Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in der freien Wirtschaft werden Bewerber seit langem nicht nur aufgrund von Zeugnissen und den hierin erzielten und dargelegten Ergebnissen ausgewählt. Man bedient sich anderer Methoden, wie „Assessment-Center“, „strukturierter Interviews“ und „differenzierter Auswahlgespräche“. Diese Auswahlmöglichkeiten sollen nun auch im Berufsbeamtentum Anwendung finden und an die Stelle des bisher üblichen Auswahlverfahrens treten. Diese neuen Personalgewinnungsmethoden werden sowohl bei Einstellungen in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, als auch bei Stellenbesetzungen angewandt. Sie haben bereits Einzug in beamtenrechtliche Gesetze genommen.
1. Laufbahnrecht
Als Beispiel einer entsprechenden Anwendung von Personalauswahlmethoden für das Laufbahnrecht bestimmt in Bayern Art. 16 Abs. 1 Satz 2 LlbG:
„Das Vorliegen der persönlichen Eignung für öffentliche Ämter, insbesondere soziale Kompetenz, Kommunikationskompetenz sowie Organisationskompetenz kann Gegenstand von Prüfungen nach Satz 1 oder eines gesonderten wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahrens, insbesondere eines Assessment-Centers oder eines strukturierten Interviews, sein.“
Dabei ergeben sich nach dem ersten Anschein zumindest für die erstmalige Ernennung durchaus positive Aspekte solcher neuer Methoden.1 Selbst wenn – wie in Bayern – eine rechtliche Grundlage für entsprechende Auswahlverfahren besteht, so ist eine Entscheidung über eine spätere Ernennung allein auf der Grundlage eines solchen ausschließlich subjektiven Verfahrens aber als Verstoß gegen das Leistungsprinzip rechtswidrig. Das Ergebnis des Auswahlverfahrens kann nur „geeignet“ oder „nicht geeignet“ sein.
Nach den Entscheidungen des OVG Münster vom 3.9.2009 (ZBR 2010, S. 314 und des VG Düsseldorf vom 16.7.2010 Az.: 2 L 523/10 – juris) ist die Ablehnung eines Bewerbers rechtswidrig, wenn die auf Grund eines Assessmentverfahrens getroffene Auswahlentschei-dung nicht ausreichend begründet und dokumentiert wird. Die in einem Assessment-Center gewonnenen Werturteile müssen in einem Rechtsstreit vom Verwaltungsgericht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden können. Aus den im Prozess vom Dienstherrn vorzulegenden Unterlagen müssen sich eindeutig die Beachtung gültiger Wertmaßstäbe, das Fehlen sachwidriger Erwägungen und die Einhaltung gleicher Verfahrensvorschriften für alle Verfahren ergeben. Das OVG Münster stellt hierfür sehr enge Grenzen auf. So genügt die bloße Mitteilung von in Punktzahlen ausgedrückten Endergebnissen den gesetzlichen Anforderungen an die Begründungspflicht nicht. Offengelegt werden müssen vielmehr auch sämtliche Bewertungsbögen.
Wie sehr hier selbst von Seiten des Gesetzgebers eine immer gravierendere Subjektivität sanktioniert wird, das zeigt sich am Beispiel des Laufbahnrechts im Freistaat Bayern: Hier galt bisher mit Art. 16 Abs. 1 Satz 3 LlbG folgende Regelung:
„Grundlagen für die Einschätzung können neben der dienstlichen Beurteilung auch Personalauswahlgespräche, strukturierte Interviews oder andere wissenschaftliche Auswahlverfahren sein.“
2. Die Rechtsprechung des BayVGH
Der BayVGH hatte am 17.5.2013 (Az.: 3 CE 12. 2470 – juris) mit der herrschenden Meinung (vgl.: Zängl in: Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 16 LlbG Rn. 17; Günter, RiA 2013, 57; Baßlsperger, ZBR 2014, 73) hierzu entschieden, dass für einen Leistungsvergleich zwischen Bewerbern (sofern der Ausschreibung kein konstitutives Anforderungsprofil zugrunde liegt) neben den vorrangig heranzuziehenden, umfassend inhaltlich auszuwertenden (aktuellen sowie früheren) dienstlichen Beurteilungen sonstige Auswahlverfahren herangezogen werden können. „Neben“ bedeute eben nicht „gleichrangig“. Die gegenteilige in der Literatur zu dieser Vorschrift vertretene Meinung wurde vom BayVGH ausdrücklich verworfen.
