Klagebefugnis bei der Konkurrentenklage
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Anfechtungsklage. Dies gilt auch bei Anfechtungsklagen gegen Dritte, wie dies bei der Klage des unterlegenen Konkurrenten gegen Ernennung bzw. Beförderung eines anderen Bewerbers der Fall ist. Die Grundsituation ist folgende: Die Ernennung des Konkurrenten stellt für diesen einen begünstigenden, für den unterlegenen Bewerber aber einen belastenden Verwaltungsakt dar. Dabei geht mittlerweile auch die Rechtsprechung bei der Ernennung unisono von einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung aus.1
I. Klagebefugnis und Ämterstabilität
Es fragt sich allerdings, ob und wie der unterlegene Bewerber auch noch nach der Ernennung seines Konkurrenten seine Rechte geltend machen kann. Die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit einer beamtenrechtlichen Konkurrentenklage hängt folglich vor allem von zwei Fragen ab, nämlich:
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inwieweit ist der nicht berücksichtigte Bewerber durch die Ernennung eines Konkurrenten oder die Übertragung des Beförderungsdienstpostens an seinen Konkurrenten in seinen subjektiven Rechten verletzt, und inwieweit muss ihm deshalb auf Grund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gerichtlicher Rechtsschutz gewährt werden
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erwächst eine einmal ausgesprochene formgültige Ernennung aus allgemeinen beamtenrechtlichen Gründen in Bestandskraft, die auch vom Gericht nicht zugunsten des Dritten beseitigt werden kann.
Hierbei galt früher der unumstößliche Grundsatz der Ämterstabilität: Wurde eine Ernennung durchgeführt, so konnte diese nur unter den engen Voraussetzungen der in § 12 BeamtStG/§ 14 BBG enumerativ genannten Fälle zurückgenommen werden, mit der Folge, dass dem übergangenen Bewerber allenfalls Rechtsschutz durch Schadensersatz in Geld zugestanden hat, denn seine Bewerbung hatte sich erledigt.
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Da die Ernennung des unterlegenen Bewerbers damit im Allgemeinen nicht mehr „möglich“ war, scheiterte dessen Klage gegen den erfolgreichen Konkurrenten bereits an der Klagebefugnis („Möglichkeitstheorie“, siehe dazu Die Klagebefugnis im Beamtenrecht).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung vom 4. November 20102 die bisherige Rechtsauffassung zur Ämterstabilität aufgegeben und neue Wege eröffnet. Nach dem neuen Urteil des BVerwG kann die Beförderung eines Beamten in ein höheres Amt von einem unterlegenen Mitbewerber vor den Verwaltungsgerichten auch noch mit Erfolg angefochten werden, wenn der Dienstherr den ausgewählten Bewerber unter einer eklatanten Verletzung des Grundrechts des unterlegenen Mitbewerbers auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG ernannt hat. Der Grundsatz der Ämterstabilität steht – so das BVerwG – dem nicht entgegen, denn die Rechte des unterlegenen Bewerbers auf gerichtliche Nachprüfung der Bewerberauswahl können nur durch eine Klage gegen die Ernennung des Konkurrenten gewahrt werden.
Es gilt dann der Grundsatz:
Der Hinweis des Dienstherrn im Prozess, die fragliche Stelle sei bereits anderweitig besetzt, ist unzulässig, weil dieser durch sein Verhalten den nach Art. 33 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz vereitelt hat.
Die Ernennung des (bisher) erfolgreichen Konkurrenten wird dann vom Gericht im Rahmen der Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben. Damit muss in der Folge eine neue Bewerberauswahl erfolgen, an der sich auch der Kläger und der Beklagte beteiligen können. Insofern ist die Klagebefugnis auch Ausfluss des Bewerbungsverfahrensanspruchs (lesen Sie dazu: Der Bewerbungsverfahrensanspruch).
