Von der „Topfwirtschaft“ zur „Töpfchenwirtschaft“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in dem zugrundeliegenden Fall hatte sich der Kläger gegen seine Einreihung in eine bundesweite Beförderungsrangliste gewandt. Er war Beschäftigter einer Bundesbehörde und als solcher in dem statusrechtlichen Amt eines Zolloberinspektors in der Besoldungsgruppe A 10 tätig. Er war Sachbearbeiter im Prüfdienst bei einem Hauptzollamt. Der Dienstposten des Klägers war im Rahmen der bundesweiten „Topfwirtschaft“ den drei Besoldungsgruppen von A 9 bis A 11 zugeordnet. Die Beförderungen wurden nach einem Ranglistensystem vorgenommen, das zunächst die Gesamtnote in der Beurteilung berücksichtigte und innerhalb der Gesamtnoten dann soziale Gruppen wie Frauen und Schwerbehinderte bildete. Innerhalb dieser Gruppen bestimmte sich die Rangliste dann nach dem Dienstalter und dem Alter. Immer wenn Beförderungsstellen frei wurden, wurden die Ernennungen nach dieser Rangliste durchgeführt. Die Planstellen wurden dann bundesweit den Dienststellen zugewiesen, denen die beförderten Beamten angehörten. Diese jahrzehntelange Praxis ist nach Auffassung des BVerwG rechtswidrig.
Die wesentlichen Grundaussagen der Entscheidung sind:
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Erst nach Ausschöpfung aller leistungsbezogenen Kriterien kann auf weitere – nicht leistungsbezogene – Hilfskriterien wie „Behinderteneigenschaft“ und „weibliches Geschlecht“ abgestellt werden.2
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Nach Auffassung des Gerichts verstößt die Zusammenfassung von mehreren Besoldungsgruppen auf bestimmten Ämtern gegen Art. 33 Abs. 2 GG und gegen die aus § 18 BBesG3 resultierende Pflicht der Ämterbewertung.
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Die unterlegenen Bewerber müssen rechtzeitig (mindestens zwei Wochen) vor der Ernennung über die Gründe für ihre Ablehnung informiert werden.
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Es dürfen nur aktuelle Beurteilungen bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden. Notfalls sind neue Beurteilungen der Konkurrenten um einen Beförderungsdienstposten vorzunehmen (Anlassbeurteilungen).
Das BVerwG stützte seine Aussagen im Wesentlichen auf das aus Art. 33 Abs. 2 GG resultierende Leistungsprinzip und den Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 19 Abs. 4 GG.
Ich denke:
Der Leistungsgrundsatz erfordert eine rasche Umsetzung des Urteils in die Praxis auch dann, wenn diese Umsetzung bei Personalverwaltungen in Bund und Ländern, die oft die Tätigkeiten einer ganzen Laufbahngruppe in einen „Topf“ geworfen hatten, auf größte praktische Bedenken stößt.
Das Urteil löst in der Praxis gerade größerer Personalverwaltungen einen erheblichen Handlungsbedarf aus: Stellen müssen neu bewertet werden, Beförderungen müssen neu begründet werden, es muss ein Verfahren gefunden werden, mit welchem die nicht berücksichtigten Bewerber informiert werden etc.
Allerdings lässt das Urteil des BVerwG den Personalverwaltungen in diesem Punkt ein „Schlupfloch“, denn es hat entschieden, dass die Funktionen (Dienstposten) nicht „ohne sachlichen Grund“ gebündelt werden können. Demnach ist eine Bündelung von Dienstposten auch künftig noch möglich. Die Einrichtung gebündelter Dienstposten bedarf dann aber nach dem BVerwG einer besonderen sachlichen Rechtfertigung im Einzelfall, die sich stets nur aus den Besonderheiten der jeweiligen Verwaltung ergeben kann.4 Damit kann eine solche Bündelung künftig wohl allenfalls noch für zwei Besoldungsgruppen erfolgen.
So wurde aus der von Bund und Ländern jahrzehntelang praktizierten „Topfwirtschaft“ jetzt also eine „Töpfchenwirtschaft“.
Herzlich,
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 BVerwG v. 30.6.2011, ZBR 2012, 42 = DÖD 2011, 279 = IÖD 2011, 220 = NVwZ 2011, 1270 = RiA 2011, 260 (mit Anm. Kathke, 264) = ZTR 2011, 636; vgl.: v. Roetteken, ZBR 2012, 25 ff.
2 BVerwG v. 30.6.2011 (Fn. 1), Rn. 21.
3 Gleiches gilt für das jeweilige Landesbesoldungsrecht.
4 BVerwG v. 30.6.2011 (Fn. 1), Rn. 29 unter Verweis auf Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 18 BBesG Rn. 15 und 16b.
Zur Ämterbewertung vgl.:
Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 18 BBesG Rn. 1 ff
Zum Leistungsprinzip vgl.:
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Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht, Kapitel 5, Rn. 1 ff
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Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, § 9 BemtStG Rn. 1ff und
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v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, HBR IV, § 9 BeamtStG, Rn. 1ff
Hinweis:
Lesen Sie mehr zum Thema in unserem Fachbeitrag "Topfwirtschaft und Beförderungsranglisten sind rechtswidrig".

