Der Summeneffekt im Beamtenrecht
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
für die Entscheidungen der Personalverwaltungen – und damit für die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte – ist der „Summeneffekt“ zunächst bei der Ablehnung von Bewerbern und bei der Beendigung von Beamtenverhältnissen maßgeblich. Darüber hinaus findet man diesen Effekt aber auch noch in anderen Zusammenhängen.
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Ablehnung von Bewerbern: Grundlage für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue müssen nach einer Entscheidung des VG München vom 11.01.20121 tatsächliche Umstände sein, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit (sog. „Summeneffekt“) von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnisse an der künftigen Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen, wobei der Dienstherr die materielle Beweislast trägt. Schon die frühere Mitgliedschaft und ein andauerndes Engagement eines Beamten für eine verfassungsgefährdende Vereinigung sowie die auf seinem Laptop gefundenen, teils selbst verfassten Texte mit eindeutig radikaler Diktion, „sind in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) mit Blick auf die erforderliche Evidenz und Dichte geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue aufzuwerfen.“
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„Entlassung von Beamten auf Widerruf und auf Probe: Entlassungsgründe sind zum Beispiel: mangelnde persönliche Eignung (z. B. mangelnde Verfassungstreue); mangelnde charakterliche Eignung (z. B. die Weigerung, Weisungen zu befolgen); mangelnde gesundheitliche Eignung; Leistungsmängel. Dabei besteht ein sog. „Summeneffekt“: Mehrere Verstöße des Beamten können zusammengefasst und von der Ernennungsbehörde (= Entlassungsbehörde) als Entlassungsgrund herangezogen werden. Das ist etwa der Fall, wenn ein Anwärter trotz Abmahnung sein Fehlverhalten wiederholt an den Tag gelegt hat. Ein solches Fehlverhalten kann etwa in der fehlenden Pünktlichkeit, im Zweifel an der Wahrheitstreue, in der Weigerung, Weisungen von Vorgesetzten zu befolgen, in einer schlampigen Arbeitsweise oder in den Schwierigkeiten im Umgang mit Alkohol liegen. Es genügen dabei – wie bei einem Beamten auf Probe (siehe oben) bereits berechtigte Zweifel, ob der Beamte die Eignung für eine Weiterbeschäftigung besitzt.2
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Personalaktenrecht: Für die Aufnahme von Vorgängen in die Personalakten des Beamten genügt es nach dem BVerwG3, wenn sie – etwa bei weiteren gleichartigen Vorkommnissen – zu späteren disziplinarrechtlichen Maßnahmen Anlass geben können („Summeneffekt“).
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Disziplinarrecht: Von ganz besonderer Bedeutung ist der Summeneffekt aber im Disziplinarrecht und zwar in Hinblick auf die Einheit des Dienstvergehens. So bestimmen § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG für Landesbeamte und § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG für Bundesbeamte übereinstimmend:
„Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen.“
Der sich hieraus ergebende Grundsatz der „Einheit des Dienstvergehens“ bedeutet:
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Mehrere Pflichtverletzungen eines Beamten bilden ein einheitliches Dienstvergehen.
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Alle Vergehen sind in einem einzigen Verfahren zu verfolgen.
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Für alle Verstöße darf nur eine einzige – einheitliche – Disziplinarmaßnahme verhängt werden.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 Az.: M 5 K 10. 2856.
2 Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht, Kapitel 10, Rn. 93.
3 BVerwG vom 31.1.1980, Az.: 2 C 5 / 78.
Siehe dazu auch die Beiträge:
Zum Einheit des Dienstvergehens vgl.:
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Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht (print), Kapitel 14 Rn. 22 ff.
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Baßlsperger, Einführung in das neue Beamtenrecht, (online) Kapitel 15 Rn. 22 ff.
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Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 47 BeamtStG, Rn. 34 ff.
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Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 19 BDG Rz. 12.
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Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht. MatR/ I, Rn. 62 ff.
Zum Summeneffekt vgl.:
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Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht (print), Kapitel 10 Rn. 93.
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Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht (online), Kapitel 10 Rn. 93

