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„Compact-Magazin“ – Teil II

In der vergangenen Woche wurde über eine Entscheidung des VG Frankfurt/Oder vom 6.6.2024 (Az.: 2 L 78/24) berichtet, das bei einer Lehramtsanwärterin entschieden hatte: Allein die Mitarbeit bei Veröffentlichungen des als rechtsextrem eingestuften „Compact-Magazins“ vor der Ernennung führte zur Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

das VG Frankfurt hat seine Entscheidung folgerichtig auf die Rücknahme wegen arglistiger Täuschung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG und nicht auf eine Entlassung gestützt. Eine solche arglistige Täuschung liegt immer dann vor, wenn der ernannte Beamte durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war, oder deren Unrichtigkeit er zumindest nur für möglich hielt, in Kauf nimmt, bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum zu begründen. Dies betrifft auch – wie im vorliegenden Fall – das Verschweigen wahrer Tatsachen (= Tätigkeit für das „Compact-Magazin“). Das VG Frankfurt/Oder ist hier von einer arglistigen Täuschung unter anderem auch deswegen ausgegangen, weil der Behauptung der Antragstellerin, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie für einen als rechtsextrem eingestuften Sender tätig gewesen sei, unrichtig sein musste. Zum einen ist die Antragstellerin mit der von ihr unterzeichneten „Belehrungen und Erklärungen bei Einstellung in den öffentlichen Dienst“ ausführlich über ihre Treuepflicht belehrt worden. Zum anderen war ihr nach dem VG bewusst, ihre Tätigkeit für ein rechtsextremistisches Presseorgan auszuüben. Dies habe sich bereits aus dem Inhalt der von ihr moderierten Veröffentlichungen ergeben, wobei sie schon aufgrund ihrer Schulbildung genügend Kenntnisse über die Ziele des Nationalsozialismus besitzen musste. Außerdem konnte ihr die Einstufung von „Compact“ als rechtsextremistisches Organ nicht verborgen geblieben sein. Weiterhin trat sie, um eine spätere berufliche Tätigkeit nicht zu gefährden, mit Brille und Perücke auf. Deshalb drängte sich für das VG die Schlussfolgerung auf, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Inhalte von „Compact“ ihre dortige Tätigkeit verheimlichen wollte, um Beamtin werden zu können.

Hätte die Ernennungsbehörde Kenntnis von der Tätigkeit für das „Compact-Magazin“ gehabt, so wäre die Begründung des Beamtenverhältnisses unterblieben. Die für eine Rücknahme der Ernennung erforderliche Kausalität ist damit also gegeben.

Fehlende Verfassungstreue als Grundlage

Es ist hierbei zu berücksichtigen: „Mobilisierung zum Widerstand“ war und ist das zentrale Anliegen von „Compact“. Bei den von ihr moderierten Veröffentlichungen trat „Compact“ stets als Sprachrohr und Plattform der sogenannten „Neuen Rechten“ auf. Das Magazin „COMPACT“ und die von ihm vertriebenen Medien wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

„Verfassungstreue“ erfordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfG v. 22.5.1975 – BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = ZBR 1975, 251). Ein Bewerber bietet jedenfalls dann keine Gewähr für die erforderliche Verfassungstreue, wenn berechtigte Zweifel an der Erfüllung seiner künftigen Pflichten bestehen. Diese Zweifel können sich auf Verhaltensweisen oder öffentlich abgegebenen Erklärungen stützen – und dazu gehört auch eine Tätigkeit für eine rechtsextremistisch eingestufte Organisation wie „Compact“. Die Pflicht, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, umfasst nämlich auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, auch nur den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu decken oder zu fördern.

Möglichen Verstößen gegen die Verfassungstreuepflicht ist deshalb möglichst frühzeitig entgegenzuwirken, und dies geschieht sinnvollerweise am besten, indem bereits die Einstellung eines potentiellen Gefährders unterbleibt. Dabei kommt es für die Beurteilung der Einstellungsvoraussetzung auf die Prognose des künftigen Verhaltens eines Bewerbers an, gestützt auf seine erkennbaren Verhaltensweisen bis zu seiner Einstellung (BVerfG vom 24.9.2003 – 2 BvR 1435/02 – BVerfGE 108, 282, 296 f.).

Der Antragstellerin wurde – wie in allen Bereichen üblich – ein Fragebogen zur Verfassungstreue vorgelegt, den sie unterschrieben hat. In diesem wurde sie unter anderem dazu aufgefordert, in chronologischer Reihenfolge lückenlos alle Tätigkeiten anzugeben, die sie im Anschluss an ihre Schul- und Berufsausbildung beruflich ausgeübt hat. In der Begründung seines Beschlusses hat das VG unter anderem auch angeführt, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Inhalte von „COMPACT“ ihre dortige Tätigkeit verheimlichen wollte und lediglich „freiberufliche Tätigkeit als Moderatorin“ anführte, um sich nicht der Gefahr einer unterbleibenden Ernennung auszusetzen.

Die Tätigkeit, deren Verschweigen zur Rücknahme der Begründung des Beamtenverhältnisses führte, lag zeitlich vor der Ernennung der Referendarin, und damit stellt sich die Frage, ob man auch noch in Zukunft von ihrer grundrechtswidrigen Einstellung (während des Beamtenverhältnisses) ausgehen kann oder muss, oder ob es sich eventuell nur um eine „Jugendsünde“ handelte.

Persönliche Auffassungen, Anschauungen und – wie hier – der frühere Tätigkeitsbereich sind für die Erstellung einer solchen Prognose deshalb ein wesentlicher Anhaltspunkt, weil in der Regel davon auszugehen ist, dass sich eine sich bewerbende Person entsprechend und ihrer erkennbar gewordenen Anschauung sowie ihrer persönlichen Einstellung auch zukünftig verhalten wird (v. Roetteken/Rothländer, HBR, Rn. 107 zu § 7 BeamtStG).

Es besteht eine materielle Beweislastverteilung dahingehend, dass der künftige potentielle Dienstherr diese Beweislast trägt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG wird dem Dienstherrn die Beweislast jedoch dadurch erleichtert, dass bei verbleibenden berechtigten Zweifeln die Ernennung abzulehnen ist (BVerwG 27.11.1980 – 2 C 38.79). Zweifel an der persönlichen Eignung gehen damit zulasten des Bewerbers.

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Fazit:

Eine fehlende persönliche Eignung war im Fall des VG Frankfurt/Oder aber nicht allein ausschlaggebend. Das Gericht hatte vielmehr über die Rücknahme der Ernennung und damit über die Tatsache zu entscheiden, ob die Antragstellerin die Einstellungsbehörde arglistig über Tatsachen getäuscht hatte. Die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch die Rücknahme der Ernennung basiert auf der arglistigen Täuschung, die möglicherweise fehlende Verfassungstreue spielte dabei lediglich im Vorfeld eine Rolle.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

Literaturhinweis:

Lexikon: Verfassungstreue
Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 29 ff. zu § 7 BeamtStG und Rn. 37 ff. zu § 23 BeamtStG
Schütz/Maiwald, Rn. 128 ff. zu § 23 BeamtStG
v. Roetteken/Rothländer, Rn. 575 ff. zu § 23 BeamtStG

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