Gnadenrecht (Teil I)

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Das Gnadenrecht ist in der Verfassung verankert. Dieses aus den Zeiten der Monarchien stammende Sonderrecht stieß bereits bei Immanuel Kant auf Unverständnis. Auch heute noch ergeben sich hieraus eine Reihe von Problemkreisen und offenen Fragen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

schon Immanuel Kant nannte das Begnadigungsrecht (ius aggratiandi)

„das schlüpfrigste unter allen Rechten des Souveräns, das nur besteht um den Glanz seiner Hoheit zu beweisen“.

Das Gnadenrecht der obersten Staatsorgane (Bundes- und Ministerpräsident eines Bundeslandes) besteht auch heute noch und das nicht nur für Straftäter, sondern – was viele nicht wissen – nach § 43 BBG für Bundesbeamte und den entsprechenden Landesbeamtengesetzen auch für Landes- und Kommunalbeamte (z.B. Art. 61 BayBG) und zwar in den Fällen des Verlustes der Beamtenrechte (§ 41 BBG und § 21 BeamtStG).

Das gesamte Gnadenrecht findet seine verfassungsrechtliche Grundlage zum einen in Art. 60 Abs. 2 GG und zum anderen in den Landesverfassungen (z.B. Art. 47 BV).

1. Sinn und Zweck des Gnadenrechts

Zweck des Begnadigungsrechts ist es auch heute noch, Härten und ggf. auftretende Unbilligkeiten einer strafgerichtlichen Entscheidung zu beseitigen und ggf. auch eine spätere Lebensentwicklung zu berücksichtigen.

Was zunächst zum Zeitpunkt der ursprünglichen Gerichtsentscheidung als gerechtes Urteil erschien, kann einige Jahre später ganz anders gesehen werden, weil sich etwa die Lebensverhältnisse und Anschauungen oder vielleicht sogar die materiellen Rechtsgrundlagen geändert haben. Denkbar ist auch ein moralisches Entgegenkommen auf dem Gnadenweg, weil sich der Betroffene und seine Persönlichkeit positiv entwickelt haben und deshalb neue Umstände eingetreten sind.

Man muss das Gnadenrecht als moralische Komponente unseres Rechtssystems sehen, mit welcher besondere Härten dort ausgeglichen werden können, wo das Gesetz dies nicht mehr zulässt.

Allgemein betrachtet ist die Begnadigung ein Staatshoheitsakt, der im Einzelfall die Rechtsfolgen rechtskräftiger, an ein persönliches Fehlverhalten geknüpfter gerichtlicher Entscheidungen aus einem Strafverfahren oder dem Strafverfahren ähnlichen gerichtlichen Verfahren beseitigt oder abmildert.

Das Begriffsmerkmal der Einzelentscheidung schafft dabei die Abgrenzung zu den von der Verfassung nicht vorgesehenen und deshalb nicht zulässigen Instrumenten der  Amnestie und des Abolitionsrechts (Niederschlagung noch nicht abgeschlossener Strafverfahren).

2. Gnadenrecht und Rechtsstaat

Gnade ist kein Recht. Dem Rechtsstaat steht das Gnadenrecht im Grunde als Fremdkörper vom Ansatz her diametral entgegen, weil sich Gerechtigkeit gerade in einem (berechenbaren) Recht und nicht außerhalb des Rechts mainifestiert. Man muss einen Gnadenerweis vor allem dann grundsätzlich ablehnen, wenn man an die Vollkommenheit des Rechts glaubt oder wenn man den Gnadenentscheidungen des Staatsoberhauptes misstraut. Dies ist die logische Folge, wenn man keine anderen Werte als Recht und Gerechtigkeit gelten lässt.

Die Gnadenorgane haben dabei grundsätzlich den von einem Gericht festgestellten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen. Sie können und dürfen den Prozess nicht erneut  aufrollen, denn sie sind keine über der Gerichtsbarkeit stehende höchste Instanz. Das Gnadenrecht ist verfassungsmäßig garantiert, steht aber im Grunde außerhalb der sonstigen verfassungsmäßigen Ordnung. Gleichwohl müssen Gnadenentscheidungen den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegen. Eine solche Bindung wird sich zumindest aus dem Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und (beim Widerruf eines Gnadenerweises) auch aus dem Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ableiten lassen. 

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip, weil das Gnadenrecht des Staatsoberhauptes diesem die Möglichkeit einräumt, über den staatlichen Strafausspruch der Strafgerichtsbarkeit und im Fall des Verlustes der Beamtenrechte auch gegen dessen gesetzliche Folgen zu verfügen. Diese dem Gnadenrecht immanente Folge besteht unabhängig davon, ob man den Aufgabenbereich des Ministerpräsidenten der Exekutive oder einem dem Staatsoberhaupt zustehenden Sonderstatus zuordnet.


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


Lesen Sie dazu auch die Beiträge:


Literaturhinweis:

Lexikon Beamtenrecht, Stichwörter: Gnadenerweis, Verlust der Beamtenrechte

Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, Art. 61 BayBG, Rn. 1ff.

v. Roetteken/Rothländer, HBR, § 32 HBG, Rn. 1ff.

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