rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

BAMF: Die Katastrophenbehörde – auch aus beamtenrechtlicher Sicht!

96 Bewertungen

Und wieder steht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Kritik: Nicht nur, dass es dort zu „Ungereimtheiten“ oder gar Rechtswidrigkeiten bei der Anerkennung kam, auch die „Versetzung“ der Beamtin Josefa Schmid, die als neue Behördenleiterin wesentlich zur weiteren Aufdeckung des Skandals beitragen wollte, ist durchaus bedenklich.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die frühere Leiterin der Außenstelle Bremen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge soll in mehr als 1200 Fällen Asylanträge positiv beschieden haben, obwohl es dafür keinerlei rechtliche Grundlage gab. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Bremen.1 Die Beamtin ist deshalb vom Dienst suspendiert worden. Sie soll mit drei Rechtsanwälten zusammengearbeitet haben, die ihr offenbar systematisch Asylbewerber zugeführt haben. Diese Bewerber sollen zunächst in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemeldet worden sein, wo ihre Anerkennungsanträge aber schlechtere Aussichten gehabt haben sollen. Mehrere Zeitschriften und Fernsehsender berichteten darüber ausführlich. Es wurde eine Nachfolgerin aus Niederbayern bestimmt.

Dabei sind folgende Punkte von nicht unerheblicher Bedeutung:

1. Angestellte auf Zeit oder Beamte?

Das Amt beschäftigt eine große Zahl von Angestellten auf Zeit. Für die Tätigkeit als „Anhörer“ – angeblich nicht als Entscheidungsträger – seien, so die Behörde, neue Mitarbeiter drei Wochen lang geschult und dann an ihren Arbeitsplätzen weitergebildet worden.2 Rund sechs Prozent der Arbeitsverträge seien dennoch auf Grundlage der Probezeitregelung wieder gekündigt worden. 800 Verträge wurden allerdings auf zwei Jahre verlängert. Diese „glücklichen“ Kollegen erfüllten nach dem BAMF die dafür nötigen Voraussetzungen, weil sie einen verwaltungsnahen Hochschulabschluss oder langjährige Verwaltungserfahrung aufweisen konnten, um am Ende des Asylverfahrens auch über eine Anerkennung oder Ablehnung entscheiden zu können. Die restlichen rund 1000 Verträge liefen den Angaben zufolge nach den ersten sechs Monaten aus. Insgesamt hat das BAMF im Jahr 2017 etwa 6500 neue Mitarbeiter eingestellt.3

Ulrich Mäurer (Bremens Innensenator) warf dem Bund in dem Fall eine „unterirdische Kommunikation“ mit der Behörde vor Ort vor. Die gesamte Verantwortung liege beim Bund. Er habe außerdem Zweifel, dass man in der BAMF-Zentrale überhaupt wisse, was in den Außenstellen laufe.4 „Der (Bundes-)Innenminister hat der Asylbehörde eine Aufgabe gegeben, die sie mangels Personal gar nicht bewältigen kann. Also wird weiterhin schlampig geprüft.“5

Das Problem scheint hier immer dasselbe zu sein: Mangels ausreichenden und qualifizierten Personals können die öffentlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt werden.

Hier wird aber auch wieder einmal deutlich: Beamte unterliegen einem besonderem Dienst- und Treueverhältnis. Wird an Beamten gespart, so zahlt die Allgemeinheit die Zeche (siehe dazu schon den Beitrag: Falsche Einstellungspolitik führt zu Milliardenverlust!)

2. Der Skandal schlechthin

Die Bremer Staatsanwaltschaft hat mittlerweile den Zugang zum Büro von Josefa Schmid gesperrt. An Schmids Bürotür sei demnach ein Siegel angebracht worden. Damit wolle die Ermittlungsbehörde „offensichtlich ausschließen, dass Unterlagen oder Recherchen Schmids weggebracht werden können, die für die Aufarbeitung der Bremer Asylaffäre relevant sein könnten“.6

Man fragt sich: Was muss das für eine Behörde sein, bei der es erforderlich ist, Diensträume zu versiegeln, um Straftaten ihrer Beschäftigten zu verhindern?

Eine Behörde ist und bleibt nach § 1 Abs. 2 VwVfG eine staatliche Einrichtung, die für die Erfüllung von gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben der Verwaltung des Staates zuständig ist. Sie erhält ihren Auftrag aus den Gesetzen des Staates, in dem und für den sie tätig ist. Wenn die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Exekutive durch strafrechtliche Maßnahmen geschützt werden muss, dann rechtfertigt das die Bezeichnung „Katastrophenbehörde“.

