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Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen, vor allem durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen

Neues vom EuGH

Der EuGH hat sich in einem Urteil vom 19.12.2024 intensiv mit dem Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen befasst. Nach Art. 88 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) können die Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zum Beschäftigtendatenschutz vorsehen. Zu den Kollektivvereinbarungen gehören (neben Tarifverträgen) Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Der EuGH hat Grenzen aufgezeigt, die unbedingt zu beachten sind.

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Inhalt

  1. EuGH-Urteil zum Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen.
  2. Befürchtungen im Vorfeld des EuGH-Urteils.
  3. Inhalt des EuGH-Urteils zum Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen.
  4. Ergebnis der Rechtsprechung des EuGH.
  5. Gleichbleibende Bedeutung von Datenschutz durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen.
Wilde / Ehmann / Niese / Knoblauch

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1. EuGH-Urteil zum Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen

Der EuGH hat sich im Urteil vom 19.12.2024 (C - 65/23) intensiv mit dem Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen befasst. Nach Art. 88 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) können die Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zum Beschäftigtendatenschutz vorsehen. Zu den Kollektivvereinbarungen gehören (neben Tarifverträgen) Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Erwägungsgrund 155 zur DSGVO erwähnt dies ausdrücklich.

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2. Befürchtungen im Vorfeld des EuGH-Urteils

Einzelne Stimmen in der Rechtsliteratur haben im Vorfeld des Urteils Katastrophenstimmung verbreitet. Man sah „das Ende der in Deutschland beliebten Betriebsvereinbarung als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten“ (so Monreal in ZD 2024, 126). Diese Befürchtungen waren unbegründet. Der EuGH hat allerdings Grenzen aufgezeigt, die unbedingt zu beachten sind.

3. Inhalt des EuGH-Urteils zum Datenschutz durch Kollektivvereinbarungen

a)Nach Art. 88 Abs. 1 DSGVO erlassene nationale Rechtsvorschriften und Kollektivvereinbarungen müssen nicht nur die Anforderungen erfüllen, die sich aus Art. 88 Abs. 2 DSGVO ergeben. Es müssen auch die Anforderungen aus Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 DSGVO eingehalten werden (Rn. 43, 50). Daraus folgt insbesondere für Kollektivvereinbarungen, dass die vorgesehene Datenverarbeitung für konkrete Zwecke erforderlich sein muss

b) Die Parteien einer Kollektivvereinbarung haben keine Beurteilungsbefugnis, die es ihnen erlauben würde, „spezifischere Vorschriften“ im Sinn des Art. 88 DSGVO einzuführen, die dazu führen, dass die Voraussetzung der Erforderlichkeit weniger streng angewandt wird oder gar darauf verzichtet wird (Rn. 56).

Damit hat der EuGH sich gegen die Rechtsauffassung entschieden, dass eine Kollektivvereinbarung eine Datenverarbeitung auch dann rechtfertigen könne, wenn diese Verarbeitung auf Grundlage der gesetzlichen Erlaubnistatbestände unzulässig wäre. Arbeitgeber und Dienstherrn können also nicht von der Zulässigkeit einer Verarbeitung von Beschäftigtendaten ausgehen, nur weil sie diese Verarbeitung mit dem Betriebs- bzw. Personalrat vereinbart haben.

c) Kollektivvereinbarungen unterliegen einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle. Dies gilt insbesondere für die Prüfung der „Erforderlichkeit“ einer Verarbeitung im Sinne von Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 DSGVO (Rn. 55, 60). Dies gilt ungeachtet des Spielraums, den Art. 88 DSGVO den Parteien einer Kollektivvereinbarung einräumt (Rn. 55).

Damit hat der EuGH die Rechtsauffassung abgelehnt, dass der den Parteien einer solchen Kollektivvereinbarung eingeräumte Spielraum bewirke, dass die Beurteilung der Erforderlichkeit der betreffenden Verarbeitung im Sinn von Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 DSGVO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Vertreter dieser Auffassung argumentierten, dass diese Parteien eine große Sachnähe besäßen und im Regelfall zu einem angemessenen Interessenausgleich kämen.

4. Ergebnis der Rechtsprechung des EuGH

Eine Datenverarbeitung, die nach Maßgabe der DSGVO unzulässig wäre, kann in einer Kollektivvereinbarungen nicht wirksam erlaubt werden.
Es gibt keinen Bestandschutz für alte Kollektivvereinbarungen.
Kollektivvereinbarungen unterliegen einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle.

5. Gleichbleibende Bedeutung von Datenschutz durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen

Trotz dieser vom EuGH aufgezeigten Schranken bleiben Kollektivvereinbarungen, in erster Linie Dienst- und Betriebsvereinbarungen, zur Konkretisierung der erlaubten Datenverarbeitung bedeutsam. Als Themen bieten sich z. B. an: Personalfragebögen, Personalverwaltungsverfahren, Zeiterfassung, Telefondatenerfassung, Internetnutzung, Videoüberwachung, Zugangskontrollen und Telearbeit.

Christian Peter Wilde
Mitautor Datenschutz in Bayern

Nähere Informationen zum Datenschutz durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen finden sich in Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, DSGVO/BayDSG, in der Kommentierung zu Art. 88 DSGVO (Rn. 11 bis 19a, 35, 39).

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