rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

DIN 33430: Fachlicher Standard für die Personalauswahl

136 Bewertungen

Von der Fachöffentlichkeit weitgehend unbemerkt, wurde vor einem Jahr die überarbeitete Version der DIN 33430 veröffentlicht. Im Grundsatz blieben die Regelungen unverändert, verbessert wurde die Verständlichkeit der eignungsdiagnostischen Norm.

Liebe Leserinnen und Leser,

die DIN 33430 hatte im Jahr 2002 einen holprigen Start. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und der Deutsche Städtetag äußerten sich kritisch zur Norm. Von den Praktikerinnen und Praktikern in den Behörden wurde die schwer verständliche Fachsprache bemängelt. Ergebnisse systematischer Befragungen  zeigten allerdings, dass die Praxis inhaltlich mit der Norm zufrieden war und mehr als 78 % der informierten Praktiker durch die DIN 33430 Vorteile für ihre Tätigkeit in der Personalauswahl erkannten. Die KGSt empfahl im Jahr 2003 den Kommunen, die wesentlichen Inhalte der Norm zu beachten. Rund 76 % der befragten Praktiker erwarteten damals Änderungen der Praxis der Personalauswahl im öffentlichen Sektor (Gourmelon, 2009).

DIN 33430: viele wenden sie an

Große Beachtung hat die DIN 33430 seit dem Inkrafttreten des AGG im Jahr 2006 erfahren. Es wurde schnell klar: Stellen die Regelungen der DIN 33430 die Grundlage für die Planung und Durchführung von Auswahlverfahren dar, sind diese Auswahlverfahren auch konform mit den Regelungen des AGG (Gourmelon, 2007) . Die von den Praktikern damals erwarteten Veränderungen sind  eingetreten: Viele Behörden und Kommunen beachten nun bei der Gestaltung ihrer Auswahlverfahren die Regelungen der DIN 33430; Beispiele für Behörden, die die DIN 33430 bei Personalauswahlverfahren berücksichtigen sind:

  • Bundesministerium des Innern,

  • Bundeszentralamt für Steuern,

  • Deutscher Akademischer Auslandsdienst,

  • Feuerwehr Berlin

  • Hochschule der Bundesagentur für Arbeit

  • Polizei NRW

  • Servicezentrum Personalgewinnung des Bundesverwaltungsamtes

Zu verweisen ist auch auf das Bundeskanzleramt in Österreich: Alle Beamten des dortigen Bundesdienstes werden mit Verfahren ausgewählt, die einer der DIN 33430 analogen Ö-Norm entsprechen.

Die Beachtung der DIN 33430 führte zu einer weiteren Professionalisierung der Personalauswahl. Der Erfolg der DIN 33430 zeigt sich auch darin, dass sie Grundlage für die Entwicklung der 2011 veröffentlichten internationalen Norm ISO 10667 war. Im Bereich der Gesetzgebung gab es im Jahr 2015 einen Antrag der CDU-Landtagsfraktion (damals Opposition), die NRW-Behörden zur Anwendung der DIN 33430 zu verpflichten.

Überarbeitung

Nun wurde eine Überarbeitung der DIN 33430 erforderlich. Hintergrund hierfür ist unter anderem, dass seit der erstmaligen Veröffentlichung der Norm im Jahr 2002 die Informations- und Kommunikationstechnik im Bereich der Personalauswahl erheblich an Bedeutung gewonnen hat (z. B. online-Tests). Die überarbeitete Norm wurde im Juli 2016 veröffentlicht (DIN 33430:2016-07). An der Überarbeitung haben aus dem öffentlichen Sektor die Bundeswehr und die Bundesagentur für Arbeit mitgewirkt. Daneben waren auch Unternehmen der Privatwirtschaft wie beispielsweise die Deutsche Lufthansa oder die Deutsche Telekom beteiligt.

