In Bayern eröffnet Art. 19 BayBG (Text: siehe Anhang) die neue „unbürokratische“ Prüfungsmöglichkeit der Selbstauskunft eines jeden Bewerbers zu seiner gesundheitlichen Eignung. Die Vorschrift wurde durch das Erste Modernisierungsgesetz Bayern vom 23.12.2024 (GVBl. S. 604) in das BayBG aufgenommen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Bürokratie in Deutschland hat sich nicht nur nach der Auffassung der Bayerischen Staatsregierung zu einem echten Hemmnis im privaten, aber auch im öffentlichen Bereich entwickelt. Es braucht in einem schlanken Staat insbesondere deutlich mehr Entscheidungsfreiraum. Ein solcher Freiraum muss aber auf der einen Seite auch den Beamten sowie auf der anderen Seite den staatlichen und kommunalen Dienstherrn zugutekommen. Die Selbstauskunft eines Bewerbers tritt nach dem Willen des bayerischen Gesetzgebers deshalb jetzt nach Art. 19 BayBG an die Stelle der bisher obligatorischen amtsärztlichen Untersuchung bei Einstellungen. Ist das der richtige Weg?
Seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 besteht ein neuer Prognosemaßstab bei Einstellungsuntersuchungen (siehe dazu: Gesundheitliche Eignung – neue Maßstäbe des BVerwG). Nach dem BVerwG scheidet die gesundheitliche Eignung für eine Einstellung in den öffentlichen Dienst nur dann aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, der Bewerber werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Dieser Maßstab gilt nach einer neueren Entscheidung des BVerwG im Übrigen auch für den Polizeivollzugsdienst (siehe dazu: Wie gesund muss ein Polizist sein?)
Die bayerische Staatsregierung begründet die Einführung des Art. 19 BayBG auch damit, dass in der Praxis der Einstellungsbehörden nur noch eine äußerst geringe Anzahl von Fällen der gesundheitlichen Nichteignung festgestellt wird. Aufgrund der neuen Möglichkeit des Art. 19 BayBG können deshalb nach der Vorstellung der Bayer. Staatsregierung die amtsärztlichen Einstellungsuntersuchungen künftig durch Selbstauskunftsbögen ersetzt werden, die von dem jeweiligen Bewerber auszufüllen sind.
Nach der Begründung des Gesetzgebers soll die Selbstauskunft die Regel und die amtsärztliche Untersuchung die Ausnahme bilden. Nicht mehr der Amtsarzt, sondern der jeweilige Entscheidungsträger der Einstellungsbehörde muss bzw. kann infolgedessen eine nach dem BVerwG (siehe oben) erforderliche Prognose über die gesundheitliche Eignung für die spätere Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit treffen. Einzige Grundlage hierfür ist nach geltendem bayer. Recht (Art. 19 BayBG) jetzt die Selbstauskunft des Bewerbers.

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a) Bedenken
Zu dieser Neuregelung bestehen jedoch durchaus berechtigte Bedenken.
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Man wird dabei zunächst davon ausgehen müssen, dass eine amtsärztliche Untersuchung in besonderen Bereichen, wie Polizei- und Justizvollzug oder Feuerwehrdienst, auch weiterhin unumgänglich ist, also dort, wo die dienstliche Tätigkeit eine besondere körperliche oder psychische Belastung mit sich bringt.
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Besonders wichtig erscheint dabei auch noch Folgendes: Der Entscheidungsträger der Einstellungsbehörde besitzt in der Regel keinerlei medizinische Fachkenntnis – und dies kann von ihm auch nicht verlangt werden.
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Offen ist bei der gegenwärtigen Gesetzeslage insbesondere, wie bei der Einstellung von schwerbehinderten oder diesem Personenkreis gleichgestellten Personen verfahren werden soll. Da hier weder aus dem Gesetz, noch aus der amtlichen Begründung eine gesonderte Regelung ersichtlich ist, muss davon ausgegangen werden, dass auch diese Bewerber dem Art. 19 BayBG unterliegen und eine Selbstauskunft hinsichtlich des Gesundheitszustandes genügt.
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Letztendlich kann jetzt ein Verwaltungsbediensteter als Entscheidungsträger Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sein, wenn er eine Übernahme des Bewerbers aufgrund von Fragebögen befürwortet, sich aber später dann doch die gesundheitliche Nichteignung für die spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit herausstellt. Auch im umgekehrten Fall (die Behörde geht fälschlicherweise von einer gesundheitlichen Nichteignung aus und die Ernennung unterbleibt), kann es zu Schadensersatzansprüchen kommen.
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Hat der Bewerber bei der Selbstauskunft den Dienstherrn durch falsche Angaben getäuscht und erfolgt aus diesem Grund die Einstellung trotz fehlender gesundheitlicher Eignung, so kann die Ernennung wegen einer arglistigen Täuschung nicht nur zurückgenommen werden, die Rücknahme ist nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG vielmehr obligatorisch. Es ist bereits jetzt absehbar, dass die spätere Beschäftigungsbehörde diesen Nachweis der Arglist in einem Verwaltungsprozess aber kaum erbringen kann. Liegt jedoch keine Arglist vor oder hatte der Bewerber keine Kenntnis von seinen gesundheitlichen Einschränkungen, so kommt lediglich eine Entlassung nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung in Betracht. Da einem Anwärter nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG jedoch die Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst bis zum Ende abzuleisten, ist eine (zeitnahe) Entlassung in aller Regel nicht möglich.
Man wird aus all diesen Gründen zumindest darauf schließen können, dass eine amtsärztliche Begutachtung auch in Zukunft der bessere, weil sichere Weg ist und das nicht nur dann, wenn sich infolge der Selbstauskunft oder im Rahmen des Einstellungsgespräches auch nur die geringsten Zweifel hinsichtlich einer gesundheitlichen Eignung für die spätere Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ergeben.
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Fazit:
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Eine gesicherte Prognose hinsichtlich der auf das spätere Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ausgerichteten gesundheitlichen Eignung kann in aller Regel nur der Amtsarzt treffen. Schon bei den geringsten Zweifeln ist er weiterhin einzuschalten.
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Will der jeweilige Entscheidungsträger sichergehen und einen schwerwiegenden Fehler vermeiden, so wird er weiterhin den Amtsarzt einschalten und das o. a. Regel – Ausnahmeverhältnis wird auf diese Weise ins Gegenteil verkehrt.
Man kann dem Ganzen aber durchaus auch insofern etwas Positives abgewinnen, als es der Gesetzgeber (bisher) vermieden hat, auch den Eintritt der Dienstunfähigkeit bei Ruhestandsversetzungen lediglich von der Selbstauskunft eines Beamten abhängig zu machen!

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Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Anhang
Art. 19 BayBG
Gesundheitliche Eignung
1 Die gesundheitliche Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis ist auf der Grundlage einer ärztlichen oder amtsärztlichen Untersuchung oder einer Selbstauskunft des Bewerbers oder der Bewerberin festzustellen.
2 Im Falle einer ärztlichen oder amtsärztlichen Untersuchung gilt Art. 67 Abs. 1 und 2 entsprechend, wobei die übermittelten Daten nur zum Zwecke der Prüfung der gesundheitlichen Eignung verwendet werden dürfen.
3 Im Falle einer Selbstauskunft ist eine Übermittlung personenbezogener Daten an einen Amtsarzt oder eine Amtsärztin oder einen Arzt oder eine Ärztin zulässig.
Literaturhinweis:
Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 1ff. zu Art. 19 BayBG
