„Bahnbeamtin“: Diskriminierung eines schwerbehinderten Mädchens?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
unabhängig davon, dass die Zugbegleiterin vermutlich keine Beamtin, sondern Angestellte war, richtet sich die Empörung in der Öffentlichkeit wieder einmal gegen den öffentlichen Dienst in seiner Gesamtheit, denn es wird nicht zwischen den verschiedenen Beschäftigungsformen unterschieden.
„Arme Bahn“ – unter diesem Titel kommentierte ein Herr Ernst F. den eingangs beschriebenen Vorfall auf der Titelseite einer Zeitung2. Er führt aus, Sitte, Anstand und Mitmenschlichkeit befänden sich bei der Bahn auf dem Abstellgleis, wenn einer „Formalien-Anbeterin“ durch den spitzfindigen Verweis auf geltende Vorschriften ein Persilschein ausgestellt würde. „Typisch Deutsch“ – meint eine Leserbriefschreiberin zu der Situation, „streng nach Vorschrift und voll daneben.“
Klar ist: Beamte – auch Angestellte des öffentlichen Dienstes – sind verpflichtet, sich an die Vorschriften zu halten. Liegt in dem beschriebenen Vorfall aber nicht auch eine Diskriminierung eines schwerbehinderten Menschen?
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein anderer Leserbrief 3:
„Allein die Behinderung berechtigt nicht zur kostenlosen Zugfahrt. Erst der entsprechende Schwerbehindertenausweis mit gültiger Wertmarke (72 Euro) dient als Fahrschein und muss mitgeführt werden ...
Aufgabe der Zugbegleiterin ist es, darauf zu achten und zu kontrollieren, dass jeder einen gültigen Fahrausweis besitzt. Für die Verfehlungen der Fahrgäste die Bahn als Sündenbock hinzustellen, ist nicht gerecht ...“
Dieser Leserbrief stammt übrigens nicht von einem Bahnverantwortlichen, sondern von dem Ersten Vorstand des Vereins Barrierefreies Rottal-Inn e.V., der selbst Rollstuhlfahrer ist.
Er führte weiterhin aus:
„Ich möchte einfach nur Zugfahren – ohne Anmeldung. Darauf bestehe ich. Aber dann muss ich auch damit rechnen, gleich behandelt zu werden wie jeder andere Fahrgast.“
Wäre es also nicht eher diskriminierend gewesen, wenn die Zugbegleiterin von der Erhebung des Fahrpreises abgesehen hätte?
Andererseits: Die Schülerin musste den Fahrpreis nur für die Rückfahrt bezahlen. Der Zugbegleiter bei der Hinfahrt hatte entweder von dem Vorzeigen des Fahrausweises abgesehen oder einfach „schlampig“ kontrolliert. Damit hat er sich in jedem Fall (so oder so) nicht an die Vorschriften gehalten – oder hat er einfach nur „Amtscourage“ gezeigt? (Siehe dazu den Blog: „Schildbürgerstreiche“ aus Brüssel: „Amtscourage“ ist gefragt!)
Ich denke:
Wenn ein Vorwurf erhoben wird, dann wäre der richtige Adressat zunächst die Bahn, die solche engen Vorschriften erlassen hat.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
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1 http://www.chiemgau-online.de/portal/lokales/trostberg-traunreut_Ausweis-vergessen-Behindertes-Maedchen-muss-Bahnticket-zahle-_arid,3028168.html
2 Passauer Neue Presse, Alt - Neuöttinger Anzeiger (ANA) vom 28.3.2013.
3 ANA vom 2.4.2013.
Zur Bindung des Beamten an Recht und Gesetz siehe:
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Kohde in v. Roetteken/Rothländer, HBR, § 33 BeamtStG, Rn. 13.
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Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 33 BeamtStG, Rn. 32 und 33.

