderheiten im Beamtenrecht aus? Wissen Sie beispielsweise, was passiert, wenn ein verbeamteter Mitarbeiter unterhälftige Teilzeitbeschäftigung begehrt?

Diese und weitere Fragen können Sie in unseren Online-Quizzen lösen. Testen Sie jetzt Ihr Wissen!

18852-HJR-Website-Bebilderung-quiz-icon-freigestellt.png

Die Entscheidung:

Der zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat dem Begehren der Antragstellerin stattgegeben, da die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladen rechtswidrig gewesen sei.

18469-HJR-Website2023-04-RZ-Newsletter.webp

Beste Antworten.

Newsletter Beamtenrecht

Seien Sie zu den beiden Themen Beamtenrecht und Beihilferecht immer informiert und auf den neuesten Stand. Mit Inhalten aus unseren Blogs, Newsbeiträgen und aktuellen Produkten aus dem rehm-Shop.

1. Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO

Der Antragstellerin stehe zunächst ein Anordnungsgrund zu. Zwar sei Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amts, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn die/der unterlegene Bewerber/in unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an der Ausschöpfung ihrer/seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre.  Mit der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens sei auch keine "Anwartschaft" oder in sonstiger Weise rechtlich gesicherte Position im Hinblick auf die Vergabe des höherwertigeren Statusamts verbunden. Denn die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens begründe keinen Anspruch auf Beförderung.

Gleichwohl vermöge die Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe die Rechtsstellung der Antragstellerin zu beeinträchtigen, da diese Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten könne. Denn der von der Antragsgegnerin zur Neubesetzung vorgesehen Dienstposten stelle für die Antragstellerin ein höherwertiger Dienstposten dar.

2. Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO)

Das Bundesverwaltungsgericht bemängelte in erster Linie, dass die Beigeladene in das Auswahlverfahren überhaupt mit einbezogen worden sei, da die geforderte regelbeurteilte Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren nicht angenommen werden könne. Im Einzelnen führte der erkennende Senat Folgendes aus:


a) Zeitpunkt der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung

Maßgebend für die Frage, ob eine beamtenrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte einer Bewerberin oder eines Bewerbers verletzt sei immer und alleine die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung.

Die wesentlichen Auswahlerwägungen hat der Dienstherr schriftlich zu dokumentieren, um eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung zu ermöglichen. Den Abschluss des Auswahlverfahrens bringt die Behörde durch die Bekanntgabe der ausgewählten Person verbunden mit der ablehnenden Bescheidung der weiteren Bewerber in der sog. Konkurrentenmitteilung zum Ausdruck.


b) Gebot der Chancengleichheit

Der aus Art. 33 Abs. 2 GG abzuleitende Bewerbungsverfahrensanspruch beinhalte zweierlei. Zum einen sei der Dienstherr zur leistungsgerechten Auswahl verpflichtet. Zum anderen sei er zur chancengleichen Behandlung aller Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren angehalten.

Das Gebot der Chancengleichheit gebiete es nach der Auffassung des zweiten Senats aber nicht, die von der Antragstellerin erst nach dem Ablauf der Bewerbungsfrist abgelegte Aktualisierungsprüfung für die Fremdsprachenkenntnisse zu berücksichtigen, da ein „aktueller“ Sprachtest in der Ausschreibung nicht gefordert worden sei.


c) Konstitutive Anforderungsprofil

Das der Stellenausschreibung zugrunde gelegene konstitutive Anforderungsprofil sei nicht zu beanstanden, obwohl es auf besondere Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens abgestellt habe.

Hier sei es jedoch so, dass die Wahrnehmung der Aufgaben des zu vergebenden Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetze (Fremdsprachenkenntnisse, praktische Berufserfahrung), die ein/e Laufbahnbewerber/in regelmäßig nicht mitbringe und sich auch in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen könne.

Die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen sei daher rechtswidrig, weil die Vorverwendung der Beigeladenen nicht als "Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug" angesehen werden könne.

Prof. Dr. Boris Hoffmann

Weiterlesen für mehr Informationen? Den ganzen Beitrag finden Sie in der Contentbox „Aktuelles zur Personalarbeit“. Diese ist Bestandteil mehrerer rehm eLine Produkte.

Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
SX_LOGIN_LAYER