Infektionsschutzgesetz klar verfassungswidrig!
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Neufassung des IfsG steht heftig in der Kritik. Das Gesetz sei „verfassungswidrig und voller (auch orthographischer) Fehler“1. Aufgrund zahlreicher Stellungnahmen hat die Bundesregierung ihre Vorschriften zwar mittlerweile geändert, gleichwohl bestehen weiterhin gravierende verfassungsrechtliche Probleme.
1. Verstoß gegen Gleichheitsrechte (Art. 3 GG)
Der Verstoß des IfsG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gründet sich auf folgende Überlegungen: Der Staat darf nicht wesentlich Gleiches ungleich, aber auch nicht wesentlich Ungleiches gleich behandeln. Bei den Schutzmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie müssen damit die staatlichen Einschränkungen bei bereits geimpften Personen anders und weniger einschneidend sein, als bei Personen, die noch nicht geimpft sind oder sich erst gar nicht impfen lassen wollen.
Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des VG Freiburg (Beschluss vom 03.03.2021, Az.: 8 K 435/21), wonach ein Seniorenzentrum auch für seine geimpften Bewohner den gastronomischen Betrieb in einem Gemeinschaftsraum nicht öffnen durfte. Das Gericht hat seine Rechtsauffassung damit begründet, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch unklar gewesen sei, ob eine Übertragung auf und durch geimpfte Personen oder solche, die die Infektion überstanden haben, möglich ist. Nach einem Vergleich, den die Parteien vor dem VGH Mannheim geschlossen haben, ist diese Entscheidung des VG Freiburg hinfällig und eine Öffnung der Gaststätte ist nunmehr sehr wohl erlaubt (Pressemitteilung des VGH Mannheim vom 13.4.20212).
Dieses Ergebnis ist zu begrüßen, denn auch nach den Veröffentlichungen des Robert Koch-Instituts ist die Wirksamkeit der Impfstoffe extrem hoch!3 Dies spricht wiederum eindeutig dafür, dass das IfsG entsprechende Differenzierungen nach geimpften und nicht geimpften Personen vorsehen muss.
Ohne eine solche Differenzierung liegt ein klarer Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
2. Wesentlichkeitsgrundsatz
Corona-Maßnahmen sollen nach den gesetzgeberischen Intentionen nicht mehr auf Grundlage einer unbestimmten Generalklausel getroffen werden. Beim Wesentlichkeitsgrundsatz handelt es sich um folgende vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Vorbehalt des Gesetzes entwickelte Auffassung: Der Gesetzgeber ist aufgrund des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen für einen Regelungsbereich selbst zu treffen und darf nicht anderen Stellen (beispielsweise durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften) Eingriffe in Grundrechte überlassen (vgl. z. B.: BVerfG, Beschluss vom 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12).
§ 28a IfSG präzisiert nunmehr in mehreren Ziffern, welche konkreten Grundrechtseingriffe im Rahmen der Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (§ 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG) durch den Deutschen Bundestag zulässig sein sollen, soweit – wie es auch im Gesetzestext heißt – dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe.
Man wird den Kritikern hier aber entgegenhalten müssen, dass der Gesetzgeber weder in der Lage, noch dass es ihm überhaupt möglich ist, alle Einzelheiten und Eventualitäten durch eine detaillierte parlamentarische Vorgabe abzudecken. Eine dezentrale Entscheidungskompetenz ist vielmehr sachgerecht und auch wichtig.
3. Unverhältnismäßige Einschnitte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Hierzu ist zu bemerken, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber den speziellen Freiheitsrechten lediglich ein sogenanntes „Auffanggrundrecht“ darstellt. Soweit der sachliche (und persönliche) Schutzbereich eines speziellen Freiheitsrechts eröffnet ist, tritt Art. 2 Abs. 1 GG hinter diesem speziellen Freiheitsrecht zurück.
Beispiele für solche Freiheitsrechte sind:
- Art. 5 Abs. 1 GG: Meinungsfreiheit
- Art. 8 Abs. 1 GG: Versammlungsfreiheit
- Art. 11 GG Freizügigkeit oder
- Art. 12 GG: Freiheit der Berufswahl
Gerade mit den vorgesehenen Ausgangssperren wird das Recht auf Freizügigkeit erheblich eingeschränkt. Das IfsG lässt hier keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen (siehe oben 1.), sondern es soll offenbar lediglich das bisherige staatliche Vorgehen während der Corona-Epidemie legitimiert werden.
Fazit:
Unter den genannten Aspekten erscheint eine weitere Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen geradezu unumgänglich!
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Hinweis:
In dem Beitrag der kommenden Woche werden einige beamtenrechtliche Aspekte zu diesem Thema erläutert.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:

