Das Lebenszeitprinzip I: Sinn und Zweck
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
unter „Lebenszeitprinzip“ versteht man einmal die Anstellung im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, aber auf der Basis der neuesten Rechtsprechung auch die lebenszeitige Übertragung der statusrechtlichen Ämter. Das BVerfG versteht den Grundsatz als „Lebenszeitprinzip in der Form der lebenszeitigen Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter“ (BVerfG vom 28.5.2008, Az.: 2 BvL 11/07) und behandelt das Lebenszeitprinzip damit in 2 Varianten.
1. Sinn und Zweck:
Das Lebenszeitprinzip hat im Wesentlichen folgende Gründe:
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Die Unsicherheit des Arbeitsplatzes verführt dazu, sich zu bereichern, um für den Fall der Entlassung Vorsorge für sich und seine Familie zu treffen;
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die personelle Kontinuität der Amtsführung ist rationeller als häufiger Wechsel;
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der Beamte im Verfassungsstaat benötigt gegenüber der Staatsspitze eine gewisse Unabhängigkeit, die es ihm ermöglicht, Verfassung und Gesetz zu beachten und damit den Rechtsstaat zu garantieren (Näheres zu den Quellen des Prinzips siehe Summer, Das Amt im statusrechtlichen Sinne, ZBR 1982, 321/325).
Heute liegt das Schwergewicht des Lebenszeitprinzips eindeutig bei dem an letzter Stelle genannten Punkt. Die Schwierigkeiten der Beamten, in Bezug auf die Gesetzmäßigkeit und insbesondere auf die Wahrung der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) richtig zu entscheiden, sind in einem Staat mit starken Versuchen der Einflussnahme von Parteien, zunehmend auch von Gewerkschaften und Verbänden, eher größer als geringer geworden.
2. Nur gesetzliche Beendigungstatbestände:
Mit den hergebrachten Grundsätzen des Lebenszeitprinzips zum Beamtenstatus und zum Amt im statusrechtlichen Sinne korrespondiert der hergebrachte Grundsatz, dass das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit – vom Tod und dem Eintritt in den Ruhestand abgesehen – gegen den Willen des Beamten nur durch gerichtliche Entscheidung gelöst werden kann und die garantierte Rechtsstellung (Amt im statusrechtlichen Sinne) – von allgemeinen gesetzlichen Maßnahmen abgesehen – ebenfalls nur durch gerichtliche Entscheidung gemindert werden kann (siehe § 21 BeamtStG und § 30 BBG).
Das Disziplinarrecht ist aber nur mit dem Inhalt in den Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG einbezogen, dass die Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit und die Minderung des statusrechtlichen Amtes (Minderung des Endgrundgehaltniveaus) wegen Fehlverhaltens grundsätzlich nicht durch (gerichtlich überprüfbaren) Verwaltungsakt, sondern nur durch originären Richterspruch entzogen oder gemindert werden können.
Der hier angesprochene hergebrachte Grundsatz der Berufsbeamtentums besagt von seiner Funktion her nach Auffassung des Verfassers nur, dass Gerichte im Sinne des Grundgesetzes zu Rechtsverkürzung durch eine auf einen Beamten wegen dessen Pflichtverletzung bezogene Entscheidung hinsichtlich des Lebenszeitbeamtenstatus und Amts im statusrechtlichen Sinne entscheiden müssen, nicht aber, dass besondere Disziplinargerichte eingerichtet werden müssen. Die Gerichte müssen aber in der Sache konstitutiv entscheiden. Es wäre daher mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar, für diesen Sanktionsbereich die Zuständigkeit den Verwaltungsbehörden zu übertragen und die Gerichte auf die Kontrolle einer Verwaltungsentscheidung zu beschränken (anders nur in Baden-Württemberg; hier bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit).
Die konstitutive Entscheidung der Gerichte ist wesentlicher Inhalt der Rechtsschutzseite zum Lebenszeitprinzip hinsichtlich Beamtenstatus und Status des Amts im statusrechtlichen Sinne. Es liegt auch im Rahmen der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, ein außerdienstliches Verhalten, das aber einen Verstoß gegen die Treuepflicht des Beamten darstellt – zu der auch die Pflicht gehört, eine Ansehensschädigung der Verwaltung von Gewicht zu vermeiden – zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens zu machen.
Der mit dem Lebenszeitverhältnis gewährten Unentziehbarkeit des statusrechtlichen Amts kommt grundlegende Bedeutung zu, weil sie dem Beamten gerade bei der Ausübung des übertragenen Amts die im Interesse seiner Bindung an Gesetz und Recht erforderliche Unabhängigkeit sichert (BVerfG vom 16.12. 2015; Az.: 2 BvR 1958/13).
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Lesen Sie dazu auch die Beiträge:
Literaturhinweise:
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Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer, § 1 BeamtStG, Rn. 49 ff.
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Werres in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, vor §§ 1, 2 LBG Rn. 54 f.
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v. Roetteken in v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, § 3 Rn. 95 ff.