Anwendungsbereiche der Norm

Der Titel der Norm lautet „Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik“. In der Norm werden Qualitätskriterien und –standards für berufsbezogene Eignungsdiagnostik beschrieben. Eignungsdiagnostik mündet oftmals in Eignungsbeurteilungen ein, die z. B. im Rahmen der Personalauswahl, der Führungskräfteentwicklung oder in der Studien- und Berufswahlberatung stattfinden. Eignungsbeurteilungen sind im Sinne der Norm nicht mit Personalentscheidungen gleichzusetzen. Anwendungsbereiche der Prozessnorm sind:

  • Planung von berufsbezogenen Eignungsbeurteilungsprozessen,

  • Auswahl, Zusammenstellung, Durchführung und Auswertung von eignungsdiagnostischen Verfahren (wie z. B. Tests),

  • Interpretation der Verfahrensergebnisse und die Urteilsbildung,

  • Anforderungen an die Qualifikation der an der Eignungsbeurteilung beteiligten Personen (z. B. Mitglieder von Auswahlkommissionen).

Regelungsinhalte: Planung und Auswahl der Verfahren

Bei der Planung von berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen wird mit der Norm beispielsweise die herausragende Bedeutung der Anforderungsanalyse herausgestellt: „Die Eignungsbeurteilung setzt eine Anforderungsanalyse und deren Ergebnisse voraus. Dementsprechend müssen die Anforderungen und Motivations-/Demotivationspotenziale der beruflichen Tätigkeit erfasst werden“ (DIN, 2016, S. 10).

Die Auswahl und Zusammenstellung von eignungsdiagnostischen Verfahren bezieht sich auf die Frage, mit welchen Verfahren welche Personenmerkmale untersucht werden sollten. Mit der DIN 33430 werden keine konkreten Vorgaben gemacht (etwa: rhetorische Fertigkeiten sind mit Präsentationen zu prüfen), sondern es werden Kriterien für die Verfahrensauswahl vorgegeben. So sollen z. B. die für die Eignungsbeurteilung verwendeten Verfahren einen eindeutigen Bezug zu den beruflichen Anforderungen aufweisen oder es sollen in einem Auswahlverfahren verschiedene Verfahrensklassen kombiniert werden (Multimethodalität).

Zu einzelnen Verfahrensklassen erfolgen Vorgaben, z. B.:

  • Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Interviews strukturiert und/oder (teil-)standardisiert vorgenommen werden,

  • Interviews sind von Personen durchzuführen, die nachweislich hierfür qualifiziert wurden,

  • Übungen in Assessment-Center-Verfahren müssen vorab erprobt werden,

  • zu Tests und Fragebögen müssen ausführliche Informationen zur Qualität vorliegen,

  • bei computerbasierten und intergestützten Verfahren ist vorab die Systemstabilität zu prüfen und die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten.

Regelungsinhalte: Durchführung und Eignungsentscheidung

Hinsichtlich der Durchführung der Eignungsdiagnostik ist gemäß der DIN 33430 u. a. zu beachten, dass die Kandidatinnen und Kandidaten über Ziele, Ablauf und Dauer der Eignungsuntersuchung vorab zu informieren sind. Für Menschen mit Behinderungen sind geeignete Vorkehrungen zu treffen. Die Auswertung aller Verfahren – auch von Interviews oder ACs - hat nach den vorab festgelegten Regeln zu erfolgen. Ergebnisinterpretationen müssen sich an den Maßstäben Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit in Bezug auf die Kandidaten ausrichten. Eignungsbeurteilungsprozesse sind in vielfältigen Aspekten sorgfältig zu dokumentieren. Die DIN 33430 erfordert auch die Evaluation der Eignungsbeurteilungsprozesse.

Mit dem Bauchgefühl über Kandidaten entscheiden? - dies wird auch in Zukunft kein fachgemäßes Vorgehen in der Eignungsdiagnostik sein! Die DIN 33430 schreibt vor, dass während der Planung Regeln zur Durchführung und Auswertung von Verfahren sowie zur Integration der Ergebnisse der verschiedenen Verfahren zu einem abschließenden Eignungsurteil festgelegt werden müssen.