In folgenden Beispielen kann dabei von einer Verletzung des Grundrechts des unterlegenen Mitbewerbers auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz ausgegangen werden, die dann die Klagebefugnis des nicht ernannten Bewerbers nach § 42 Abs. 2 VwGO eröffnen:
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Setzt sich der Dienstherr im Beförderungsverfahren über eine vom Verwaltungsgericht bereits erlassene einstweilige Anordnung hinweg und nimmt die Ernennung des von ihm ausgewählten Bewerbers trotzdem vor, dann hat sich nach der Rechtsprechung des BVerwG diese Ernennung ausnahmsweise nicht erledigt. Der übergangene Bewerber kann vielmehr seinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung weiter verfolgen. Ist dieser Anspruch begründet, so ist ihm auch stattzugeben.
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Der Dienstherr ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG3 und des BVerwG4 verpflichtet, die unterlegenen Mitbewerber rechtzeitig vorher über den Ausgang des Verfahrens zu informieren, damit diese prüfen können, ob sie die Entscheidung akzeptieren oder ob sie Rechtsmittel einlegen. Hierfür muss zwischen der Information des unterlegenen Mitbewerbers und der Ernennung des erfolgreichen Bewerbers ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen. Anderenfalls ist auch hier die Klagebefugnis des unterlegenen Bewerbers gegeben.
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Die Rechtsprechung verlangt weiterhin, dass der Dienstherr seine wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederlegen und dokumentieren muss, weil nur auf diese Weise der unterlegene Mitbewerber sich durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen kann, ob er die Entscheidung des Dienstherrn akzeptiert oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen.5
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Eine Klagebefugnis des unterlegenen Konkurrenten ist immer dann gegeben, wenn der Dienstherr die Einlegung eines angekündigten Rechtsbehelfs bzw. einer möglichen fristgerechten Verfassungsbeschwerde nicht abgewartet hat.
II. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Dabei ist zu bedenken, dass neben der Klagebefugnis auch noch das allgemeine Rechtschutzbedürfnis vorliegen muss, wenn die Anfechtungsklage des unterlegenen Bewerbers erfolgreich sein soll. Dieses allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist generell nicht gegeben, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zur Verfolgung seines Zieles zur Verfügung steht. Dieser einfachere Weg für einen unterlegenen Bewerber ist dann anzunehmen, wenn er sich gegen die noch nicht durchgeführte Ernennung seines Konkurrenten im Wege des Sicherungsantrags nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Wehr setzen kann. Hat er dies aber unterlassen, so scheitert seine Konkurrentenklage. Sie wird als unzulässig verworfen.
Für die Praxis gilt damit in der Konsequenz:
Verhält sich der Dienstherr rechtmäßig, indem er dem unterlegenen Bewerber die für ihn negative Auswahlentscheidung mit Gründen mitteilt (oder ihm zumindest Akteneinsicht bezüglich der tragenden Gründe gewährt) und die Ernennung des Konkurrenten erst nach einer Überlegungsfrist von zwei Wochen vornimmt, so muss der Beamte innerhalb dieser zwei Wochen einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf eine vorläufige Nichtvornahme der Ernennung des Konkurrenten (Sicherungsantrag) stellen, damit er seine Ansprüche nicht verliert.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Vgl. jetzt BVerwG vom 4.11.2010 (2 C 16/09 – IÖD 2011, 14 = ZBR 2011, 91.
2 Az.: 2 C 16.09, DVBl. 2011, 228 ff. = IÖD 2011, 14 ff. = NJW 2011, 695 ff. = RiA 2011, 21 ff. = ZBR 2011, 91 ff. mit Anm. Wieland, DÖD 2011, 69 ff. und Braun, RiA 2011, 26 ff.)
3 Vgl. BVerfG v. 29.7.2003, BayVBl. 2004, 17 = DVBl. 2003,1524 = NVwZ 2004, 95/96 = ZBR 2004, 45.
4 BVerwG v. 22.7.1999, Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr 3 = DÖD 2000, 87 = DVBl. 2000, 485 = NVwZ-RR 2000, 172 = PersV 2000, 122 = ZBR 2000, 40.
5 Vgl. BVerfG v. 9.7.2007, NVwZ 2007, 1178.
Lesen Sie dazu die Beiträge:
Lesen Sie dazu auch
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Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer, Beamtenrecht in Bayern, § 54 BeamtStG, Rn. 56 ff.
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Eck in Schütz/Maiwald, § 54 BeamtStG, Rn. 176 ff.

