Lehrverpflichtung: Sind Lehrer nur vollbezahlte Teilzeitkräfte?

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Das OVG Lüneburg hat in seiner Entscheidung vom 22.9.2022 (Az.: 5 LB 133/20) zu der Frage der Arbeitszeit von Lehrern detailliert Stellung bezogen. Mit den folgenden Ausführungen soll der Beitrag der vergangenen Woche mit dem Titel Bayern wirbt: „Werden Sie Lehrer mit Beamtenstatus!“ ergänzt, aber auch vertieft werden.

Liebe Leserin, lieber Leser,

das OVG Lüneburg stellt in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung fest:

1. Die Dienstleistungen, die verbeamtete Lehrkräfte an öffentlichen Schulen im Rahmen der für alle Beamten geltenden regelmäßigen Arbeitszeit zu erbringen haben, umfassen zwei Komponenten:

a) den Bereich der Erteilung von Unterrichtsstunden sowie

b) den Bereich der sogenannten außerunterrichtlichen Verpflichtungen, die sich etwa auf die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie auf Korrekturtätigkeiten, Konferenzen, Elterngespräche, Klassenfahrten und anderes erstrecken.

Der zeitliche Umfang der unter b) bezeichneten Tätigkeiten ist naturgemäß nicht exakt messbar. Er hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der Schulform (Grundschule oder Gymnasium), der Zahl der zu betreuenden Schüler, aber nicht zuletzt auch von den individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Lehrperson.


2. Mit der Festsetzung der Regelstundenzahl bringt der Dienstherr seine Einschätzung zum Ausdruck, dass diese Zahl der Unterrichtsstunden einschließlich Vor- und Nachbereitung, Korrekturen sowie sonstiger Tätigkeiten, die außerhalb des Unterrichts anfallen, dem Arbeitsaufwand entspricht, den jeder Beamte im Jahresdurchschnitt wöchentlich zu bewältigen hat.

Entscheidend ist dabei: Für die Beantwortung der Frage, ob die von den Lehrkräften verlangte Arbeitsleistung über den Rahmen der allgemein für Beamte geltenden Arbeitszeitregelung hinausgeht, kommt es nicht auf die Ansicht einzelner Lehrkräfte darüber an, welcher Zeitaufwand zur Bewältigung ihrer Aufgaben notwendig und zweckmäßig ist, sondern auf die vom Dienstherrn aufgrund der bestehenden Arbeitszeitverordnung geforderte, durchschnittlich zu erbringende Arbeitsleistung (BVerwG, Urteil vom 29.11.1979 – Az.: 2 C 40.77).

Anders ausgedrückt: Mit der Regelstundenzahl bringt der Verordnungsgeber und Dienstherr seine Einschätzung zum Ausdruck, dass die Zahl der jeweils vorgegebenen Unterrichtsstunden einschließlich der sonstigen Tätigkeit außerhalb des Unterrichts dem nach der jeweiligen Arbeitszeitverordnung vorgegebenen wöchentlichen Dienstzeit der anderen Beamten entspricht.


3. Der zeitliche Aufwand für Vor- und Nachbereitungsarbeiten, für Korrekturen oder Elterngespräche etc. (siehe oben) ist – wie bereits erwähnt – nicht exakt messbar. Er hängt von verschiedenen Faktoren, wie etwa der Schulform (Grundschule oder Gymnasium), der Zahl der zu betreuenden Schüler, aber natürlich auch von den individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Lehrperson ab.

Der gesamte zeitliche Aufwand wird durch die von der jeweiligen Verordnung bestimmten Regelstundenzahl auf diese Weise in die allgemein für Beamte bestimmte Wochenarbeitszeit „eingebettet“ (BVerwG v. 28.1.2004 – Az.: 2 C 19.03).

Wichtig: Die Pflichtstundenzahl unterliegt dabei dem Gestaltungs- bzw. Ermessensspielraum des Verordnungsgebers (OVG NRW v. 20.10.2011, Az.: 6 A 2173/09).

Dabei stellen die Schulart und die dadurch bezweckten Ausbildungsziele sachliche Differenzierungsmerkmale dar.

Beispiel:

Im Ergebnis wird die Pflichtstundenzahl eines Grundschullehrers deshalb höher anzusetzen sein, als die eines Gymnasiallehrers.


4. Kritik:

Die Lehrtätigkeit an einer Grundschule mit hohem Ausländeranteil gestaltet sich erfahrungsgemäß wesentlich schwieriger als der Unterricht eines Turn- oder Geschichtslehrers an einer höheren Schule, was gerade eine umgekehrte Festlegung der Pflichtstunden erforderlich machen würde!

Hierzu hat das OVG Lüneburg (OVG Lüneburg v. 4.7.2022, Az.: 5 LA 84/21) aber entschieden, dass einzelne Aufgabenbereiche von Lehrkörpern nicht isoliert betrachtet werden können und vielmehr (nur) auf die jeweilige Schulform abzustellen ist.


5. Beförderungen

Wird ein Lehrer etwa vom Studienrat zum Oberstudienrat befördert, so kann der Dienstherr erwarten, dass die mit dem Beförderungsamt verbundenen Funktionen (Beispiel: Fachgruppenleitung) und die damit verbundenen Mehrbelastungen durch eine planvolle und effiziente Eigenorganisation des Beamten bewältigt werden kann. Deshalb kann auch bei einem zusätzlichen Arbeitsaufwand nicht von einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder gegen die dem Dienstherrn obliegende Fürsorgepflicht ausgegangen werden (OVG Lüneburg v. 8.10.2020, Az.: 5 LA 147/19).


6. Sonderleistungen

Für solche besonderen Leistungen, die ein Lehrkörper außerhalb der in der Stellenbeschreibung ausgewiesenen oder typischerweise anfallenden Zusatztätigkeiten durch Anordnung des Dienstvorgesetzten regelmäßig zu erbringen hat, kann eine Reduzierung der Pflichtstunden dann infrage kommen, wenn die dafür anfallende Arbeitszeit nicht durch eine vom Beamten zu erbringende Mehrarbeit bereits abgedeckt wird.


7. Hinweis:

Siehe zu diesem Thema insbesondere etwa auch die

Verordnung über die Unterrichtspflichtzeit in Bayern (Unterrichtspflichtzeitverordnung – BayUPZV) vom 11. September 2018 (GVBl. S. 724)

  • abgedruckt bei Weiß/Niedermaier/Summer in Teil II/B 1.2.5

Hier sind die regelmäßig zu leistenden Unterrichtszeiten detailliert festgelegt.


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


Lesen Sie dazu auch die Beiträge:


Literaturhinweis:

  • Lexikon Beamtenrecht, Stichwort: Lehrverpflichtung
  • Weiß/Niedermaier/Summer: Art. 87 BayBG Rn. 41ff.

Der nächste Beitrag in dieser Reihe erscheint am 12. Juni 2023

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