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Wann kann der Beamte die Ernennung des Konkurrenten anfechten? – Teil II

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In einigen Fällen kann der unterlegene Bewerber die Ernennung des Konkurrenten noch nachträglich wirksam anfechten. Es handelt sich dabei dann um einen Fall der vom BVerwG in engen Ausnahmefällen zugelassenen „Konkurrentenklage“. Hier hat sich der Auswahlvorgang also noch nicht nach den Grundsätzen der „Ämterstabilität“ erledigt. Es besteht eine Klagebefugnis des unterlegenen Bewerbers und der Dienstherr muss dann eine neue Auswahlentscheidung nach den vom Verwaltungsgericht festgelegten Grundsätzen treffen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

in folgenden Beispielfällen kann von einer Verletzung des Grundrechts des unterlegenen Mitbewerbers auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG ausgegangen werden, welche die Klagebefugnis des nicht ernannten Bewerbers nach § 42 Abs. 2 VwGO eröffnen:

  • Der Dienstherr setzt sich im Beförderungsverfahren über eine vom Verwaltungsgericht bereits erlassene einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO hinweg und nimmt die Ernennung des ausgewählten Bewerbers trotz einer bereits ergangenen Sicherungsanordnung vor. In diesem Fall hat sich nach der Rechtsprechung des BVerwG diese Ernennung ausnahmsweise nicht erledigt. Der übergangene Bewerber kann vielmehr seinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung weiter verfolgen. Ist dieser Anspruch begründet, so ist ihm auch stattzugeben (Baßlsperger, PersV 2016, 244 /249).

  • Gleiches gilt, wenn der Dienstherr die Ernennung noch während eines laufenden (Eil-) Verfahrens nach § 123 VwGO vornimmt und dem erfolgreichen Bewerber eine entsprechende Urkunde übergibt (Baßlsperger, a.a.O.).

  • Die Anfechtungsmöglichkeit wird auch eröffnet, wenn die Ernennung während einer noch offenen Rechtsmittelfrist gegen einen den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden Beschluss (§ 147 VwGO) des Verwaltungsgerichts durchgeführt wurde (Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, S. 245).

  • Eine Klagebefugnis liegt auch dann vor, wenn der Dienstherr die Einlegung eines angekündigten Rechtsbehelfs bzw. einer möglichen Verfassungsbeschwerde des unterlegenen Konkurrenten nicht abgewartet hat, bevor er die Ernennung des von ihm ausgewählten Bewerbers vornimmt (Schnellenbach a.a.O.). Dasselbe muss gelten, wenn dem unterlegenen Mitbewerber wahrheitswidrig mitgeteilt wird, die Auswahlentscheidung sei noch gar nicht getroffen, obwohl sie in Wirklichkeit bereits getroffen und nur noch nicht vollzogen war.

  • Während der Dienstherr nach der bisherigen Rechtsprechung verpflichtet ist, die Mitteilung dem unterlegenen Bewerber gegenüber auch zu begründen (Schnellenbach, ZBR 1997, 169), verlangt die Rechtsprechung, dass der Dienstherr seine wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederlegen, dokumentieren und begründen muss, weil nur auf diese Weise der unterlegene Mitbewerber sich durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen kann, ob er die Entscheidung des Dienstherrn akzeptiert oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen (vgl. BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – DÖD 2007, 279 = ZBR 2008, 169 = ZTR 2007, 707).

  • Der Dienstherr ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl.: Beschluss vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03 – DVBl 2003, 1524 = BR 2004, 45) und des BVerwG (Urteil vom 22.07.1999 – 2 C 14/98 – DokBer B 1999, 317 = ZBR 2000, 40 = ZTR 1999, 576) auch generell verpflichtet, den unterlegenen Mitbewerber rechtzeitig vor der Ernennung des Konkurrenten über den Ausgang des Verfahrens zu informieren, damit dieser prüfen kann, ob er die Entscheidung akzeptiert oder ob er Rechtsmittel einlegt. Diese aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete Informationspflicht besteht auch dann, wenn dem unterlegenen Mitbewerber das Ergebnis des Auswahlverfahrens bekannt war oder das vom Dienstherrn gewählte jährliche Massenbeförderungsverfahren durch Negativmeldungen an jeden Bewerber erschwert worden wäre (BVerwG, Urteil vom 1.4.2004 – 2 C 26/03 – Buchholz 237.8 § 10 RhPfLBG Nr. 1 = BayVBl. 2004, 696 = NVwZ 2004, 1257), denn der unterlegene Mitbewerber hat stets einen Anspruch auf verbindliche Information durch den Dienstherrn.

  • Dabei muss zwischen der Information des unterlegenen Mitbewerbers und der Ernennung des erfolgreichen Bewerbers als Überlegungsfrist ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen. Anderenfalls ist auch hier die Klagebefugnis des unterlegenen Bewerbers gegeben, weil ihm im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen ist (Schnellenbach a.a.O., Baßlsperger a.a.O). Wenn der Dienstherr ein mögliches Rechtsmittel im Konkurrentenstreitverfahren etwa dadurch verhindert, dass er bereits zwei Tage nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung an den unterlegenen Mitbewerber den ausgewählten Bewerber ernennt, ist ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG nach dem BVerfG jedenfalls gegeben (BVerfG v. 9.7.2007. a.a.O.)