Aufgrund dieser Entscheidung wurde die Vorschrift mit § 4 des Gesetzes vom 24. Juli 2013 GVBl. S. 452 geändert. Jetzt bestimmt Art. 16 Abs. 1 LlbG für das bayerische Landesrecht:
“… Grundlagen für die Entscheidung des Dienstherrn können dienstliche Beurteilungen und wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren, wie insbesondere systematisierte Personalauswahlgespräche, strukturierte Interviews oder Assessment-Center sein, sofern diese von Auswahlkommissionen durchgeführt werden. Werden für eine Auswahlentscheidung dienstliche Beurteilungen sowie weitere verschiedene Auswahlmethoden nach verwandt, bestimmt der Dienstherr die Gewichtung.“
Zängl2 bezeichnet diese Gesetzesänderung ausdrücklich als
Affront gegenüber dem BayVGH.
3. Rechtliche und tatsächliche Bedenken
Hier ergeben sich gravierende Bedenken gegen diese Handhabung der Personalauswahlsysteme in Bezug auf eine Ämterpatronage, denn die genannten Personalauswahlsysteme stellen lediglich auf Momentaufnahmen ab. Sie betreffen deshalb naturgemäß nur einen Teil der Anforderungen, die an die Bewerber zur Erfüllung der im konkret zu besetzenden Dienstposten gestellt werden und können über wichtige Eigenschaften, wie die Nachhaltigkeit der gezeigten Leistungen oder den Leistungswillen der einzelnen Bewerber keinen Aufschluss geben. Nicht zuletzt werden von den neuen Systemen diejenigen bevorzugt, denen es trotz sonst „durchschnittlicher“ Leistungen kraft ihrer Persönlichkeit oder durch entsprechende „Traineemaßnahmen“ gelingt, einen Vorteil zu erreichen. Günther3 spricht im Zusammenhang mit Assessment-Centern sehr anschaulich von
„potenziell blendenden Kurzzeitdarstellern“.
4. Selbsternannte Auswahlspezialisten
Bei der Personalauswahl geht es darum, eine Entscheidung mit größtmöglicher Objektivität und Vergleichbarkeit zu treffen. Der Rechtsanspruch von Bewerbern auf eine sachgerechte und willkürfreie Behandlung nach Art. 33 Abs. 2 GG muss gewährleitet bleiben. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn personelle Entscheidungen von selbsternannten Auswahlspezialisten in Ministerien und anderen Behörden nach Gutdünken getroffen werden.
Hierin besteht eine neue, nicht zu unterschätzende Form der Ämterpatronage, die ihre „good-will“ Entscheidungen als „normal“ und gesetzeskonform einstuft.
Fazit:
Der Beamtenapparat ist seit vielen Jahren der Garant für Stabilität und Kontinuität und damit für Faktoren, die in unserer Demokratie so überaus wichtig sind. Das Berufsbeamtentum zeichnet sich gerade durch das Vertrauen der Bürger in seine Integrität aus. Dieses Vertrauen beginnt aber bereits bei der Auswahl unter verschiedenen Bewerbern.
Die Leistungskraft der Verwaltung hängt nach wie vor wesentlich davon ab, inwieweit Amigobeziehungen und Seilschaften, Ämterpatronage und Nepotismus bei Ernennungen und Ämterübertragungen ausgeschlossen werden können. Dabei sollte man aber keinesfalls außer Acht lassen, dass neben einer partei- und verbandspolitischen Ämterpatronage auch in anderen Bereichen gravierende Verstöße gegen das den Beamten verfassungsrechtlich gewährleistete Leistungsprinzip drohen.
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge:
Zu Art. 16 LlbG:
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 16 LlbG Rn. 26 ff.
Keck in Keck/Puchta/Konrad, Laufbahnrecht in Bayern, Art 16 LlbG, Rn. 11 ff.
1 Vgl.: Baßlsperger, ZBR 2014, 73 ff.; Zeugnisse sind nicht immer auschlaggebend: Ein guter Schüler muss nicht automatisch auch ein guter Beamter werden.
2 Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 16 LlbG, Rn. 26
3 RiA 2013, 57 (60).
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