Und gerade hier zeigt sich die Bedeutung des Berufsbeamtentums für jegliches staatliche Handeln – sei es im Eingriffs- oder im Leistungsbereich:

Die Staatsfunktionen und die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns werden durch Beamte gegen den Eigennutz, die Subjektivität, und gegen politische und gesellschaftliche Vorgaben geschützt.7

3. Umsetzung ohne richtige Begründung

Josefa Schmid wurde daraufhin als Bundesbeamtin zu ihrer alten Dienststelle, der Außenstelle des BAMF in Deggendorf, „rückumgesetzt“. Nach bisher nahezu einhelliger Meinung liegt auch bei einer solchen Umsetzung eine verwaltungsinterne Maßnahme ohne Außenwirkung und damit eben kein Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG vor.8 Siehe dazu den Beitrag: Der Verwaltungsakt im Beamtenrecht – Teil I: Außenwirkung.

Das BAMF gab an, man wolle die Beamtin durch die Umsetzung vor der Öffentlichkeit schützen. So jedenfalls erklärte die für die Umsetzung zuständige Zentrale des Bundesamts die Abberufung von Josefa Schmid als Leiterin der Bremer Außenstelle.9 Schmid will aber gar nicht geschützt werden, sondern sie wehrte sich dagegen vor dem VG Bremen mit einem Eilantrag – allerdings ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hatte Schmids Eilantrag abgelehnt, unter anderem, weil sie nicht glaubhaft dargelegt habe, dass ihr durch die Versetzung schwere und unzumutbare Nachteile drohten.

Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Auch Umsetzungen bilden keinen rechtsfreien Raum, in dem der Dienstherr nach Gutdünken frei verfahren kann. Die Zeiten des „Besonderen Gewaltverhältnisses“, bei welchem man sich als Beamter nicht gegen willkürliche Maßnahmen seiner Behörde wehren konnte, sind längst abgelaufen. Es bedarf vielmehr auch hier schon nach dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG eines sachlichen Grundes. Dabei genügt allerdings ein sachlicher organisatorischer Grund, da sich der Beamte in einem Dienst- und Treueverhältnis (Art. 33 Abs. 4 GG) befindet. Vorgeschobene Gründe – wie in dem hier zugrundeliegenden Fall – dürfen nicht für die Rechtmäßigkeit einer Umsetzung genügen.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
_____________________________

1 https://www.tagesspiegel.de/politik/bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-leitende-bamf-mitarbeiterin-unter-korruptionsverdacht/21196244.html
2 https://www.tagesschau.de/inland/bamf-mitarbeiter-103.html
3 https://www.tagesschau.de/inland/bamf-mitarbeiter-103.html
4 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-04/asylverfahren-bamf-bremen-leitung-urkundenfaelschung
5 https://www.zeit.de/2017/29/bamf-asylpolitik-asylantraege-fluechtlinge-pruefung/seite-2
6 https://www.n-tv.de/politik/Staatsanwaltschaft-versiegelt-Bamf-Buero-article20427693.html
7 Siehe hierzu den Beitrag: Zum Selbstverständnis des Berufsbeamten.
8 Hierzu erfolgt später ein weiterer Beitrag.
9 https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-josefa-schmid-wehrt-sich-weiter-gegen-versetzung-_arid,1729024.html


Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:


Näheres zum Behördenbegriff finden sie bei
Giehl/Adolph/Käs, Art. 1 BayVwVfG, Rn. 56 ff.


Zum Beamtenverhältnis siehe:

  • Weiß/Niedermaier/Summer, § 3 Rn. 1 ff. BeamtStG

  • Schütz/Maiwald, § 3 Rn. 1 ff. BeamtStG

  • v. Roetteken/Rothländer, HBR, § 3 Rn. 1 ff. BeamtStG

Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 05.06.2018 um 16:43:
Es mag zwar richtig sein, dass Angestellte auf Zeit genauso gut arbeiten, wie Lebenszeitbeamte, aber bei so immens wichtigen hoheitlichen Aufgaben gehören kraft ihrer verfassungsrechtlichen Stellung abgesicherte und nur an Recht und Gesetz gebundene Beamte an die für Entscheidungen zuständigen Positionen und nicht Beschäftigte, die um ihre Vertragsverlängerung fürchten müssen. Dafür hätte das Innenministerium sorgen müssen. Aber wenn es stimmt, dass sogar der zuständige Staatssekretär Stefan Mayer seine Anwesenheit im Parlament vorgetäuscht hat, dann braucht sich niemand mehr zu wundern!
kommentiert am 04.06.2018 um 07:41:
Der Fisch stinkt immer am Kopf - und das ist und bleibt das Innenministerium in Berlin!
banner-beamtenrecht.png
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
SX_LOGIN_LAYER