Liebe Leserin, lieber Leser,
der alles entscheidende Inzidenzwert des RKI liegt mittlerweile in Deutschland in einigen Ländern in einem kaum mehr wahrnehmbaren Bereich und in manchen Regionen bereits bei „Null“. Gleichwohl gilt in vielen Ländern immer noch für Schüler die Pflicht, Masken zu tragen – und das selbst dann, wenn die Temperaturen die Marke von 30 Grad weit überschreiten.
Es stellt sich damit die Frage, wie sich der einzelne Lehrer hier zu verhalten hat und insbesondere, ob er seinen Schülern gestatten kann, die Masken abzunehmen.
Zunächst ist festzustellen, dass den Ländern die Gesetzgebungshoheit über den Schulbereich zusteht. Hieraus ergeben sich die völlig unterschiedlichen (und unverständlichen) Regelungen für das Tragen einer Schutzmaske im Unterricht. In einigen Ländern ist diese gesetzliche Anordnung bereits aufgehoben.
Besteht aber immer noch eine solche Maskenpflicht kraft einer Landesverordnung, so hat der Lehrer über das Einhalten der gesetzlichen Vorgabe zu achten, denn für die Rechtmäßigkeit aller dienstlichen Handlungen des Beamten trägt er selbst die volle persönliche Verantwortung (§ 36 Abs. 1 BeamtStG).
Nun könnte der Lehrer die Auffassung vertreten, dass die grundsätzliche Maskentragepflicht in Sonderfällen gegen das vom GG vorgegebene Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt. Gleichwohl ist er gehalten, auch in Zweifelsfällen für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen Sorge zu tragen. Will er hiervon abweichen, so wird diese Pflicht durch das Remonstrationsrecht nach § 36 Abs. 2 und 3 BeamtStG begrenzt.
Das bedeutet: Der Lehrer hat sich im Einzelfall an die Schulleitung zu wenden, wenn eine Situation eintritt, in welcher er eine Ausnahme bewilligen will. Bestätigt diese die Ausnahmemöglichkeit, ist er von der persönlichen Verantwortung befreit (§ 36 Abs. 3 BeamtStG). Anderenfalls läuft er Gefahr, dass ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird. So hat das VG Düsseldorf etwa mit Beschluss v. 14.6.2021 – 2 L 1053/21 – entschieden, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§ 39 BeamtStG) für eine Lehrkraft, die ohne Ausnahmegenehmigung von der Maskenpflicht abgewichen war, rechtmäßig war.
Im Übrigen ist es gerade bei der völligen Unterschiedlichkeit der Regelungen nicht unverständlich, wenn ein Lehrer gerade in besonderen Situationen (unzumutbare Hitze, RKI-Wert bei „Null“ oder nur leicht darüber) nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der starren Maskenpflicht auch ohne Rückfrage abweicht. Und ein Schuldvorwurf wird die Lehrkraft insbesondere dann nicht treffen, wenn sie dies zulässt, weil sie ansonsten gesundheitliche Gefahren für ihre Schüler befürchtet. Hier werden die Grundsätze der Nothilfe Anwendung finden müssen.
Die Lehrkraft sollte es aber zumindest der Schulleitung anschließend mitteilen, wenn eine sofortige Entscheidung ihrer Auffassung nach unumgänglich war.
Gerade in Ausnahmesituationen braucht es bei der Rechtsanwendung stets das richtige Augenmaß! Dies gilt sowohl für den einzelnen Lehrer als auch insbesondere für die Schulleitungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Unterricht nur dann zielführend ist, wenn die äußeren Rahmenbedingungen stimmen.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Ergänzend sei erwähnt, dass ein Kommentar von „B.B.“ zum Beitrag der vergangenen Woche mit dem Titel: Corona: Was lief falsch und was war positiv – eine Zwischenbilanz Grund und Anlass für diese Ausführungen waren.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
Corona: Was lief falsch und was war positiv – eine Zwischenbilanz
Gewaltenteilung, Corona und OVG Bautzen – oder wie man es gerade nicht machen sollte!
„Loveparade“: Remonstration der Beamten wurde nicht ernst genommen
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier, Summer, § 36 BeamtStG, Rn. 47 ff
v. Roetteken/Rothländer, § 36 BeamtStG, Rn. 50ff.
Schütz/Maiwald, § 36 BeamtStG, Rn. 10ff.
Gerne können Sie auch unser Kontaktformular benutzen und wir melden uns bei Ihnen.
Kontaktformular