Regelungsinhalte: Qualifikationen und Ausschreibung von Leistungen

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt der DIN 33430 ist, dass Anforderungen an die Qualifikation der an der Eignungsbeurteilung beteiligten Personen aufgestellt werden. Hierbei werden – im Hinblick auf ihre Funktion im Eignungsbeurteilungsprozess – unterschiedliche Personengruppen gebildet. Für diese wurden umfangreiche Kompetenzkataloge aufgestellt. Personalmanager im öffentlichen Sektor werden über die entsprechenden Kompetenzen regelmäßig nur verfügen, sofern sie mehrtägige Fortbildungsseminare im Bereich Eignungsdiagnostik absolviert haben.

Die Anhänge der Norm enthalten unter anderem Hinweise für die Ausschreibung eignungsdiagnostischer Leistungen; diese sind dann interessant, wenn z. B. externe Berater mit der Durchführung von Auswahlverfahren betraut oder Instrumente wie Testverfahren oder Assessmentcenter von Anbietern eingekauft werden sollen.

Anwendungsvoraussetzungen

Die DIN 33430 kann bei externen und internen Stellenbesetzungsverfahren, bei der Beset-zung einzelner Stellen und bei „Massenverfahren“ sowie bei der Besetzung von Stellen aller hierarchischen Ebenen angewandt werden. Die Auswahlverfahren werden durch die Anwen-dung der DIN nicht notwendigerweise aufwendiger oder teuerer. Voraussetzung für die An-wendung der DIN ist, dass die Personalauswählenden (z. B. Mitglieder von Auswahlkommis-sionen) entsprechend fortgebildet werden. Je nach Umfang der benötigten Kompetenzen sind Schulungen im Umfang von zwei bis fünf Tagen erforderlich. Praxiserfahrungen belegen, dass die Umsetzung der DIN 33430 für Ministerien und Behörden regelmäßig problemlos möglich ist.

Nutzen der Norm

Bei sachgerechter Anwendung der DIN 33430 werden Eignungsurteile ausschließlich auf-grund der Potenziale und Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber getroffen und nicht aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, einer Behinderung oder anderer durch das AGG geschützter Merkmale.  DIN-konforme Eignungsbeurteilungen sind fair, objektiv, transparent und diskriminierungsfrei und zwar sowohl im Bereich der Vorauswahl als auch in allen weiteren Stufen der Eignungsbeurteilung. Anoymisierte Bewerbungen, die zum Schutz von Bewerberinnen und Bewerbern mit Zuwanderungsgeschichte durchgeführt werden, sind mit der DIN 33430 weiterhin möglich, aber bei DIN-konformen Stellenbesetzungsverfahren nicht mehr erforderlich. Vorgaben von Gleichstellungsgesetzen oder des SGB  können im Rahmen von DIN-konformen Verfahren umgesetzt werden. Sie sind treffsicher insofern, dass mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit für die Behörde geeignete Beschäftigte ausgewählt werden.

Herzlichst

Ihr
Andreas Gourmelon


Quellen:
DIN – Deutsches Institut für Normung (2016). Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik (DIN 33430:2016-07). Berlin: Beuth-Verlag.
Gourmelon, A. (2007). Personalauswahl unter Beachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Der Öffentliche Dienst, 11, S. 241 – 250.
Gourmelon, A. (2009). Die eignungsdiagnostische Norm DIN 33430 und ihre Bedeutung für den öffentlichen Sektor. In A. Gourmelon, C. Kirbach und S. Etzel (Hrsg.), Personalauswahl im öffentlichen Sektor (S. 73 – 84, 2. Aufl.). Baden-Baden: Nomos.

Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
banner-personalmanagement.png
SX_LOGIN_LAYER