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Dabei ist zu bedenken, dass bei einer Klage neben der Klagebefugnis auch noch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis vorliegen muss, wenn die Anfechtungsklage des unterlegenen Bewerbers gegen die Ernennung des Konkurrenten erfolgreich sein soll. Wichtig erscheint dabei im Hinblick auf die Ämterstabilität und den Bewerbungsverfahrensanspruch insbesondere Folgendes: Die angestrebte Ernennung des unterlegenen Bewerbers hat sich in diesen oben angeführten Fällen (ausnahmsweise) noch nicht durch die Ernennung des Konkurrenten erledigt. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht weiter. Der übergangene Bewerber kann also seinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung weiter verfolgen. Ist dieser Anspruch begründet, so ist ihm auch stattzugeben. Der Hinweis des Dienstherrn, die fragliche Stelle sei bereits besetzt, ist unzulässig, weil der Dienstherr durch sein Verhalten den nach Art. 33 Abs. 2 und 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz vereitelt hat.

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist aber nicht gegeben, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zur Verfolgung seines Zieles zur Verfügung steht. Ein solcher einfacherer Weg ist bei einem unterlegenen Bewerber dann gegeben, wenn er sich gegen die noch nicht durchgeführte Ernennung seines Konkurrenten im Wege des Sicherungsantrags nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Wehr setzen kann. Hat er dies aber unterlassen, so scheitert seine Konkurrentenklage bereits am dafür erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis.

Konsequenzen

Verhält sich der Dienstherr rechtmäßig, indem er dem unterlegenen Bewerber die für ihn negative Auswahlentscheidung mit Gründen mitteilt (oder ihm zumindest Akteneinsicht bezüglich der tragenden Gründe gewährt) und die Ernennung des Konkurrenten erst nach einer Überlegungsfrist von zwei Wochen vornimmt, so muss der Beamte innerhalb dieser zwei Wochen einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf eine vorläufige Nichtvornahme der Ernennung des Konkurrenten (Sicherungsantrag) stellen, damit er seine Ansprüche nicht verliert. Eine spätere Anfechtungsklage gegen die Ernennung des Konkurrenten ist zwar grundsätzlich möglich, weil es sich hierbei um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handelt, dabei ist eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO aber nur gegeben, wenn die Möglichkeit des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG im Einzelfall durch besondere Rechtsverstöße aufseiten des Dienstherrn (der Ernennungsbehörde) geschmälert wird.

Man wird weiterhin davon ausgehen müssen, dass eine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO bei der Konkurrentenklage nur dann gegeben ist, wenn ein solcher eklatanter Verstoß gegen die rechtliche Stellung des Klägers vorliegt.

Forderung: Schaffung neuer Haushaltsstellen

Günther (Scheinbare Ausnahmen von der Ämterstabilität, ZBR 2007, 195 ff.) setzt sich insbesondere kritisch mit der Begründungsargumentation aus zivilrechtlichen allgemeinen Rechtsgedanken und aus dem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützten Gesichtspunkt, dass der Dienstherr verfahrensrechtlich den verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutz nicht vereiteln könne, auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass das Haushaltsrecht auch einem Schadensersatzanspruch wegen rechtswidrig und schuldhaft unterbliebener Beförderung nicht entgegenstehen dürfe. Die Folge wäre damit: Der Dienstherr müsste – um einen effektiven Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers nach Art. 19 Abs. 4 GG zu gewährleisten und dem Interesse des einmal ernannten Beamten tatsächlich entsprechen zu können – unter Beibehaltung der Grundsätze der Ämterstabilität in Fällen der rechtswidrig unterbliebenen Beförderung eben eine neue Haushaltsstelle schaffen. Dem kann nur zugestimmt werden. Auch der Verfasser fordert in Fällen der rechtswidrig unterbliebenen Ernennung die Schaffung neuer Stellen durch das Haushaltsrecht, weil nur auf diesem Weg den Interessen des unterlegenen Bewerbers Rechnung getragen werden kann. Selbst über den Weg des Schadensersatzes kann ein solcher Anspruch auf Ernennung geltend gemacht werden, weil nur damit ein voller Schadensausgleich vorgenommen werden kann (vgl. Baßlsperger, Übernahmepflicht bei staatlicher Bedarfsausbildung, PersV 2005, 213 ff.).

Die positive Folge wäre dann aber auch, dass es der Zulassung einer Konkurrentenklage nicht mehr bedürfte, weil auf anderem Weg rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten. Dies wäre ein zwar bisher noch nicht vollzogener, aber durchaus wünschenswerter weiterer Schritt in die richtige Richtung, weil die Ursache für die beamtenrechtliche Fehlentscheidung einzig und allein der Sphäre des Dienstherrn– und nicht dem unterlegenen oder dem erfolgreichen Beamten zuzurechnen ist.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


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