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Überlastung: Rechtspfleger versenkt Akten im Fluss

Ein Rechtspfleger fühlte sich bei seiner Arbeit völlig überfordert. Deswegen warf er seine noch offenen Gerichtsakten einfach in die Fulda – was natürlich nicht ohne rechtliche Folgen bleiben konnte….

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Sachverhalt:

Die Wasserschutzpolizei hatte in der Fulda eine Plastiktüte mit mehreren Vollstreckungsakten gefunden. Die eingeleiteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führten zur Anklage eines Rechtspflegers, denn es stellte sich heraus: Der Beamte hatte die Akten aus den Diensträumen entfernt, dann für längere Zeit versteckt und schließlich in einer Plastiktüte in den Fluss geworfen, um sie auf diese Weise endgültig zu vernichten. Die Akten waren zwar durchnässt, konnten aber nach dem Trocknen sogar noch weiterverwendet werden.1

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News Beamtenrecht

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1. Strafrecht

Das strafrechtliche Verfahren führte zu einer Verurteilung des Mannes. Der Grund: Verwahrungsbruch im Amt (§ 133 Abs. 1, Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB)) in Tateinheit mit einer Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und einer versuchten Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB). Der Beamte hatte sich des Verwahrungsbruchs im Amt und einer Urkundenunterdrückung schon deswegen schuldig gemacht, weil er die Akten bereits länger unbearbeitet bei sich behalten hatte und entschlossen war, sie dem ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr des Gerichts zu entziehen. Der Mann „entschuldigte“ sich damit, dass er von seiner Dienstbehörde heillos mit Dienstgeschäftern überfordert gewesen sei – was bei der Strafzumessung auch zugunsten des Mannes berücksichtigt und er letztendlich „nur“ zu einer Geldstrafe verurteilt wurde….

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2. Beamtenrecht

Damit aber nicht genug: Der Dienstherr des Rechtspflegers (= das Land Hessen) erhob gegen ihn vor dem Verwaltungsgericht Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Dienst. Dem Beamten wurde hierbei vorgeworfen, gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten nach § 34 Abs. 1 BeamtStG (Pflicht zum ordnungsgemäßen Verhalten im Dienst) verstoßen zu haben. Insofern habe er ein gravierendes (innerdienstliches) Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Die versuchte Aktenvernichtung stelle einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, der das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn nachhaltig zerstörte. Der Beamte habe durch sein rechtswidriges Verhalten außerdem die Arbeit des Gerichts ganz wesentlich erschwert und das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz gefährdet.

Der Leitsatz des VG Wiesbaden lautet:

„Ein Beamter, der Sachen, die ihm als Amtsträger anvertraut wurden, der dienstlichen Verfügung entzieht oder diese sogar zerstört oder auch nur zu zerstören versucht, zerstört das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn und die für die Ausübung seines Amtes erforderliche Achtung regelmäßig so nachhaltig, dass er grundsätzlich nicht im Dienst bleiben kann.“

Das Disziplinargericht entschied auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.i Mildernde Umstände, wie etwa ein besonderer psychischer Druck, waren nach Ansicht des VG nicht gegeben. Der Beamte hatte den Vorfall vielmehr bewusst vorbereitet, was eine „Kurzschlussreaktion“ ausschloss. Die Disziplinarkammer wies explizit darauf hin, dass ein Beamter in einer vertrauensvollen Position – wie der eines Rechtspflegers – besonders zuverlässig sein müsse.

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3. Andere Lösungsalternativen

a) Der Dienstherr hätte den Fall evtl. aber auch viel eleganter lösen und den Rechtspfleger in eine Führungsposition versetzen und gleichzeitig befördern können, denn dann hätte dieser keine Akten mehr zu bearbeiten und könnte sich voll und ganz seiner Vorgesetztenstellung („Führung und Koordination“) widmen – und dazu braucht es bekanntlich keine Akten und auch keinen besonderen Fleiß!

Diese Vorgehensweise hätte insbesondere auch einen historischen Hintergrund! Sehr interessant und lesenswert ist hier ein Vorfall, mit dem sich der Beitrag Disziplinarrecht einmal ganz anders beschäftigt hat.

b) In jedem Fall wäre es dem Beamten aber möglich und auch zumutbar gewesen, eine sog. „Überlastungsanzeige“ zu stellen.

Lesen Sie dazu den Beitrag: Überlastungsanzeige: Rechtliche Wirkung und notwendiger Inhalt

Schlussbemerkung:
Es könnte schon deswegen an der Urteilsfähigkeit des Rechtspflegers zu zweifeln sein, weil er die Akten in einem Plastiksack verpackt im Fluss Fulda entsorgen wollte. Ohne einen solchen Plastiksack wären die Akten wohl nicht mehr „aufgetaucht“.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

Literaturhinweis:

  • Weiß/Niedermaier/Summer,  § 34 BeamtStG, Rn. 1ff.
  • Schütz/Maiwald, § 34 BeamtStG, Rn. 1 ff.
  • V. Roetteken/Rothländer, HBR, § 34 BeamtStG, Rn. 1ff.
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